Gleichzeitigkeit in SHK-Anlagen
Wer will sich schon in einem Mehrfamilien mit den anderen Bewohnern über die Zeiten abstimmen müssen in denen er morgens duschen darf. Wahrscheinlich niemand. Wer möchte in der Heizperiode in seinem Wohnzimmer frieren? Auch niemand! Sind also solche Anlagenkomponenten für eine hundertprozentig gleichzeitige Nutzung ausgelegt?
Hier lesen sie etwas über die Zusammenhänge von Gleichzeitigkeiten in Sanitär und Heizungsanlagen. Es ist selten nötig eine hundertprozentige Gleichzeitigkeit anzunehmen. Und Angstzuschläge aus Unsicherheit sind ebenso sinnlos. Denn Sanitär und Heizungsanlagen werden dadurch aufgebläht und teuer. Zu große Sanitärinstallationen können sogar Hygieneprobleme verursachen. Nutzt man jedoch die Erkenntnisse die bereits in der Praxis erprobt wurden, kann man sich diese Probleme sparen.
Problembeispiel
Schauen wir uns zunächst ein neutrales Gebäude an mit 10 Wohneinheiten. Die Sanitärausstattung jeder Einheit setzt sich jeweils aus Bad und Küche zusammen. Betrachtet werden soll nur das kalte Wasser, kurz PWC (portable water cold) und die notwendige Zuleitung
Verbraucher je Wohneinheit
Badewanne BW mit 0,15 l/s
Dusche DU mit 0,15 l/s
Waschtisch WT mit 0,07 l/s
WC Spülk. WC mit 0,13 l/s
Küchenspüle KS mit 0,10 l/s
Die Addition der geforderten Volumenströme ergibt zusammen 0,6 l/s (Liter pro Sekunde). Das klingt sehr abstrakt ist aber in der Realität ein satter Strahl (drei Trinkgläser pro Sekunde können gefüllt werden). Wollte man also diesen satten Strahl zu den Einheiten befördern, so käme man bei zehn Wohneinheiten auf einen Volumenstrom von 6 l/s. Diesen bezeichnet man als Summenvolumenstrom. Das geht in Kupfer mit 64 x 2,0 aufwärts. Und wollte man 100 Einheiten dieses Typs versorgen, also 60 l/s liefern, ginge das als Kupferrohr in der Dimension 219 x 3,0. Beide Beispiele entsprechen nicht den in der Realität wahrgenommenen Dimensionen. Die Praxis kommt mit geringeren Querschnitten aus. Dort wird nur eine gewisse, abgespeckte Gleichzeitigkeit der Benutzung angenommen und zur Dimensionierung herangezogen. Neueste Werte hierfür liefert die DIN 1988-300. Dort erfährt man, dass abhängig von der Nutzungsart eine wahrscheinliche gleichzeitige Nutzung angenommen werden kann. Für die Nutzungsart wird unterschieden zwischen
- Hotel
- Bettenhaus im Krankenhaus
- Schule, Verwaltung
- Wohngebäude oder Seniorenheim
- Pflegeheim
Diese Nutzungsarten haben, das hat die Erfahrung gezeigt, eine gewisse Charakteristik bei der Nutzung der vorhandenen Trinkwasserverbraucher.
Schaut man jetzt auf die Nutzung der eben beschriebenen Beispiele einer Nutzungseinheit, so würde ausgehend von einem Summenvolumenstrom für 10 Einheiten mit zusammen 6,0 l/s ein anzunehmender Volumenstrom von nur noch
1,52 l/s in einem Hotel
1,14 l/s in einem Wohnhaus
anzusetzen sein. Da reicht dann Kupferrohr in der Dimension 35 x 1,5 bzw. 28 x 1,5. Dieser reduzierte Volumenstrom wird in der DIN 1988 als Spitzenvolumenstrom bezeichnet.
Lösung aus DIN 1988-300
Der eben aufgezeigte Kunstgriff resultiert aus einer Formel der DIN 1988-300. Aber keine Angst, die muss man nicht im Kopf behalten, dazu ist sie zu unübersichtlich. Trotzdem soll diese Formel hier gezeigt werden, allerdings auch um diese dann grafisch darzustellen. Sie werden sehen, warum.
Die Formel für den Spitzenvolumenstrom:
wobei
der Spitzenvolumenstrom
der Summenvolumenstrom
und die Buchstaben a, b und c stehen als Platzhalter und werden je nach Nutzungsart ausgewählt:
Nutzungsart | a | b | c |
Wohngebäude, Seniorenheim | 1,48 | 0,19 | 0,94 |
Bettenhaus im Krankenhaus | 0,75 | 0,44 | 0,18 |
Hotel | 0,70 | 0,48 | 0,13 |
Schule, Verwaltung | 0,91 | 0,31 | 0,38 |
Pflegeheim | 1,40 | 0,14 | 0,92 |
In diese Formeln lassen sich nun Werte in Abhängigkeit von der Nutzungsart eintragen und grafisch darstellen (Graphische Darstellung der Spitzenvolumenstromkurven). Und dort sieht man dann, was als reine Formel gelesen keinen rechten Sinn ergibt. Man erkennt, dass die eben als Summenvolumenstrom für 100 Einheiten angenommenen 60 l/s in einem Hotel nur noch 4,8 l/s ausmachen in einem Bettenhaus 4,3 l/s in Schule oder Verwaltung sind es gerade noch 2,8 l/s in einem Wohnhaus noch 2,3 im Pflegeheim winzige 1,6 l/s. Und die Normungsausschüsse werden sich etwas dabei gedacht haben, die Formel so anzulegen. Eigene Versuche vielleicht auch noch beim Kunden kann man sich daher knicken. Der Aufwand wäre viel zu groß. Diese Daten zur Dimensionierung sind erstmal anzunehmen.
