Schätzen wir mal?
Um die Heizlast eines Gebäudes zu berechnen, werden die Transmissionswärmeverluste aufsummiert. Das hört sich schwierig an, ist aber bei näherer Betrachtung logisch und nachvollziehbar.
Jede Wand, Tür oder Fenster gibt Wärme ab, sobald der benachbarte Raum oder die Umgebung kühler ist. Gleiches gilt natürlich auch für Fußböden und Decken. Der unbeheizte Keller eines Hauses „schluckt“ gierig Heizenergie aus dem Erdgeschoss. Der Spitzboden nimmt Wärme aus dem beheizten Dachgeschoss auf. Aber wie hoch ist die Temperaturdifferenz zwischen dem beheizten Raum und diesem unbeheizten Nachbarraum.
Abhängigkeiten
Wie immer hängt natürlich die Wärmeabgabe an sich von dem U-Wert der jeweils betrachteten Umschließungsfläche ab. Der U-Wert einer Innenwand von beispielsweise 2,0 W/(m²K) sagt aus, dass pro Quadratmeter 2 Watt abgegeben werden, wenn die Differenz ein Kelvin beträgt. Würde man fünf Quadratmeter dieser Wand betrachten wären es natürlich 10 Watt, denn 5 m² mal 2 W/(m²K) mal 1 K ist gleich 10 Watt. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn der betrachtete Raum 20 °C erreichen soll und der Nachbarraum nur 19 °C hat. Die Celsius-Temperaturen werden zu Kelvin-Differenzen, darauf haben sich die Physiker geeinigt. Ist die Temperaturdifferenz größer, erhöht sich die Wärmeabgabe. Wäre also der Nachbarraum aus dem bereits genannten Beispiel nur 10 °C kalt, dann gilt 5 m² mal 2 W/(m²K) mal 10 K ist gleich 100 Watt. Aber nicht immer kann die Temperatur des Nachbarraums einfach so abgelesen werden. Welche Temperatur stellt sich also in einem nicht beheizten Nachbarraum voraussichtlich ein? Darf man schätzen oder sind bereits Fachleute unterwegs gewesen, die diese Schätzungen vorgenommen haben. Wie immer, wenn im SBZ Monteur so ketzerisch gefragt wird, gibt es auch eine entsprechend fachlich fundierte Antwort.
Grundsätzliche Beispiele
Wie verhält sich der Nachbarraum voraussichtlich? Hat er beispielsweise keine Außenwand und ist damit umschlossen von anderen Räumen, so wird seine Abkühlung auch bei tiefsten Außentemperaturen sehr gering ausfallen. Das wäre für innenliegende Flure denkbar. Besitzt ein unbeheizter Nachbarraum jedoch eine oder mehrere Außenwände, so wird er sich bei sehr niedrigen Außentemperaturen auch entsprechend stark abkühlen. Eine an ein Wohnhaus angebaute Garage mit insgesamt drei Außenwänden wäre ein Extrembeispiel, bei dem man sehr tiefe Temperaturen vermuten darf, wenn es denn mal draußen unter Null geht. Die DIN EN 12831 hält für solche Fälle bereits eine Liste vor, aus der man einen entsprechenden Korrekturfaktor den bu-Wert ablesen kann.
Korrekturfaktor?
Als Beispiel des Korrekturwertes „bu“ sei mal jener für eine Garage mit drei Außenwänden herausgegriffen. Der Korrekturfaktor beträgt hierfür laut Tabelle 0,8. Die Ausgangslage soll für einen Ort mit tiefster Außentemperatur von minus 10 °C kontrolliert werden. Der Raum, dessen Heizlast zu berechnen ist, soll auf 20 °C beheizt werden. Dieser Raum grenzt mit 10 Quadratmeter Fläche und einem U-Wert von 0,5 W/(m²K) an diese Garage. Die Temperaturdifferenz zwischen drinnen und draußen beträgt also 30 Kelvin. Der Korrekturfaktor sagt jetzt aus, dass die Wärmeabgabe an dieser Wand nur noch das 0,8-fache dessen beträgt, was nach außen, also minus 10 °C abgegeben würde. Es ergibt sich ein Wärmeverlust von:
10 m² x 0,5 W/(m²K) x 30 K x 0,8 = 120 W
Der Faktor 0,8 schwächt die Außentemperatur gewissermaßen ab. Das 0,8-fache der Gesamttemperaturdifferenz entspricht 80 % und in diesem Beispiel 24 Kelvin (0,8 x 30 Kelvin). Rechnerisch kämpft dieser 20-grädige Raum also nur noch gegen einen Raum der eine Innentemperatur hat von 20 °C minus 24 K gleich minus 4 °C. Der Korrekturfaktor gibt also immer den Anteil zur Gesamttemperaturdifferenz an. Anhand der folgenden Beispieltabelle können Sie den Trend erkennen.
