Hygienische Rahmenbedingungen
Trinkwasser, das gemäß den Anforderungen der Trinkwasserverordnung einwandfrei ist, ist nicht steril. Es enthält Keime, darunter möglicherweise auch Krankheitserreger (pathogene Keime), jedoch in Konzentrationen, die gesundheitlich unbedenklich sind. Im öffentlichen Leitungsnetz der Wasserversorgungsunternehmen (WVU) liegt die Wassertemperatur deutlich unter 20 °C, was das Bakterienwachstum wirksam verhindert. Bis zum Wasserzähler in Gebäuden liefern die Wasserversorger in aller Regel eine sehr gute, vom Gesundheitsamt regelmäßig überwachte und bestätigte Trinkwasserqualität.
Nach dem Übergabepunkt des Trinkwassers in den Gebäuden hat der Betreiber der Trinkwasser-Installation, d. h. in der Regel der Hauseigentümer, dafür Sorge zu tragen, dass sich das Trinkwasser auf seinem Weg vom Wasserzähler zu den Zapfstellen nicht verschlechtert und auch dort die Grenzwerte und Anforderungen der TrinkwV eingehalten werden.
Die Trinkwasser-Installation in privaten und öffentlichen Gebäuden birgt Gefahrenquellen für die Trinkwasserqualität. Durch Temperaturerhöhung und längere Verweildauer des Trinkwassers im Leitungssystem und in Speichereinrichtungen kann es zu bakteriellem Wachstum und einer Erhöhung der Bakterienzahl im Trinkwasser kommen. Verantwortlich dafür sind unzureichend wärmeisolierte Trinkwasserrohre, wenig genutzte Leitungsbereiche und bei zu geringer Temperatur (unter 60 °C) betriebene Warmwasserspeicher.
Die größte Bedeutung für die Trinkwasserhygiene in Gebäuden haben Legionellen. Sie unterscheiden sich von den meisten anderen pathogenen Bakterien dadurch, dass sie sich nicht im menschlichen Körper vermehren, sondern in Biofilmen, insbesondere im Temperaturbereich von 20 °C bis ca. 55 °C. Nach den Ergebnissen der Capnetz-Studie1.
Im Trinkwasser-Temperaturbereich von 20-55 °C können Legionellen sich auf gesundheitlich bedenkliche Konzentrationen vermehren, wobei lange Aufenthaltszeiten des Wassers von einigen Stunden bis Tagen in Installationsrohren und Wasserspeichern die Vermehrung der Bakterien begünstigen. Dies ist bei Überlegungen, die Betriebstemperatur von Warmwassersystemen zum Zwecke der Energieeinsparung abzusenken, zu berücksichtigen. verursachen Legionellen in Deutschland jährlich zwischen 15.000 und 30.000 Erkrankungen, davonverlaufen nach Schätzungen 1.500 bis 2.000 tödlich (die Angaben differenzieren nicht nach Expositions-routen; möglicherweise ist das Trinkwasser in Gebäuden die Hauptquelle, dies ist jedoch nicht belegt). Somit sind sie mit Abstand der relevanteste Umweltkeim, vor dem es die Bevölkerung zu schützen gilt.
Geltende Anforderungen an Bau und Betrieb von Trinkwasserinstallationen
Langjährige Praxiserfahrung belegt, dass die in den einschlägigen Regelwerken (insbesondere DVGW-Arbeitsblätter W 551 und W 553, DIN 1988 T.100, (DIN 4708 Auslegungskriterien fuer Trinkwassererwaermer Rickmann) beschrieben aaRdT (Anerkannte Regeln der Technik) geeignet sind, das Legionellenwachstum in Trinkwasser-Installationen wirksam zu beherrschen.
Im Regelwerk wird bei der Trinkwasser-Installation unterschieden zwischen Groß- und Kleinanlagen. Großanlagen sind nach derzeit gültigem DVGW-Arbeitsblatt W 551 alle Anlagen mit Leitungsinhalten von mehr als drei Litern erwärmtem Trinkwasser oder Speichern für erwärmtes Trinkwasser von mehr als 400 Liter Inhalt. Ein- und Zweifamilienhäuser sind im Arbeitsblatt grundsätzlich ausgenommen; für sie gelten die Anforderungen nicht. Für Großanlagen sind die aaRdT insofern bindend, als im Schadensfall bei einer Nicht-Einhaltung der Regeln aus rechtlicher Sicht dem Betreiber „fahrlässiges Handeln“ angelastet werden kann. Hintergrund dieser Unterscheidung ist die bei Kleinanlagen geringere Wahrscheinlichkeit der „Erbrütung“ von Legionellen, vermutlich da die Aufenthaltszeiten des warmen Wassers in schlecht durchströmten Bereichen des Systems eher kürzer sind. Bislang wurden Legionellen auch eher in großen Gebäuden gefunden als in 1-2 Familienhäusern, allerdings liegen zu letzteren nur wenige Daten vor, so dass diese Bewertung mit Unsicherheiten behaftet ist. Deshalb haben die aaRdT für Kleinanlagen empfehlenden Charakter.
