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Neue Rechenregeln, neues Glück?

Inhalt

Die im folgenden Fachbeitrag dargestellte DIN 1988-300 beschreibt die für Deutschland anzuwendenden Berechnungsgänge zur Dimensionierung von Trinkwasserinstallationen.

Der richtige Rohrquerschnitt zur Installation in eine Trinkwasserinstallation 
ist entscheidend für Funktion und Hygiene des Systems
(Bild: thinkstock)
Der richtige Rohrquerschnitt zur Installation in eine Trinkwasserinstallation ist entscheidend für Funktion und Hygiene des Systems (Bild: thinkstock)

Die DIN 1988-300 “Ermittlung der Rohrdurchmesser“ beschreibt die anzuwendenden Berechnungsgrundlagen zur Dimensionierung von Trinkwasserinstallationen. Sie ist die nationale Ergänzungsnorm zur DIN EN 806-3, die aufgrund ihrer zu geringen Normungstiefe für die deutschen Anwenderkreise weitergehende Regelungen erforderlich machte.

Klein heißt fein

Die DIN 1988-300 gilt in Verbindung mit den Reihen DIN 1988 und DIN EN 806 für Planung, Errichtung, Änderung, Instandhaltung und Betrieb von Trinkwasserinstallationen in Gebäuden und auf Grundstücken und dient zur Ermittlung der Rohrdurchmesser für Trink- und Warmwasserleitungen sowie zur Bestimmung der Bauteilgrößen (Zirkulationsleitungen, Pumpe, Drosselventile) für Zirkulationssysteme. Das Regelwerk zielt darauf ab, bei Spitzenbelastung des Systems die kleinstmöglichen Innendurchmesser zu ermöglichen und dabei die Mindestdurchflüsse an allen Entnahmestellen sicherzustellen. Analog zur DIN 1988-3 ist das ermittelte Rohrreibungsdruckgefälle der Dimensionierungsparameter für alle Teilstrecken.

What´s new?

Die wesentlichen Neuerungen der DIN 1988-300 sind nachfolgend aufgeführt

Neuerungen gegenüber 1988-3

  • Anpassung der Berechnungs- und Spitzendurchflüsse an die heutigen Gegebenheiten
  • Einführung von Nutzungseinheiten zur besseren Erfassung der Spitzenbelastungen am Strangende
  • Berechnungsstartpunkt nach dem Wasserzähler
  • Berücksichtigung herstellerspezifischer Daten
  • Berücksichtigung der Temperaturabhängigkeit
  • Modifiziertes Berechnungsverfahren für Zirkulationsanlagen

Konkretes zur Zirkulation

Das in DIN 1988-300 beschriebene Verfahren zur Dimensionierung von Zirkulationsleitungen ist eine Weiterentwicklung des differenzierten Verfahrens nach DVGW W-553. Diese vollzogene Weiterentwicklung des differenzierten Verfahrens nach DVGW W 553 besteht in der Ausschöpfung des sogenannten Beimischpotenzials in den Stromvereinigungspunkten. Während bei der Auslegung nach DVGW W-553 von konstanten Strangkopftemperaturen ausgegangen wird, sind diese bei Ausnutzung des Beimischpotenzials unterschiedlich. Dabei werden die Temperaturen in der Sammelleitung vor den Stromvereinigungspunkten abgesenkt. Aus den Strängen wird dagegen wärmeres Wasser beigemischt, sodass die in Fließrichtung gesehen nächste Sammelleitungsteilstrecke in der Temperatur wieder angehoben wird. Diese Beimischung hat zur Folge, dass die Temperaturspreizungen zum Ende des Netzes hin größer und die Zirkulationsvolumenströme und Druckverluste entsprechend kleiner werden als bei der Aufteilung nach DVGW W-553.

Graphische Darstellung der Spitzenvolumenstromkurven nach DIN 1988-300
(Bild: Geberit)
Graphische Darstellung der Spitzenvolumenstromkurven nach DIN 1988-300 (Bild: Geberit)

Welcher Durchmesser?

Die Rohrdurchmesser aller Teilstrecken einer Trinkwasserinstallation werden im Grundsatz nach folgendem Schema ermittelt:

Ablaufplan zur Dimensionierung

  1. Berechnungsdurchflüsse der Entnahmearmaturen ermitteln
  2. Summendurchflüsse ermitteln und den Teilstrecken zuordnen
  3. Spitzendurchfluss aus dem Summendurchfluss ermitteln
  4. Verfügbares Rohrreibungsdruckgefälle für alle Fließwege berechnen
  5. Rohrdurchmesser für den ungünstigsten Fließweg bestimmen
  6. Verfügbares Rohrreibungsdruckgefälle und Rohrdurchmesser für den nächsten ungünstigen Fließweg bestimmen
  7. Schritt 6 wiederholen, bis alle Teilstrecken bemessen sind

Was geht ab?

Der Berechnungsdurchfluss ist der Entnahmearmaturendurchfluss. Um die Gebrauchstauglichkeit einer Entnahmearmatur zu gewährleisten, muss unmittelbar vor der Armatur der Mindestfließdruck zur Verfügung stehen. Er hängt zusammen mit dem Mindestarmaturendurchfluss, der an der hydraulisch ungünstigsten Stelle bei Belastung mit dem Spitzendurchfluss noch garantiert sein muss. Der dem Rechengang zugrunde gelegte Berechnungsdurchfluss gibt unter Berücksichtigung der oberen und unteren Fließbedingungen den Mindestdurchfluss der Armatur oder einen Mittelwert an. Grundsätzlich sind hierbei die Angaben der Hersteller zu berücksichtigen. Diese müssen folglich den Mindestfließdruck und den Berechnungsdurchfluss angeben. Wenn zum Zeitpunkt der Planung noch keine Festlegung auf die Fabrikate vorliegt, kann unter Beachtung der nachstehenden Erläuterungen mit Referenzwerten aus Tabelle 2 der DIN 1988-300 gerechnet werden. Dabei ist Folgendes zu beachten:

Einsatz von Richtwerten

A: Nach der Auswahl der Armaturen liegen die tatsächlichen Werte unter den Richtwerten aus Tabelle 2.

Dann gilt entweder:

A1: Absprache mit dem Bauherrn nachträgliche Neubemessung mit den tatsächlichen Werten und Aufnahme der Auslegungsvoraussetzungen in z.B. das Raumbuch

oder es gilt:

A2: keine Nachberechnung mit Schaffung von „Reserven“

 B: Die tatsächlichen Werte liegen über den Richtwerten aus Tabelle 2.

Dann gilt:

Neubemessung mit den tatsächlichen Werten.

Die Gegenüberstellung der „alten“ und „neuen“ Kurve der DIN 1988 zur 
Ermittlung des Spitzenvolumenstroms zeigt die verringerte Gleichzeitigkeit 
mit der neuerdings gerechnet wird
(Bild: Geberit)
Die Gegenüberstellung der „alten“ und „neuen“ Kurve der DIN 1988 zur Ermittlung des Spitzenvolumenstroms zeigt die verringerte Gleichzeitigkeit mit der neuerdings gerechnet wird (Bild: Geberit)

Summendurchfluss

Der Summendurchfluss wird durch Addition der Berechnungsdurchflüsse gebildet. Am Ende eines Fließweges beginnend werden entgegen der Fließrichtung in Richtung Berechnungsstartpunkt die einzelnen Berechnungsdurchflüsse aufsummiert und den jeweiligen Teilstrecken zugeordnet. Eine Teilstrecke beginnt, in Fließrichtung gesehen, mit dem Formstück, an dem sich der Summendurchfluss, der Rohrwerkstoff oder der Rohrdurchmesser ändert. Die Summendurchflüsse sind für den Kalt- und Warmwasserweg separat zu bestimmen, an der Abzweigstelle vor dem Trinkwassererwärmer addieren sich die beiden Summendurchflüsse von Kalt- und Warmwasserweg. Im Grundsatz sind alle Berechnungsdurchflüsse von Entnahmestellen und Sanitärapparaten zu erfassen. Wasserentnahmen mit einer Dauer > 15 Minuten werden als Dauerverbraucher definiert. Sie gehen nicht in die rechnerische Ermittlung von Summen- und Spitzendurchfluss ein. Die Durchflüsse von Dauerverbrauchern werden zum Spitzendurchfluss der anderen Entnahmestellen addiert. Innerhalb einer Nutzungseinheit greift jedoch eine Ausnahme von dieser Regel, die im Folgenden erläutert wird.

