Diese Erkenntnis förderte der SBZ-Praxistest „Einhebelmischer und Druckstöße“ mit der Hochschule Esslingen zutage. Dieses Druckverhalten kann ursächlich sein für kleinere Komforteinbußen (schlagende Rohre, Schallübertragungen). Ein Zusammenhang mit größeren Schäden im System ist durch die Druckspitzen nicht auszuschließen.
Grundsätzliches
Druckstöße in Trinkwasserinstallationen sind ein seit langem bekanntes Phänomen. Sie führen zu starken Schwingungen der Rohrwandung und von beweglichen Einbauteilen, wie z. B. Rückflussverhinderern. Diese Schwingungen werden über die Rohrbefestigungen als Körperschall auf die Wand oder Decke übertragen und von dort als störender Luftschall abgestrahlt. Druckstöße können ursächlich verantwortlich sein für Schäden an der Trinkwasseranlage, wenn positive oder negative Druckspitzen zulässige Werte überschreiten. So können u. a. Rohrleitungen, Rohrhalterungen, Armaturen, Plattenwärmeübertrager oder Filtertassen beschädigt werden.
Während es für elektrisch betätigte Sanitärarmaturen (wie sie beispielsweise an Wasch- und Geschirrspülmaschinen vorkommen), bei berührungslosen Armaturen von Urinalen oder Waschbecken und bei Druckspülern und Spülkästen bereits Prüfverfahren zur Ermittlung des Druckstoßverhaltens gibt, ist dies bei handbetätigten Einhebelmischern für Waschbecken, Dusche, Badewanne oder Küchenspüle nicht der Fall. Um herauszufinden, ob auch solche Armaturen beim schnellen Schließen hohe Druckstöße verursachen, wurden im Gas-Wasserlabor der Fakultät Gebäude Energie Umwelt an der Hochschule Esslingen 32 Waschtisch-Einhebelmischer verschiedener Hersteller auf ihr Druckstoßverhalten geprüft.
Um es gleich vorwegzunehmen: die Ergebnisse des SBZ-Praxistest „Einhebelmischer“ zeigen, dass so gut wie alle getesteten Armaturen bei unsachgemäßer Bedienung – also dem schnellen Schließen, sprich: Zuschlagen – einen Druckstoß (oder auch: Wasserschlag) in der Trinkwasserinstallation erzeugen, der sämtliche zulässigen Werte für Belastungsspitzen überschreitet. Aber der Reihe nach:
Grundlagen zum Druckstoß
Als Druckstoß – auch als Druck- oder Wasserschlag bekannt – bezeichnet man die dynamische Druckänderung eines Fluids; wobei damit sowohl eine Druckerhöhung als auch eine Druckabsenkung verbunden ist. Ausgelöst wird ein Druckstoß in der Regel durch das schnelle Schließen einer Armatur oder durch den plötzlichen Ausfall einer Pumpe.
Entstehung von Druckstößen
Bedingt durch die Massenträgheit der Flüssigkeitssäule in einer Rohrleitung wird durch das schnelle Abbremsen beim Schließen der Armatur eine Kraft auf diese ausgeübt. Stark vereinfacht kann man den Vorgang des Druckstoßes mit dem Gleiten einer schweren Stahlfeder durch eine Rohrleitung vergleichen. Wird diese abrupt gestoppt, verformt sich die Feder elastisch beginnend an der Stelle, an der sie plötzlich abgebremst wurde. Die Verformungsfront läuft dabei entgegengesetzt zur ursprünglichen Bewegungsrichtung. Die ursprüngliche Bewegungsenergie der Feder wird bei diesem Gedankenmodell also in die Energie der gespannten Feder umgewandelt. Übertragen auf die Strömung des Wassers in einer Trinkwasserleitung löst das schnelle Schließen der Armatur eine Druckerhöhung aus, die beginnend an der Armatur entgegen der Strömungsrichtung läuft. Die ursprüngliche Bewegungsenergie des Wassers wird dabei in Verformungsarbeit der Flüssigkeit und der Rohrwand umgewandelt. Reicht die Druckwelle bis zum Ende der Rohrleitung, wird sie dort reflektiert und läuft wieder zurück Richtung Armatur. Bedingt durch die Reibung innerhalb der Flüssigkeit sowie zwischen Flüssigkeit und Rohrwand klingt die Druckschwingung erst nach mehrmaligen Reflexionen ab.
Ein Beispiel: Für eine Kupferleitung d 15 mm mit einem Innendurchmesser von 13 mm liegt die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Druckwelle z. B. bei 1284 m/s, was knapp 4622 km/h bedeutet. Hierbei ist jedoch Voraussetzung, dass der Gasanteil in der Flüssigkeit (z. B. gelöster Sauerstoff) sehr gering ist. Dies ist üblicherweise in Trinkwasserleitungen der Fall. Bei einem angenommenen Volumenstrom durch die Kupferleitung von 18 l/min, was einer Fließgeschwindigkeit von 2,26 m/s entspricht, kann im theoretischen Fall bei schlagartigem Schließen der Armatur mit Gleichung 1 ein maximaler Druckstoß von 2,9 MPa (29,0 bar) berechnet werden.
Ist die Schließzeit größer als die doppelte zur Rohrleitungslänge gehörende Laufzeit, kommt die am Rohrende reflektierte Entspannungswelle wieder an der Armatur an, bevor der komplette Druckaufbau stattgefunden hat. Der Druckstoß wird somit abgeschwächt.
Der zulässige Höchstdruck aus Ruhedruck und Druckstoß darf nach DIN 1988-200 10 bar nicht überschreiten. Die Messergebnisse zeigen hier bei 5 bar Fließdruck und 100 ms Schließzeit einige Überschreitungen. Je nach Richtlinie sind bereits Werte ab 8 bar kritisch zu betrachten.
Normative Anforderungen an das Druckstoßverhalten
Für Trinkwasseranlagen im Sinne der DIN 1988 bzw. der DIN EN 806 gelten für die zulässigen Drücke in Trinkwasserinstallationen folgende Regelungen:
Der Prüfstand
Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurde im Gas-Wasserlabor an der Hochschule Esslingen ein Prüfstand in Anlehnung an DIN EN 15091 aufgebaut.
Um den Einfluss der Rohrleitungslänge auf den Druckstoß näher untersuchen zu können, kann in Abweichung zur Prüfnorm DIN EN 15091 durch verschiedene Ventilstellungen die Rohrleitungslänge – zusätzliche Rohrspirale – vergrößert werden. Der Schließvorgang an der Armatur wird mittels eines Druckluftstößels vorgenommen. Dabei werden die Hebelstellungen „ganz auf“ und „ganz zu“ über die Kontakte einer Lichtschranke bestimmt.
Die Prüfbedingungen
In den Prüfnormen für elektrisch betätigte Sanitärarmaturen sowie für Druckspüler und Füllventile von Spülkästen ist der Ausgangszustand für die Prüfung des Druckstoßverhaltens ein Ruhedruck von 5 bar vorgesehen. Bei den Tests wurden sämtliche Armaturen bei voll geöffnetem Ventil auf einen Fließdruck von 3 bar eingestellt.
Nach Entlüften der Rohrleitung und Einstellen einer stationären Strömung bei voll geöffneter Armatur wird diese mit einer Schließzeit von 100 ms und danach 20 ms mittels einer pneumatischen Betätigung geschlossen. Die gewählten Schließzeiten lehnen sich an die Angaben der VDI 6006 an. Diese gibt für Einhebelmischer mit Keramikscheiben bei langsamem Schließen 100 ms an; bei schnellem Schließen 10 bis 20 ms. Zusätzlich wird das Druckstoßverhalten der Armaturen auch bei einem Fließdruck von 5 bar jeweils mit Schließzeiten von 20 ms und 100 ms durchgeführt.
