Betriebswassersysteme im Gebäudebereich gewinnen in an Bedeutung. Warum es höchste Zeit ist, sich mit der Regen- und Grauwassernutzung zu beschäftigen.
Kurz gesagt
● Deutschland gehört zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit. Die Klimakrise droht zur Wasserkrise zu werden.
● Regen- und Grauwasser lassen sich aufbereiten und für Zwecke nutzen, die nicht zwingend Trinkwasserqualität benötigen.
● Betriebswassersysteme im Gebäudebereich gewinnen in den kommenden Jahren an Bedeutung. Dann ist das Fachhandwerk gefordert.
Noch nie gab es bundesweit so viele Entnahmeverbote für Oberflächenwasser wie im Sommer 2022. Dann galt oft auch: kein Trinkwasser mehr für die Autowäsche, den Pool und die Gartenbewässerung. Im Juli 2022 wurde erstmals nördlich des 53. Breitengrads in Hamburg eine Temperatur von mehr als 40 °C gemessen. Die Hitzewellen und Dürreperioden nehmen in Deutschland zu, es wird insgesamt wärmer und der Boden trockener.
Das Land gehört zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit. Das geht aus dem „Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ hervor, den das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und das Umweltbundesamt (UBA) kurz vor Redaktionsschluss dieser SBZ-Ausgabe vorgestellt haben. „Die verheerenden Folgen der Klimakrise nehmen in erschreckendem Ausmaß zu. Das zeigt der aktuelle Monitoringbericht überdeutlich“, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke.
Laut dem Bericht verliert Deutschland schon seit der Jahrtausendwende 2,5 Gigatonnen bzw. Kubikkilometer Wasser pro Jahr. Damit hat das Land inzwischen rechnerisch in etwa die Menge des Bodensees weniger. Dies hat unter anderem Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Wasserressourcen und stellt auch die Wasserversorger vor neue Herausforderungen.
In Deutschland wird der überwiegende Teil des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen. Doch die Grundwasserstände sinken, heißt es in dem Bericht. In ganz Deutschland wurden in den Dürrejahren Rekord-Unterschreitungen der langjährigen niedrigsten Grundwasserstände an den Messstellen ermittelt. Vor allem in Norddeutschland ist die Entwicklung besorgniserregend.
Ein ähnliches Bild zeigen Auswertungen von Correctiv. Das Recherchezentrum hat erstmals Daten von rund 6700 Grundwassermessstellen aus den vergangenen drei Jahrzehnten analysiert. An knapp der Hälfte aller ausgewerteten Orte ist das Grundwasser in den Dürrejahren zwischen 2018 und 2021 auf den tiefsten Stand seit 1990 gefallen. Insgesamt ist in den vergangenen 32 Jahren der Grundwasserstand mehr gesunken als gestiegen.
Eine Entwicklung mit weitreichenden Folgen. Steigende Temperaturen und Wetterextreme führen dazu, dass sich Grundwasserspeicher nicht mehr füllen. Gleichzeitig benötigen Landwirtschaft und Haushalte in den Hitzeperioden mehr Wasser. Wird also in Deutschland bald das Trinkwasser knapp?
Auf dem Weg zur Wasserwende
Abgesehen von regional begrenzten Wassermangelgebieten mit geringen nutzbaren Grundwasservorkommen konnte bislang in der Bundesrepublik davon ausgegangen werden, dass Wasser jederzeit in ausreichender Menge zur Verfügung steht. Doch der Monitoringbericht weist darauf hin, dass inzwischen die Ressource Wasser auch hierzulande aufgrund der rückläufigen Grundwasserneubildungsrate eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordert.
Eine mengenmäßig ausreichende Grundwasserneubildung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Trinkwasserversorgung in Deutschland. Zudem beeinflussen die sich ändernden Niederschlags- und Temperaturverhältnisse auch die Menge und Qualität der Oberflächengewässer, die ebenfalls zur Trinkwassergewinnung genutzt werden.
Weiter heißt es in dem Monitoringbericht, dass mit dem fortschreitenden Klimawandel sich diese Problematik vor allem in den Regionen Deutschlands weiter zuspitzen kann, in denen die klimatische Wasserbilanz bereits heute ungünstig ist. Zunehmende Wasserknappheit und häufigere Dürreperioden können regional zu Konflikten um die Nutzung vor allem von oberflächennahen Wasserressourcen, aber auch von Grundwasserreserven führen. In der Region Berlin-Brandenburg oder im Großraum Frankfurt ist dies schon heute der Fall.
Erst im März beschloss die Bundesregierung eine auf den Zeitraum bis 2050 ausgelegte Nationale Wasserstrategie. Ein zentrales Ziel ist es, das Trinkwasser in Deutschland langfristig zu sichern. Dafür soll unter anderem der nachhaltige Umgang mit Wasser in Städten gestärkt werden. Das beinhaltet neben einer Umsetzung des Konzepts der „Schwammstadt“ und damit einer verstärkten Integration der Regenwasserrückhaltung, -speicherung und -nutzung auch die Betriebswasser- bzw. Grauwassernutzung.
Das Strategiepapier legt auch fest, dass insbesondere im urbanen Raum bestehende Lösungen zur (Wieder-)Nutzung von Regenwasser und Abwasserteilströmen im Haushalt unter Beachtung der hygienischen und ökologischen Aspekte verstärkt in Anwendung gebracht und neue Lösungen erprobt werden sollten. Hierzu müssen Hemmnisse beseitigt und Rahmenbedingungen verbessert werden. Das schließt auch die Prüfung zu Finanzierungsmöglichkeiten mit ein.
Betriebswassernutzung im Gebäudebereich kommt
„Es gibt zwar bereits Initiativen und Programme, die den Einsatz von Regenwassernutzungsanlagen fördern und finanziell unterstützen, aber hier ist auf alle Fälle noch Luft nach oben“, sagt Dietmar Sperfeld, Referent beim Bundesverband für Betriebs- und Regenwasser (fbr). „Vor allem wenn man bedenkt, dass Gebäude, die heute ohne Betriebswasserkonzepte erstellt werden, auf ihre Nutzungszeit gesehen für die nächsten 50 bis 100 Jahre verloren sind.“
Nahezu bei jedem Neubau und jeder Sanierung ist die Einbindung von Betriebswassersystemen möglich.
Bild: Ernst
Experten und Verbände fordern schon länger, dass in jedem Neubau Betriebswassernutzung zum Einsatz kommen sollte. „Nahezu bei jedem Neubau und jeder Sanierung ist die Einbindung von Betriebswassersystemen möglich – sei es eine Regen- oder Grauwassernutzung“, findet auch Frank Ernst, Hauptgeschäftsführer des Bundesindustrieverbandes Technische Gebäudeausrüstung (BTGA). Seit Ende November 2023 ist der BTGA Mitglied der Allianz „Gemeinsam für eine wasserbewusste Stadtentwicklung“.
Die Allianz setzt sich für einen möglichst naturnahen Wasserkreislauf bei der Stadtentwicklung ein. Regenwasser dezentral zu managen und Regen- und Betriebswasser zu nutzen gehört zu den naturbasierten Lösungen, die laut BTGA besonders einfach umzusetzen sind. „Hier kann die Technische Gebäudeausrüstung einen wesentlichen Beitrag in Gebäuden und auf bewirtschafteten Grundstücken leisten“, so Ernst.
Die wichtigsten Regelwerke zur Regen- und Betriebswassernutzung
● DIN EN 16941-1 „Vor-Ort-Anlagen für Nicht-Trinkwasser – Teil 1: Anlagen für die Verwendung von Regenwasser“
● DIN EN 16941-2 „Vor-Ort-Anlagen für Nicht-Trinkwasser – Teil 2: Anlagen für die Verwendung von behandeltem Grauwasser“
● DIN 1989-100 „Regenwassernutzungsanlagen – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 16941-1“
● VDI 2070 „Betriebswassermanagement für Gebäude und Liegenschaften“
● Merkblatt DWA-M 277 / fbr-Hinweisblatt H 202 „Hinweise zur Auslegung von Anlagen zur Behandlung und Nutzung von Grauwasser und Grauwasserteilströmen“
Dieser Artikel ist ein Auszug aus „Muss das Trinkwasser sein?“ in der SBZ 12-2023. Im kompletten Artikel erläutern Experten außerdem
● wie hoch das Einsparpotenzial in Privathaushalten ist
● welche Gebäude besonders für die Grauwassernutzung prädestiniert sind
● die Auswirkungen der Wasserknappheit auf das Fachhandwerk
● Möglichkeiten zur Fortbildung und
● warum man die Handwerker mit dem Thema Brauchwassernutzung auf keinen Fall alleine lassen darf. ■
Autorin
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