In Großanlagen ist der Einsatz einer Zirkulationsleitung vorgeschrieben. Zirkulationsleitungen verhindern, dass das erwärmte Wasser in den Rohrleitungen auskühlt, indem es in einer zusätzlichen Leitung von der Entnahmestelle zurück in den Warmwasserspeicher geführt („zirkuliert“) wird, der es wieder auf die erforderliche Temperatur aufheizt. Der Einsatz einer Zirkulationsleitung führt zu Wärmeverlusten und zusätzlichem Stromverbrauch durch die Zirkulationspumpe. In Einfamilienhäusern werden manchmal Zirkulationsleitungen auch aus Komfortgründen eingebaut, obwohl keine Notwendigkeit aus technischen oder hygienischen Gründen besteht.
Die geltenden aaRdT ermöglichen in Bezug auf Warmwassersysteme und deren Hygieneanforderungen eine risikoarme Betriebsweise von Warmwasseranlagen. Alternativen, die zu einer Einsparung von Energie führen können, müssen sich einer kritischen Prüfung durch Experten stellen, damit die gewünschte Energieeinsparung durch Reduzierung der Warmwassertemperatur nicht auf Kosten eines erhöhten Risikos für Legionelleninfektionen über warmes Leitungswasser geht.
Ein Ernstnehmen der aaRdT bei Bau und Betrieb von Warmwassersystemen – insbesondere im Hinblick auf bedarfsgerechte Planung und gute Isolierung – kann Energieeinsparungen erreichen, ohne durch Temperaturabsenkung das Risiko schwerer Lungenentzündungen zu erhöhen.
Die derzeitige Diskussion zeigt, dass offenkundig ein Bedarf an Energieeinsparung besteht. Das Umweltbundesamt empfiehlt derzeit als hygienisch unbedenkliche und regelkonforme Maßnahmen
- Isolierung von (freiliegenden) Verteilleitungen und Wärmespeichern,
- hydraulischer Abgleich von Zirkulationsleitungen,
- Nutzung sparsamer Zirkulationspumpen,
- effiziente und sparsame Wärmeerzeuger
2012 war ein Rekordjahr für Legionellenausbrüche Noch nie wurde in Deutschland über so viele Legionellenausbrüche berichtet wie 2012. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete 654 Legionellosen. Die Experten gehen jedoch davon aus, dass diese Zahl nur die Spitze des Eisbergs ist und die tatsächliche Zahl der Infektionen bis zu 50 Mal höher ist. Bei öffentlichen Gebäuden besteht eine Pflicht zur jährlichen Untersuchung des Wassers. Bei Überschreitung des Grenzwertes von 100 Legionellen pro 100 Milliliter muss das Gesundheitsamt informiert werden. In Hamburg werden jährlich bei rund zehn Prozent der regelmäßig durchgeführten Wasserproben in öffentlichen Gebäuden und privaten Haushalten Legionellen gefunden.
Nach der Trinkwasserverordnung musssten bis Ende 2013 auch das Wasser aller Mietshäuser hinsichtlich der Legionellenbelastung untersucht werden!
Fazit Wirksam und zu empfehlen ist neben der Nutzung von technischen Lösungen auch ein Überdenken der Lebensstil-Aspekts, d.h. des Komforts der Warmwasserversorgung im Hinblick auf die Auslegung der Warmwassersysteme, d.h. die Anzahl der mit warmem Wasser versorgten Zapfstellen und den Warmwasserverbrauch (z.B. durch „Wellness-Badewannen“ und Massageduschen) oder die Notwendigkeit von Zirkulationsleitungen in Einfamilienhäusern.
Den ganzen UBA Text hier Downloaden! >>> warmwasserbereitung_energiesparen_stellungnahme_uba
1von Baum H, Ewig S, Marre R, Suttorp N, Gonschior S, Welte T, Lück C and CAPNETZ Study Group. 2008. Community-acquired Legionella pneumonia. New insights from the German competence network for community acquired pneumonia. Clin Infect Dis 46[9], 1356-1364.