Bei den Messungen mit einem Fließdruck von 3 bar wie auch von 5 bar wird der zulässige Druck von 10 bar bei fast allen Armaturen bei 20 ms Schließzeit („Zuschlagen“) kritisch überschritten. Hier werden negative Spitzenwerte über 20 bar erreicht.
Geprüfte Produkte
Für die Tests wurden die Armaturen verschiedener Markenhersteller verwendet. Außerdem wurden in diversen Baumarktketten Handelsmarken-Hebelmischer eingekauft und zwei No-Name-Exemplare aus Fernost in Onlineshops bestellt. Der komplette und ausführliche Prüfbericht mit allen Ergebnissen in eindeutiger Zuordnung liegt der SBZ vor. Da das Druckstoß-Problem jedoch erkennbar so gut wie jeden Hersteller betrifft, haben wir die Darstellung der Anbieter und ihrer Produkte in der SBZ anonymisiert.
Erkenntnisse
Maximaldrücke bei Fließdruck 5 bar:
Vergleicht man die Messergebnisse mit den Anforderungen z. B. an selbstschließende Armaturen wie Druckspüler oder Füllventile von Spülkästen, so darf ausgehend von einem Ruhedruck von 5 bar und einem zulässigen Druckstoß von 2 bar der Gesamtdruck während des Schließvorganges von 7 bar nicht überschritten werden. Obwohl bei den durchgeführten Messungen nicht der Ruhedruck von 5 bar eingestellt war, sondern ein Fließdruck von 3 bar, kann der zulässige Druck von 7 bar bei einer Schließzeit von 100 ms nur von wenigen Armaturen eingehalten werden. Bei einer Schließzeit von 20 ms wird der zulässige Wert von keiner Armatur eingehalten. Bei den Messungen mit einem Fließdruck von 5 bar wird der zulässige Druck bei allen Armaturen sowohl bei 100 ms als auch bei 20 ms Schließzeit überschritten. Hier werden Spitzenwerte bis über 20 bar erreicht.
Maximaldrücke bei Fließdruck 3 bar:
Vergleicht man die Messergebnisse mit den Anforderungen für Sanitärarmaturen mit elektronischer Öffnungs- und Schließfunktion, so dürfen ebenfalls ausgehend von einem Ruhedruck von 5 bar und einem zulässigen Druckstoß von 3 bar Maximaldrücke von 8 bar auftreten. Dieser Wert wird von einigen Herstellern bei 100 ms Schließzeit unterschritten; bei 20 ms Schließzeit jedoch von keiner Armatur. Der zulässige Höchstdruck aus Ruhedruck und Druckstoß darf nach DIN 1988-200 den zulässigen Betriebsüberdruck nicht überschreiten. Dieser beträgt nach DIN EN 808-2 10 bar. Die Messergebnisse zeigen hier bei 3 bar Fließdruck und 100 ms Schließzeit nur wenige Überschreitungen. Bei 20 ms Schließzeit werden die 10 bar überwiegend überschritten.
Einfluss des Volumenstroms:
Der bei einigen Armaturen erkennbare höhere Volumenstrom bei gleichem Fließdruck führt zu einer ebenfalls höheren Fließgeschwindigkeit. Da der Druckstoß auch von der Änderung der Fließgeschwindigkeit abhängt, fällt bei diesen Armaturen der gemessene Druckstoß vor allem bei der kurzen Schließzeit von 20 ms deutlich höher aus, als bei Armaturen mit geringerem Volumenstrom.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bei einigen Armaturen mit hohem Durchfluss der Druckstoß bei der längeren Schließzeit von 100 ms deutlich niedriger ausfällt als bei anderen Armaturen mit hohem Durchfluss. Dies ist sicher auf die unterschiedlichen Schließcharakteristiken zurückzuführen. Bei einigen Armaturenherstellern ist der Unterschied bei 3 bar Fließdruck zwischen der Schließzeit von 100 ms und 20 ms zwar erkennbar, jedoch deutlich geringer als bei anderen Produkten. Auch dies ist ein Hinweis auf spezielle Schließcharakteristiken dieser Hersteller. Auffallend: Bei den Druckverlaufsdiagrammen sämtlicher Armaturen (bei 3 bar Fließdruck und jeweils 100 ms und 20 ms Schließzeit) ist erkennbar, dass bei einigen Armaturen der Druck zudem unter 0 bar abfällt.
