Zirkulation verstehen
Für den Nutzer einer Trinkwasserinstallation ist sie fast nicht merkbar. Und die meisten wissen daher nicht, dass es sie überhaupt gibt, die Zirkulationsleitung. Für den Anlagenmechaniker ist sie jedoch ein wichtiges Detail des Gesamtkunstwerks einer Trinkwasserinstallation.
Dazu muss der Anlagenmechaniker, auf den ersten Blick, noch nicht einmal tief in die Trickkiste greifen. Grundsätzlich reicht ja eine Hin- und Rückleitung für warmes Trinkwasser und die Wasserbewegung übernimmt ein Pümpchen. Mittlerweile beschäftigen sich aber ganze Heerscharen von Fachleuten mit dieser Wasserbewegung. Und das nicht ohne Grund, wie Sie hier erfahren.
Zwei Gründe dafür
Wird ein Badezimmer im dritten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses vom Keller ausgehend mit warmem Wasser versorgt wird, dann beträgt die Leistungslänge zwischen Trinkwassererwärmer (TWE) und Waschtisch mindestens 15 Meter. Würde man also morgens als Erster warmes Wasser zapfen, so müsste die in der Zuleitung verbliebene, abgekühlte Wassermenge durch den Hahn laufen. Dann würde sich allmählich das Rohr erwärmen und irgendwann, nach vielleicht zwei Minuten, würde man warmes Wasser zapfen können. Akzeptabel ist das heutzutage nicht mehr. Man möchte den Hahn aufreißen und warmes Wasser sollte nach gut 10 Sekunden austreten. Das ist eine Frage des Komforts. Wesentlicher ist aber der Umstand, dass durch stehendes Wasser ein schleichendes Hygieneproblem entsteht. So genanntes stagnierendes warmes Wasser kühlt sich nämlich allmählich ab und begünstigt so Bakterienwachstum, wie die Vermehrung von Legionellen. Die wiederum gefährden die Gesundheit der Nutzer. Also ist die Einhaltung von Temperaturgrenzen für warmes Trinkwasser auch eine Frage der Hygiene.
Grenzen
In einem Trinkwassersystem für warmes Wasser sollte die Temperatur zwischen 60 und 55 °C liegen. Höhere Temperaturen würden zwar der Hygiene noch mehr auf die Sprünge helfen, wären aber aus energetischer Sicht ungünstiger. Auch treten Kalkprobleme mit zunehmender Temperatur immer weiter in den Vordergrund. Temperaturen deutlich unter 55 °C begünstigen jedoch wieder das Wachsen von Bakterien und beeinträchtigen so die Wasserqualität. Also Pflicht für eine Zirkulation ist es, das 60 Grad heiße Wasser aus dem TWE durch Haus zu jagen und es mit mindestens 55 °C wieder in Empfang zu nehmen. Daher hält man das Wasser durch Umwälzung auf Temperatur. Auf dem Weg durchs Haus erlebt ein solcher Zirkulationsstrom allerhand. Erst wenn diese Einflüsse bekannt und berücksichtigt sind, kann die hygienische Funktion der Anlage vorausgesagt werden. Bitte folgen Sie mal gedanklich einem Schluck Wasser, hier Stromfaden genannt, durch eine Trinkwasserinstallation mit Zirkulation. Das zugegebenermaßen extreme Beispiel soll die Zusammenhänge verdeutlichen.
Der Schluck im Kreis
Nachdem ein Stromfaden warmen Wassers den TWE mit einer Temperatur von 60 °C verlassen hat, startet ein Wettrennen gegen die Zeit. Gehen wir davon aus, dass das 35er Kupferrohr nackt, wie der Rohrhersteller es geschaffen hat, durch den Heizraum und dann durch den kalten Kellerflur führt. Jemand hat wohl vergessen das Rohr zu Dämmen. Vorbei geht es an Abzweigen, die schon die ersten Abgänge mit nachfolgenden Steigesträngen des Mehrfamilienhauses versorgen. Dem Stromfaden werden dort immer wieder kleine Wassermengen abgezwackt. Die 22er Kupferleitung wird dann noch zu allem Übel durch die Tiefgarage des Hauses geführt. Hier hielt man zwar die Dämmung für angebracht, aber dafür ist es im Winter auch knackig kalt. Der Schluck hat schon einiges an Wärmeenergie, sprich Temperatur, verloren, bevor dieser in den warmen Schacht nach oben getrieben wird. Zwischen beheizten Wohnungen rast er nun aufwärts in Richtung Stockwerkswasserzähler zum obersten Geschoss. Dort angekommen wird der Stromfaden herumgerissen und jagt wieder in die Tiefe, Richtung Garage. Der Rohrquerschnitt ist merklich kleiner geworden. Nur noch eine 15er Leitung bahnt sich den Weg. Zurück durch die Tiefgarage gelangt der Stromfaden immer näher zum Ausgangspunkt. Innerhalb des Kellers befinden sich wieder einige Abzweige. Diesmal vereinigen sich die Ströme aus den angeschlossenen Strängen und der Volumenstrom erhöht sich wieder in Richtung TWE. Auch nimmt die Temperatur leicht zu, da das Wasser der zuströmenden„Seitenarme“ noch nicht so einen weiten und kühlen Weg hinter sich hat. Für den Stromfaden kommt es dann zur Begegnung mit dem Antrieb. Die Zirkulationspumpe wirbelt den Faden durch und drückt ihn dann zurück in den TWE.
Was soll die Geschichte?
Splittet man die Schluck-Wasser-Geschichte auf, so kann man verschiedene Abschnitte erkennen, in denen äußere Einflüsse durch den Installateur gesteuert werden. Das blanke Rohr im Heizungsraum und Kellerflur gibt ungemein viel Wärme ab. Um da noch gegenzuhalten, müsste man das Wasser in dieser Zone ordentlich beschleunigen. Denn nur dann schiebt man genug Energie nach, um den Stromfaden auf Temperatur zu halten. Das kostet neben der Heizenergie auch elektrischen Strom für die Pumpe. Und diese Energie wird ja nicht nur zwischendurch benötigt, sondern regelmäßig an 365 Tagen im Jahr. Es ist also neben dem Hygieneanspruch eine Frage des Umweltschutzes diese Leitungen bestens gegen Wärmeverlust zu dämmen. In der kalten Tiefgarage ist die Dämmung des Beispiels zwar schon vorhanden, aber eine Abkühlung findet natürlich trotzdem statt. Schon bei der Planung könnte man solch kalten Zonen meiden und die Zirku-Leitung nach Möglichkeit anderswo verlegen. Aber klar ist, dass die Umgebungstemperaturen einen erheblichen Einfluss auf die Auskühlung haben werden. Um diese Auskühlung zu verhindern kann man nur wieder mit einem hohen Volumenstrom gegenlenken, mit den genannten Folgen für den Energieverbrauch. Unspektakulär ist natürlich der temperaturgeschützte Bereich zwischen den beheizten Wohnungen. Aber die Dämmung ist trotzdem Pflicht! In die Wohnungen selbst kann der Stromfaden nicht gelenkt werden. Denn der Wasserzähler würde diese Bewegungen ja registrieren und damit einen Verbrauch vortäuschen. Auf dem Rückweg durch die eigentliche Zirkulationsleitung braucht nicht mehr die Verbrauchsmenge für die Bäder transportiert werden, sondern nur noch das angestrebte Umwälzvolumen. Die dünne Leitung gibt, wegen der kleineren Oberfläche auch deutlich weniger Wärme ab als die dicken Klopper im „Vorlauf“. Eine Dämmung ist natürlich trotzdem notwendig. Theoretisch würden übrigens oft sehr kleine Rohrquerschnitte ausreichen. Aber man hält die Geschwindigkeit wegen der zu befürchtenden Geräuschbelästigung in engen Grenzen. High-Speed kann aber auch die so genannte Erosionskorrosion hervorrufen. Dabei würde die Innenoberfläche des Rohres gewissermaßen ausgewaschen. Die Pumpe der Zirkulationsleitung befindet sich kurz vor dem Eintritt des nun auf 55 °C abgekühlten Wassers. Dies ist auch der Grund für diese Position. Das Pümpchen wird an dieser Stelle thermisch geringer belastet, als dies im „Vorlauf“ der Fall wäre.
Erkenntnisse
Bis auf wenige Temperaturangaben, kam dieser Bericht ohne Zahlen und Formeln aus. Hier sollten ja auch „nur“ die Zusammenhänge an Beispielen klar gemacht werden. Es zeigt jedoch, warum sich so viele Fachleute mit dem Thema beschäftigen. Die DIN 1988-300 berücksichtigt übrigens das Zusammenströmen des recht kühlen Stromfadens, der im Beispiel aus der Tiefgarage zurück zum TWE führt, mit den wärmeren Zuströmen aus den vorderen Strängen. Rein rechnerisch, kam dieser Vorteil nach „alter“ Auslegung nicht zum Tragen. Das sind letztlich also neue Pluspunkte auf der Haben-Seite und verringert rein rechnerisch die notwendige Umlaufmenge des Zirkulationswassers. Kennt man diese angerissenen Zusammenhänge, fällt es leichter sich nach den Vorgaben der Normen zu orientieren. Der dauerhafte Betrieb einer Zirkulation kann nur dann hygienisch und wirtschaftlich erfolgen, wenn das Grundgerüst vom Anlagenmechaniker richtig erstellt wurde. Dazu braucht man den Durchblick. Will man diese ganzen Zusammenhänge auch noch in berechenbaren Formeln darstellen, braucht man tiefe Einblicke in die einzelnen Prozesse. Das erklärt, warum die bereits zitierten Heerscharen an Fachleuten sich mit dem Thema beschäftigen. Diese Leute entwickeln dann auch entsprechende Software, die praktikable Berechnungswerkzeuge für die SHK-Branche bereitstellen.