Ausnahmen möglich?
Sollte ein Außerirdischer plötzlich diese DIN 1988 in den Händen halten, so wäre folgende Szenerie nachvollziehbar. Vor der Turnhalle einer Schule stehend nimmt er das Gebäude als Schule wahr. Damit ist seine Kategorisierung, was die Duschen in der Turnhalle angeht abgeschlossen. Er zählt 10 Duschen für die Weibchen und 10 für die Männchen. Macht zusammen 20 mal 0,15 l/s nur für PWC (Kaltwasser) und zusätzlich 20 mal 0,15 l/s nur für PWW (Warmwasser) Das ergibt zusammen die bereits erwähnten 6 l/s als Summenvolumenstrom zum Anschluss der Turnhalle. Trägt er diesen Wert in die zugehörige Formel ein, so ergibt sich ein Spitzenvolumenstrom von 1,21 l/s. Er verlässt die Erde wieder mit dem guten Gewissen alles richtig gemacht zu haben. Nach dem Sportunterricht sind plötzlich sämtliche Duschen gleichzeitig in Betrieb, wozu hätte man auch sonst so viele installieren sollen. Die Bezeichnung Dusche stimmt, die Formel für die Nutzungsart Schule stimmt, nur die Gleichzeitigkeit eben nicht. Für solche Sonderfälle müssen andere Ansätze gewählt werden. In der Praxis werden dann häufig Sparbrausen mit geringerem Durchsatz installiert und die Gleichzeitigkeit bei 60 bis 80 Prozent angesetzt. Diese Spezialitäten sollen aber hier nicht vertieft werden.
Weitere Gleichzeitigkeiten
In einem Mehrfamilienhaus ergibt sich für den Anlagenmechaniker auch noch das Problem der gleichzeitigen Nutzung von Warmwasser. Muss man beispielsweise davon ausgehen, dass am Samstagabend, vor der Sportschau, sämtliche Badewannen des Hauses gefüllt werden? Wohl kaum. Die Warmwasserbereitung für diesen Fall auszulegen würde eine gnadenlose Überdimensionierung nach sich ziehen. Entweder müsste dann nämlich ein riesiger Speicher installiert werden. In der Folge würde das Wasser in der Praxis kaum ausgetauscht und würde ein Hygieneproblem darstellen. Man könnte auch einen kleinen Speicher installieren und stattdessen einen fetten Kessel zur schnellen Nachheizung installieren. Dieser Kessel wäre dann selten ausgelastet und ebenfalls unsinnig dimensioniert. Auch die Warmwasserbereitung erfährt daher eine Abschwächung einer Gleichzeitigkeit. Wir berichteten schon über einige zulässige Methoden zur Bestimmung von Speichergrößen für Warmwasser (Bsp.: Ausgabe 07/2010, Für Warmduscher geeignet). Im Bereich der Warmwasserbereitung tut sich noch was. Interessanterweise hat beispielsweise die TU Dresden Nachforschungen angestellt die man grafisch aufgetragen sehr gut deuten kann. Danach nimmt mit zunehmender Anzahl an Wohneinheiten die Wahrscheinlichkeit einer gleichzeitigen Nutzung immer weiter ab. Angesichts der ähnlichen Kurvenverläufe zur Umrechnung eines Summenvolumenstroms zum Spitzenvolumenstrom für Wohnhäuser verwundert dies kaum.
Heiz-Gleichzeitigkeiten
Auch in der Heizlastberechnung fallen in der Regel Minderungsfaktoren bei der Auslegung des Wärmeerzeugers an. Die Lüftungsheizlast wird beispielsweise für jeden Heizkörper angesetzt. Das ermöglicht dem Nutzer die Räume ordentlich zu lüften. Der Heizkörper sorgt dann für eine ausreichend schnelle Erwärmung der frischen kalten Luft. Beim Wärmeerzeuger jedoch spart man bei der Auslegung der Lüftungsheizlast. Nur 50 Prozent der Lüftungsheizlast werden in der Regel angesetzt. Man geht also davon aus, dass nicht sämtliche Räume gleichzeitig gelüftet werden. Muss der Wärmeerzeuger während der Beheizung eines Gebäudes auch noch die Warmwasserbereitung übernehmen, so wird dies in der Regel nicht zusätzlich ausgeführt. Das bedeutet, dass wenn 50 kW zur Beheizung des Hauses notwendig wären und die Trinkwassererwärmung ebenfalls mit 50 kW anzusetzen sind, so wird die Kesselleistung nicht bei 100 kW ausgelegt. Während der Erwärmung des Trinkwassers muss die Heizung warten. Meist kühlen die Gebäude in der Heizpause nicht merklich ab. Es reicht also auch in der Praxis 50 kW.
Fazit
Planerisch alles gleichzeitig zu betreiben, macht nicht immer Sinn. Viele Vorgänge der SHK-Technik sind daher bereits mit reduzierter Gleichzeitigkeit in Normen festgeschrieben. Grundsätzlich kann man sich daran halten. Sonderfälle, wie beispielsweise die Reihendusche einer Turnhalle, sollten isoliert betrachtet werden. Auch beim Lesen technischer Vorgaben geht eben nicht alles gleichzeitig.