Negativer Druckstoß / Unterdruck im System:
Da der Drucktransmitter nur positive Drücke messen kann, hört die Aufzeichnung bei 0 bar auf, obwohl der tatsächliche Druck ins Negative geht. Bei diesem Vorgang ist es möglich, dass Hohlräume von Wasserdampf und ausgegaster Luft entstehen. Beim Zurückschwingen der Druckwelle fallen diese Gasblasen wieder zusammen, das Wasser strömt mit Schallgeschwindigkeit an die Stelle hin, an der sich die Gasblasen befunden haben; es entstehen gut zu hörende unangenehme Kavitationsgeräusche und partiell hohe Drücke. Dieser Vorgang wird als Mikrokavitation bezeichnet.
Die zulässigen negativen Druckstöße nach der genannten 1988-200 dürfen 50 % des sich einstellenden Fließdruckes nicht unterschreiten. Bei einem Fließdruck von 3 bar bedeutet dies, dass 1,5 bar nicht unterschritten werden dürfen. Die Druckverlaufsdiagramme im SBZ-Praxistest zeigen aber, dass bei den meisten Armaturen dieser Wert bereits bei 100 ms Schließzeit unterschritten wird. Bei der kurzen Schließzeit von 20 ms wird sogar bei vielen Armaturen der Wert von 0 bar unterschritten; dies bedeutet, dass der Druck unter den Umgebungsdruck abfällt, was zu Mikrokavitation führen kann mit Auswirkungen auf die Trinkwasseranlage.
Fazit
Für Einhand-Hebelmischer ist derzeit keine gültige Produkt-Prüfnorm vorhanden, gleichwohl haben diese jedoch die Vorgaben der DIN 1988-200 hinsichtlich der zulässigen positiven und negativen Druckstöße im Installationssystem zu erfüllen. Da in dem genannten Regelwerk jedoch keine konkreten Schließzeiten genannt sind, muss davon ausgegangen werden, dass die zulässigen Grenzwerte bei den für diese Armaturenart „üblichen“ Schließzeiten einzuhalten sind. Aus diesem Grund wurden bei dieser Testreihe Schließzeiten gewählt, die nach VDI 6006 typisch sind.
Schließzeiten von 20 ms oder kürzer stellen sicherlich nicht den Regelfall dar, können jedoch durchaus auftreten. Ebenso sind Fließdrücke von 5 bar in Trinkwasserinstallation zwar eher selten, da nach DIN 4109-36 (2016) der Ruhedruck der Trinkwasser Installation nach Verteilung in den Stockwerken vor den Armaturen nicht mehr als 5 bar betragen darf. Daher sind die Testergebnisse mit einem Fließdruck von 5 bar eher als Grenzfall anzusehen, der trotzdem vorkommen kann. In solch einem Fall können nach den Testergebnissen Druckstöße von über 20 bar auftreten, die störende Geräusche (z. B. Schlagen der Rohre) übertragen bzw. zu Schäden an der Trinkwasserinstallation führen können.
Als Ergebnis der Messreihen ist festzustellen, dass Maßnahmen zur Reduzierung der Druckstöße in Einhebelmischern nötig sind. Hier sind die Hersteller gefordert, dies durch entsprechende Armaturenkonstruktionen umzusetzen. Eine Produkt-Prüfnorm analog z. B. zu den Prüfnormen für Druckspüler oder Füllventilen wäre auch für diese Armaturenart im Zusammenhang mit der Druckstoßproblematik sicherlich hilfreich.