Entwässerung mit Füllungsgrad und Gefälle
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Abwasser muss ablaufen. So simpel steht es in der DIN EN 12056 zu lesen. Dabei ist es nicht damit getan, der Brühe durch große Rohre Raum zu verschaffen und durch ordentliches Gefälle fast bis auf Fallgeschwindigkeit zu beschleunigen. Hier gilt: Weniger ist mehr..
Als Anlagenmechaniker bekommt man mit der Zeit eine ganze Anzahl von Gebäude-Entwässerungsanlagen zu sehen. Und nicht selten offenbart die Kamerauntersuchung unter einem Einfamilienhaus eine Grundleitung in Nennweite 125 oder sogar 150. Der Erbauer der Rohrleitung ging ganz offensichtlich nach dem Grundsatz „zu groß gibt’s nicht“ vor. Tatsächlich trifft man so dann und wann auf die fatale Ansicht, dass nur kleine Entwässerungsrohre verstopfen, den großen dieses Schicksal aber - eben dank der üppigen Nennweite - erspart bleibt. Ähnlich spendabel wird teilweise mit dem Gefälle liegender Abflussleitungen umgegangen. Auch hier scheint die Meinung vorzuherrschen, dass es ja nie genug sein kann.
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Wasser weg ist schlecht
Werden beide Binsenweisheiten bei der Verlegung liegender Entwässerungsleitungen umgesetzt, dann kann das Rohrreinigungsunternehmen schon mal gleich neben diesem Gebäude eine Zweigstelle eröffnen. Denn schon die Anwendung von nur einem dieser Irrglauben lässt die Abflussverstopfung zur einer Frage der Zeit werden. Und diese Form von „vollem Rohr“ ist ja nun mal keinesfalls gewünscht. Aber wie kommt es, dass gerade große Rohre, die mit viel Gefälle verlegt sind, große Gefahr laufen, zu verstopfen? Die Erklärung hierfür ist darin zu suchen, dass in ihnen nicht nur Wasser fließt. Hier hat man es mit Schwarzwasser zutun. Als Schwarzwasser bezeichnet man Abwässer, die Fäkalien und weitere Feststoffe (Toilettenpapier, Papiertaschentücher, etc.) enthalten. Ist die Leitung für die anfallende Wassermenge zu groß, verteilt sich das Wasser im Leitungsquerschnitt und erreicht somit einen so geringen Wasserstand, der die Feststoffe daran hindert zu schwimmen. Bei nicht ausreichender Schwimmtiefe bleiben sie liegen und das Wasser setzt seine Reise alleine fort. Ist eine Leitung mit zu groß gewähltem Gefälle installiert, fließt das Wasser verhältnismäßig schnell und damit den Feststoffen buchstäblich davon. Wieder bleiben diese in der Leitung zurück. Kommt beides zusammen - zu großes Rohr und zu viel Gefälle - haben die Fäkalien so gut wie keine Chance mehr, sich auf den Weg zu machen.
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Abgestimmt läuft`s ab
Damit Fäkalien und Feststoffe im Rohr mobil bleiben und bestimmungsgemäß ihre Reise in Richtung Klärwerk antreten, müssen sie an jeder Stelle der liegenden Leitung schwimmen. Eine solche ausreichende Schwimmtiefe ist erreicht, wenn die Leitung beim Ablaufvorgang zur Hälfte voll Wasser ist. Man spricht dann von einem Füllungsgrad (Verhältnis von Wasserstandshöhe h zum Innendurchmesser der Leitung d) von 0,5. Um dieses halb volle Rohr bei Ablaufvorgängen zu erreichen, müssen die ablaufende Wassermenge (Schmutzwasserabfluss), das Gefälle, mit dem die Leitung verlegt werden soll und die Rohrnennweite in Einklang gebracht werden. Der Schmutzwasserabfluss ergibt sich aus der Anzahl und Art der Sanitärobjekte, die über den Leitungsteil entwässert werden müssen. Das Gefälle darf innerhalb von Gebäuden nicht kleiner sein als 0,5 cm/m; das Maximalgefälle liegt bei 5 cm/m. Ist der Schmutzwasserabfluss bekannt und es wurde ein Gefälle (eben zwischen 0,5 bis 5 cm/m) festgelegt, wird die Rohrnennweite mit Hilfe einer Auswahltabelle bestimmt. Bei feststehendem Wert für den Schmutzwasserabfluss gilt dabei: Je mehr Gefälle die Leitung bekommt, desto kleiner muss die Nennweite der Leitung gewählt werden, damit der Füllungsgrad h/d = 0,5 erreicht wird.
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Haben Fäkalien und Feststoffe im Abfluss „immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel“ wird die Leitung gut ausgespült und Funktionsstörungen - wie etwa Verstopfungen - kommen dann fast nicht mehr vor.
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Literaturnachweis:
DIN EN 12065: Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden