Krebse in Trinkwasserinstallationen
Obwohl das Trinkwasser beim Verlassen des Wasserwerkes kristallklar ist, kann es auf seinem oft kilometerlangen Transportweg zum Verbraucher verschiedene Partikel, wie Rostteilchen und Sandkörner, aufnehmen. Und noch eine Beigabe kann hinzukommen: Krebse
Nicht nur Bakterien, sondern auch die bis zu 18 mm langen Asellus aquaticus können sich im System befinden
Rostteilchen und Schwebestoffe stammen häufig von der Rohrwandung im öffentlichen Versorgungsnetz. Hier lösen sich so dann und wann Fragmente von Inkrustrierungen und Ablagerungen. Auch bei Montagearbeiten am Rohrnetz lässt sich nicht völlig ausschließen, dass Feststoffpartikel ins System gelangen. So finden mit dem angelieferten Trinkwasser gelegentlich unerwünschte Partikel den Weg in die Hausinstallation. Es sind aber nicht nur tote Partikel, die von den Netzbaustellen aus auf die Reise gehen. Es können hier auch kleine, lebendige Krebse (Asseln) den Weg ins Rohr finden und dann vom Trinkwasser mitgeführt werden.
Alles klar in der Trinkwasserleitung?
In Sachen der Asseln besteht - neben dem ästhetischen Aspekt - folgendes Problem: Abgestorbene Tiere und deren Ausscheidungen sind biologisch abbaubar, werden im Leitungsnetz verteilt, sammeln sich in schwach genutzten Leitungsabschnitten an und können so zur Verkeimung führen. Bei der Stagnation des Leitungswassers in der Hausinstallation kommt es zu einer erhöhten Verkeimungsneigung. Die Koloniezahl überschreitet bereits nach einem Tag den vorgegebenen Grenzwert von 100 Koloniebildenden Einheiten (KBE) je Milliliter Wasser, das Maximum, nach drei Tagen kann der Wert schon bei mehr als bedenklichen 3500 KBE je Milliliter Wasser liegen. Eine Situation, die selbstverständlich alles andere als gewollt ist. Zahlreiche Teile des Regelwerkes für die Trinkwasserinstallation und die Publikationen verschiedener Institutionen haben das Thema, Trinkwasser in der Hausinstallation vor Qualitätsverlust zu schützen. Schließlich soll der Hausbewohner als Nutzer des Wassers einen ungetrübten Genuss dieses Lebensmittels haben.
Auflistung der wichtigsten technischen Regeln für Trinkwasserinstallationen:
- DIN 1988-200 - Technische Regeln für Trinkwasserinstallationen
- DIN EN 806-2 / DIN EN 1717 - Technische Regeln für Trinkwasserinstallationen / Schutz des Trinkwassers
- DVGW Arbeitsblätter W 551 und W 553, Legionellenverminderung / Trinkwasser-Erwärmungssysteme
- ZVSHK Merkblätter Dichtheitsprüfung / Spülen von Trinkwasser-Installationen
- TWIN Informationen des DVGW zur Trinkwasser-Instalation
- VDI-Richtlinien
- DIN 2000
- Trinkwasserverordnung
- zum Download :arrow: >>>Techn. Regeln für Trinkwasser-Installation >>> Sicherung der Trinkwasserqualitaet
Krebse als Trinkwassergarnierung?
Gesetzlich ist das Vorkommen von Kleinstlebewesen, wie Krebsen (Invertebraten), in Trinkwasserversorgungsanlagen nur indirekt geregelt. Ein Passus aus der EG-Trinkwasserrichtlinie von 1980, nach dem im Trinkwasser keine geformten Elemente (Algen, Parasiten und „Animalcaula“) enthalten sein dürfen, wurde nicht in die aktuelle Fassung der Verordnung übernommen. Hier wird lediglich auf die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verwiesen, die in der DIN 2000 festgelegt sind. Dort heißt es in den Grundanforderungen an Trinkwasser lediglich, dass es „appetitlich“ sein und „zum Genuss anregen“ sollte. Der Hinweis in der Fassung der DIN 2000 von 1973, dass „mit bloßem Auge sichtbare Organismen, Tier- und Pflanzenreste […] im Trinkwasser nicht enthalten sein“ dürfen, wurde im Jahr 2000 gestrichen.
Streichel-Zoo in der Wasserleitung
In Trinkwasserrohrnetzen leben verschiedene wirbellose Tiere, das bekannteste ist die Wasserassel (Asellus aquaticus) mit einer Größe von bis zu 18 mm. In erster Linie ist das Vorkommen von Wasserasseln in den Rohrleitungen ein ästhetisches Problem. Der Gedanke beim Kaffee trinken oder beim Zähne putzen, dass dieses Wasser schon über Wasserasseln geflossen ist, ist an sich nicht sehr appetitlich. Das ist aber noch nicht alles. Wasserasseln besitzen - wie andere Krebse - auch ein so genanntes Exoskelett (äußeres Skelett) und häuten sich, um zu wachsen. Und was sie da wachstumsbedingt abstoßen, bleibt im Leitungssystem zurück. Dann sind da noch ihre Ausscheidungen. Asselkot kann dem Menschen in der Regel nicht gefährlich werden, dient innerhalb der Rohrleitung aber anderen Mikroorganismen als Nahrung. Die Wasserasseln selbst verspeisen vor allem Partikel organischen Materials, also auch Mikroben in Mulm (Ablagerungen in Rohrleitungssystemen) und in Biofilmen. Auf Grund der Kenntnis des natürlichen Lebensraumes der in den Trinkwasser-Verteilungssystemen vorkommenden Tiere ist bekannt, dass es sich um solche handelt, die am Boden und an den Wänden des Rohrleitungssystems leben.