Spitzendurchfluss

Der Spitzendurchfluss ist der maßgebende Durchfluss, für den die Rohrleitungen dimensioniert werden. Der Spitzendurchfluss reduziert unter Berücksichtigung der nutzungsabhängigen Gleichzeitigkeit der Wasserentnahme den Summendurchfluss Der Spitzendurchfluss wird nach einer Gleichung bestimmt, die sich auch grafisch darstellen lässt.

Beispiel aus dem Text für die Ermittlung des Spitzendurchflusses
aus den Berechnungsdurchflüssen einer Nutzungseinheit
(Bild: Geberit)
Beispiel aus dem Text für die Ermittlung des Spitzendurchflusses aus den Berechnungsdurchflüssen einer Nutzungseinheit (Bild: Geberit)

Einführung von Nutzungseinheiten

Die Senkung der Spitzenvolumenstromkurven führt tendenziell zu kleineren Rohrdurchmessern in den Hausanschluss- und Verteilleitungen. Bei geringen Volumenströmen ergeben sich kaum Änderungen zwischen alter und neuer Norm, so dass in den endsträngigen Anlagenteilen (Stockwerksinstallation) ein neuer Gleichzeitigkeitsansatz gefunden werden musste. Deshalb wurden sog. Nutzungseinheiten (NE) definiert. Eine Nutzungseinheit ist ein Raum mit Entnahmestellen oder Sanitärapparaten mit wohnungsähnlicher Nutzung. Die Nutzung ist dadurch charakterisiert, dass maximal zwei Entnahmestellen gleichzeitig geöffnet sind.

Beispiele für Nutzungseinheiten sind:

  • Bad im Wohnungsbau
  • Küche
  • Hausarbeitsraum
  • Hotelbad
  • Bad in Altenheim oder in Bettenhaus

Innerhalb einer Nutzungseinheit gilt für die Ermittlung des Summendurchflusses folgende Ausnahme:

Ausnahmen zur Ermittlung des Summendurchflusses

Innerhalb einer Nutzungseinheit wird ein zweites Waschbecken, eine Duschwanne zusätzlich zur Badewanne, ein Bidet und Urinal bei der Ermittlung des Summendurchflusses nicht berücksichtigt.

Für die Spitzenvolumenstromermittlung gilt bei Nutzungseinheiten:

Ermittlung Spitzenvolumenstrom

  • Der Spitzenvolumenstrom innerhalb einer Nutzungseinheit wird durch die Aufsummierung der beiden größten Einzelberechnungsdurchflüsse bestimmt.
  • Werden an eine Teilstrecke zwei oder mehrere Nutzungseinheiten angeschlossen, addieren sich die Spitzendurchflüsse der beiden Nutzungseinheiten, sofern der sich damit ergebende Spitzendurchfluss kleiner ist als der nach Gleichung „Nutzungsart“ berechnete.

Das nachstehende Beispiel zeigt eine dieser Ausnahmeregeln auf.

Beispiel

  • Verbraucher: Badezimmer mit WC, Bidet, 2 Waschtischen, einer Dusche und einer Badewanne
  • Stockwerksleitung PWC (portable water cold für Kaltwasser)
  • eine Nutzungseinheit (Wohnung)

Die Berechnungsdurchflüsse des Beispiels ergeben sich aus der Norm.