Vorgabe für die Tabelle I:
Raum mit 20 °C Innentemperatur
Umgebung mit -10 °C Außentemperatur
Korrekturfaktor | Temperaturdifferenz | Temperatur im unbeheizten Nachbarraum |
0,1 | 3,0 K | +17,0 °C |
0,4 | 12,0 K | +8,0 °C |
0,5 | 15,0 K | +5,0 °C |
0,6 | 18,0 K | +2,0 °C |
0,8 | 24,0 K | -4,0 °C |
Man kann erkennen, je mehr Außenfläche ein unbeheizter Raum bietet, desto kühler wird dieser angenommen.
Keine Temperaturangabe?
Da stellt sich dann die Frage, warum der Normenausschuss nicht direkt die Temperatur für diesen jeweils unbeheizten Nachbarraum angegeben hat. Bei näherem Hinsehen bemerkt man aber den tieferen Sinn. Denn der Korrekturfaktor führt ja nicht zu einer festen angenommenen Temperatur im unbeheizten Nachbarraum. Dieser wird ja durch zwei Einflüsse veränderbar. Diese sind die Temperatur des beheizten Raumes und die tiefste Außentemperatur. Wiederholt man die bereits aufgeführte Tabelle nochmals mit anderen Vorgaben, so wird dies leicht erkennbar.
Vorgabe für die Tabelle II:
Raum mit 20 °C Innentemperatur
Umgebung mit -14 °C Außentemperatur
Korrekturfaktor | Temperaturdifferenz | Temperatur im unbeheizten Nachbarraum |
0,1 | 3,4 K | +16,6 °C |
0,4 | 13,6 K | +6,4 °C |
0,5 | 17,0 K | +3,0 °C |
0,6 | 20,4 K | -0,6 °C |
0,8 | 27,2 K | -7,2 °C |
Vorgabe für die Tabelle III:
Raum mit 24 °C Innentemperatur
Umgebung mit -10 °C Außentemperatur
Korrekturfaktor | Temperaturdifferenz | Temperatur im unbeheizten Nachbarraum |
0,1 | 3,0 K | +21,0 °C |
0,4 | 12,0 K | +12,0 °C |
0,5 | 15,0 K | +9,0 °C |
0,6 | 18,0 K | +6,0 °C |
0,8 | 24,0 K | -0,0 °C |
Anhand der Tabellenwerte mit tieferer Außentemperatur (Tabelle II) oder mit höherer Innentemperatur (Tabelle III) erkennt man die Absicht der Normungsarbeit. Tiefere Außentemperaturen lassen auch die Temperatur in einem unbeheizten Raum sinken. Klar, dieser kühlt natürlich stärker ab, je kälter es ist. Der Faktor bleibt jedoch gleich. Höhere Innentemperaturen des beheizten Raumes lassen die Temperaturen in dem unbeheizten Raum höher ausfallen. Auch das ist klar, denn in diesem Fall strömt ja auch mehr Wärme zu diesem unbeheizten Raum. Kluge Idee mit dem einen Faktor diese unbestreitbaren Gegebenheiten gleichermaßen zu berücksichtigen.
Sonst noch was?
Im Falle eines Spitzbodens über einem beheizten Raum wird die Annahme für Temperatur in diesem unbeheizten Raum noch differenzierter. Zuerst einmal wird grob unterschieden zwischen undichten und dichten Dachräumen. Klar ist jetzt schon, dass ein undichter Dachraum stärker abkühlt als ein dichter. Aber die Temperatur hängt zusätzlich noch von der Dämmung dieses Dachraumes ab. Sind nach außen nur Dachpfannen (U-Wert von 5,0 W/(m²K)) vorhanden, die den Spitzboden von der Umgebung trennen, so kühlt der Spitzboden stark ab (großer Korrekturfaktor). Der Korrekturfaktor wird kleiner, sobald eine ordentliche Dämmung außen aufgebracht wird. Denn dann kühlt der Spitzboden weniger stark aus. Dazu kommt aber noch der Einfluss des U-Wertes zwischen dem beheizten Raum und dem Dachraum. Ist da beispielsweise nur eine dünne Gipskartonplatte ohne Isolierung, wird viel Wärme in den Dachraum abfließen. Er wird dadurch erwärmt. Ist jedoch eine dicke Dämmung zwischen dem Dachraum und dem beheizten Raum montiert, so strömt wenig Wärme nach oben. Der Spitzboden bleibt in diesem Falle kalt. Zugegeben, etwas kompliziert, aber dennoch nachvollziehbar. Die Norm stellt genau diese Bezüge her. Und auch dann, wenn man wie üblich computergestützt eine Heizlast berechnet, nimmt der Computer diese Entscheidungen nicht ab.