Die Beseitigung der Asellus aquaticus
Mit derzeit verfügbaren Techniken und Verfahren können Wasserasseln nicht effektiv bekämpft und beseitigt werden. Da sich die Kleinstlebewesen an den Rohrwandungen festhalten und zudem hydrodynamisch geformt sind, werden sie bei den herkömmlichen Spülgeschwindigkeiten des Wassers nicht vollständig entfernt. Auch intensivere Reinigungsmethoden, wie eine kombinierte Luft-Wasser-Spülung, führen kaum zu einer Entfernung der Asseln. Darüber hinaus sind Druckstöße nicht zu unterschätzen. Zunächst wird in einer Druckverdüsungsanlage Leitungswasser mit Kohlenstoffdioxid (CO2) versetzt, um dann zur Konzentrationseinstellung mit Leitungswasser verdünnt zu werden. Dieses „Mineralwasser“ wird in den zu behandelnden Leitungsabschnitt geleitet. Nach einer Einwirkzeit von einigen Minuten wird der Abschnitt mit Leitungswasser gespült. Kleinstlebewesen und weitere Ablagerungen werden so aus dem System entfernt. Eine Korrosion des Rohrmaterials durch das Kohlenstoffdioxid ist aufgrund der kurzen Einwirkzeit ausgeschlossen. Auch der Biofilm bleibt dadurch intakt, so dass es zu keiner bakteriellen Kontamination kommt.
Normen fordern Schutzfiltereinsatz
In verschiedenen Normen wird der Einsatz von Schutzfiltern zwingend gefordert. Die Norm „Technische Regeln für Trinkwasserinstallationen“ (DIN 1988) formuliert in Teil 2 wie folgt:
„Gelegentlich werden mit dem Trinkwasser kleine Feststoffpartikel, wie z. B. Rostteilchen und Sandkörner, in die Hausinstallation eingespült. Derartige Partikel können fremdstoffinduzierte Korrosionsschäden in Form von Mulden- und Lochfraß in den Rohrleitungen bewirken, im Laufe der Zeit Brauseköpfe bzw. Luftsprudler verstopfen oder die Funktion von Armaturen stören.“
Bei den Feststoffpartikeln kann es sich auch um Asselkot oder Tote Invertebraten handeln. Filter verhindern, wenn sie geeignete Durchlassweiten nach DIN 13443-1 [1] aufweisen, solche Erscheinungen weitgehend. Bei metallenen Leitungen ist unmittelbar nach der Wasserzähleranlage ein Filter nach DIN 13443-1 in die Trinkwasseranlage einzubauen. Bei Kunststoffleitungen sollte ein Filter eingebaut werden. Mit der Installation alleine ist es jedoch nicht getan, da diese Geräte bestimmungsgemäß dem Trinkwasser solche ungelösten Stoffe entziehen und in regelmäßigen Abständen gewartet werden müssen. Filtereinsätze müssen, auch aus hygienischen Gesichtspunkten, regelmäßig gereinigt werden, da es auf den Filterflächen zu Verkrustungen, Steinbildung und Biofilmansiedelungen mit mikrobiologischer Kontamination kommen kann.
Wartung manuell oder automatisch
Als Stand der Technik ist bekannt, dass der Einsatz eines Filters mit wechselbarem Filterelement aus hygienischen und betriebstechnischen Gründen in sechsmonatigen Abständen ausgewechselt werden muss. Die Wiederverwendung manuell gereinigter Filtereinsätze ist aus Gründen der Trinkwasserhygiene nicht zulässig. Im Unterschied zu Wechselfiltern muss bei rückspülbaren Filtern das zu reinigende Filterelement nicht ausgetauscht werden. Die Reinigung des Filtereinsatzes wird hier mittels einer Rückspülung in umgekehrter Fliessrichtung durchgeführt.
Für Rückspülfilter werden nach den technischen Regeln für Trinkwasserinstallationen Rückspülintervalle von nicht länger als zwei Monaten gefordert. Viele rückspülbaren Filter können heute aber auch mit endverbraucherfreundlichen Rückspül-Automatiken nachgerüstet werden, damit der leider oft vernachlässigte Filter am Hauswassereingang dennoch seine Reinigung erfährt, ohne ständig im Bewusstsein des Bewohners zu bleiben.
Wenn der Einsatz des Trinkwasserfilters nicht regelmäßig erneuert, bzw. bei modernen Filtern zurückgespült wird, kann er sich zum hygienischen Problem entwickeln. Das gilt auch für die Anlagen, die überhaupt noch keinen Trinkwasserfilter haben und in Zukunft hygienische und Anlagenprobleme bekommen werden.
Hier schlugen Wasserasseln zu
Magdeburg (1964)
Asseln setzten Leitungsabschnitte zu und konnten in großer Zahl über Zapfhähne entnommen werden
Hamburg (1997)
Asseln in Zählersieben, in Feinfiltern von Hauswasserinstallationen, in Reinwasserbehälter
Brandenburg Falkensee (2000)
Asseln im Trinkwasserfilter
Brieselang im Havelland (2009)
An 72 Tagen wurden 58000 Asseln aus dem Versorgungsnetz entfernt
Autor Detlef Poullie ist Dozent der Handwerkskammer Düsseldorf, Gas- und Wasserinstallateurmeister, Zentralheizungs- und Lüftungsbaumeister sowie Energieberater
Telefon: (0 21 66) 2 21 83
E-Mail: Detlef.Poullie@t-online.de
Literaturnachweis:
[1] DIN 13443-1: Anlagen zur Behandlung von Trinkwasser innerhalb von Gebäuden - Mechanisch wirkende Filter - Teil 1: Filterfeinheit 80 µm bis 150 µm - Anforderungen an Ausführung, Sicherheit und Prüfug