Verfügbares Druckgefälle

Für jeden Fließweg (Strömungsweg vom Berechnungsstartpunkt bis zur Entnahmearmatur) in einer Trinkwasserinstallation muss das verfügbare Rohrreibungsdruckgefälle ermittelt werden. Das Rohrreibungsdruckgefälle ist als Orientierungswert zu verstehen, mit dem die Rohrdurchmesser bestimmt werden. Geändert haben sich der Berechnungsstartpunkt sowie die differenziertere Betrachtung weiterer Druckverluste. Der Startpunkt der Berechnung liegt nun hinter dem Wasserzähler und wird als Fließdruck bezeichnet. Der Wasserversorger ist aufgefordert, auf Anfrage den Fließdruck nach dem Wasserzähler anzugeben.

Hersteller von Trinkwassersystemen stellen die konkreten Tabellen
über Druckverluste von Rohren und Fittings zusammen
(Bild: Geberit)
Hersteller von Trinkwassersystemen stellen die konkreten Tabellen über Druckverluste von Rohren und Fittings zusammen (Bild: Geberit)

Bestimmung der Rohrdurchmesser

Zunächst wird für jede Teilstrecke des hydraulisch ungünstigsten Fließweges unter Berücksichtigung des rechnerischen Spitzendurchflusses ein Rohrdurchmesser gewählt, dessen Rohrreibungsdruckgefälle möglichst nahe am zuvor ermittelten Wert Rohrreibungsdruckgefälle liegt. Dabei dürfen die maximalen rechnerischen Fließgeschwindigkeiten und die verfügbare Druckdifferenz für Rohrreibung und Einzelwiderstände nicht überschritten werden. Bei der Dimensionierung hat die maximal zulässige Fließgeschwindigkeit lediglich eine Begrenzungsfunktion, sie ist nicht der Dimensionierungsparameter. In der Hausanschlussleitung darf sie 2 m/s nicht überschreiten, in Verbrauchsleitungen kann sie in Abhängigkeit von Dauerverbrauchern und Widerstandsbeiwerten von Absperrarmaturen bis zu 5 m/s betragen. Bei der Dimensionierung der hydraulisch günstigeren Fließwege sind die Druckverluste der bereits bemessenen Teilstrecken zu berücksichtigen.

Fazit und Status quo

Als Weiterentwicklung der schon bei der DIN 1988-3 zugrunde gelegten wissenschaftlichen Basis reflektiert die DIN 1988-300 die neuesten Erkenntnisse. Nachdem die Reihe der DIN EN 806 nun vollständig vorliegt und auch die nationalen Ergänzungsnormen der Reihe 1988 in den Teilen 100 bis 600 fertiggestellt sind, sind die alten Teile 1-8 außer Kraft gesetzt. Wie schnell die DIN 1988-300 Eingang in die Praxis finden wird und den Status einer allgemein anerkannten Regel der Technik erlangt, hängt u.a. von der Verfügbarkeit der Kenndaten der Hersteller ab. Zurzeit arbeiten diese mit Hochdruck an der Erstellung dieser Datensätze sowie deren Integrationsfähigkeit in die entsprechenden Planungsprogramme. Hierzu enthält die DIN 1988-300 den Vorschlag, den Datenaustausch gemäß VDI 3805 zu regeln. Die Tiefe des in der DIN 1988-300 vorgeschriebenen Berechnungsverfahrens hat zur Folge, dass nun wesentlich mehr Daten für die Dimensionierung benötigt werden. Daraus resultiert wiederum die Notwendigkeit neue Softwareprogramme zu entwickeln, deren Logik den Vorgaben der DIN 1988-300 folgen.

Ein ausführlicherer Bericht des Autors mit einem weiteren Beispiel kann in der SBZ 14/12 nachgeschlagen werden!

Autor Peter Reichert ist Leiter Produktmanagement Rohrleitungssysteme von 
Geberit und tätig im Normenausschuss zur DIN 1988-300
Autor Peter Reichert ist Leiter Produktmanagement Rohrleitungssysteme von Geberit und tätig im Normenausschuss zur DIN 1988-300

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