Druckschläge in Rohrleitungen
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Mit zunehmender Häufigkeit werden „knallende Wasserleitungen“ von den Kunden beanstandet. Was hat es auf sich mit diesem geräuschvollen Fließ- oder besser Bremsverhalten?
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Der Grund eines Kundendienstbesuches ist nicht immer die fehlende Funktion einer sanitären Einrichtung oder die Undichtigkeit einer Leitung. Er kann auch eine eher unerwünschte Begleiterscheinung sein. Es „knallt“ in der Installation und die Bewohner des Hauses befürchten eine schleichende Zerstörung ihres ansonsten neuen und sehr modern eingerichteten Wohnhauses. Aber was kann die Ursache für dieses Phänomen sein?
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Die Urknalltheorie
Ursache für diese Art der Belästigung, die tatsächlich bis zur Leitungszerstörung führen kann, ist ein Druckschlag. Er kann immer dann entstehen, wenn die fließende Bewegung einer Flüssigkeit abrupt gestoppt wird. Wasser wird im Rohrnetz einer Trinkwasserversorgung zeitweise mit recht hohen Geschwindigkeiten transportiert. Das Zapfen eines satten Strahls aus dem Einhebelmischer in einem Gäste-WC erreicht beispielsweise auch mal einen Volumenstrom von 20 Litern pro Minute. Die Rohrleitung zum Anschluss des Waschtisches in einem solchen Gäste-WC ist häufig als DN 12 (z. B. Kupferrohr 15 x 1) oder DN 10 (z. B. Kupferrohr 12 x 1) verlegt. Nach DIN 1988-3 [1] sind beide Dimensionen für den Anschluss ausreichend. Denn die Norm setzt für diese Mischbatterie am Waschtisch nur einen Volumenstrom von 0,07 Litern pro Sekunde (4,2 Liter pro Minute) an. Die Folge des schlanken Rohrnetzes und des zum Teil sehr hohen Volumenstroms ist eine relativ hohe Fließgeschwindigkeit in diesem Rohrabschnitt. Bei 20 Litern pro Minute beträgt die Fließgeschwindigkeit im Rohr DN 10 rund 4,2 Meter pro Sekunde (m/s). Bremst man nun diese Geschwindigkeit innerhalb sehr kurzer Zeit auf Null ab, so kann es zu dem berühmten Knall kommen.
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Energie im Wandel
Einhebelmischer und auch Kugelhähne lassen sich mit einer sehr leichten und schnellen Bewegung schließen. Die Folge: Eben noch ist ein Wassertropfen mit einer Geschwindigkeit von vielleicht 4 m/s bewegt worden und im nächsten Moment, innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde, kommt die Bewegung zum Stillstand. Dies führt immer zu einem kurzfristigen Druckanstieg. Es gilt dann grundsätzlich:
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• Je kürzer der Zeitraum des Schließens, desto kräftiger der Druckanstieg
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• Je schneller das Fluid vor der Abbremsung bewegt worden ist, desto kräftiger der Druckanstieg
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Vergleichbar ist dieser Vorgang mit einem vollelastischen Stoß. Keine Angst, jetzt kommt nicht die Physikkeule… Als Vergleich ist ein Billardspiel hilfreich. Je kräftiger der Billardstock (das Queue) die Billardkugel trifft, desto schneller bewegt sich diese Kugel auf dem Billardtisch. Wird die Kugel an den Spielfeldrand (Bande) gespielt um von dort abzuprallen entscheidet die Aufprallgeschwindigkeit über die Geschwindigkeit mit der dieser Ball von der Bande zurückgeschleudert wird. Und zusätzlich sind auch die Geräusche beim Auftreffen eines schnellen Balles deutlicher zu hören als bei einem sehr langsamen Ball. Die Billardbälle sind relativ hart. Billard lässt sich auch nur mit sehr harten Bällen spielen. Ein weicher Schaumstoffball beispielsweise, wird die eben dargestellten Eigenschaften nicht zeigen. In Anlehnung an diesem Modellvorgang können die Gesetze auf einen Stromfaden (oder Wassertropfen) in einem Rohrnetz übertragen werden. Die Bewegungsenergie des Tropfens in der Fließbewegung wird bei einem abrupten Stopp für eine enorme Druckerhöhung sorgen. Wasser ist weitestgehend inkompressibel (nicht zusammendrückbar) und daher vergleichbar mit dem harten Billardball. Die Energie des Stromfadens kann nicht verloren gehen. Sie wird sich lediglich umwandeln lassen.
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Abhilfe für Druckschläge
Ein Schritt zur Abwendung von Druckschlägen wäre die großzügige Dimensionierung von Rohrleitungen. Dieser Maßnahme steht natürlich der hygienische Gedanke entgegen und verbietet sich daher. Um die Folgen von Druckschlägen zu vermindern können entsprechende Druckpolster geschaffen werden. Es gilt, ganz einfach, dass bei der schlagartigen Entstehung eines Druckschlages ein Polster zur Verfügung steht, an dem dieser Anstieg sich gewissermaßen abarbeitet. Oft reicht ein Gaspolster aus, um die gröbsten Schläge zu mildern. Dabei würde eine vorgegebene Gasblase, die in das Rohrsystem eingebaut ist, durch den schlagartigen Druckanstieg nachgeben. Gegenüber einem harten Rohrnetz ohne diese Gasblase würde die Auswirkung erheblich gemildert. Natürlich ist die Zeit vorbei, in der eine Art Zylinder am Ende der Steigleitung dafür eingebaut wurde. Heute bedient man sich bei schlagenden Problemen der Stoßdämpfer; ein Behälter, in dem sich eine Membrane - ähnlich wie ein Luftballon - befindet. Bei einem Druckanstieg wird diese zusammengedrückt und nimmt die Druckenergie auf.
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Übrigens wurden Druckschläge nicht immer als nachteilig empfunden. In Zeiten vor der Elektrifizierung und Verfügbarkeit von Pumpenenergie an beliebigen Orten, kam oft ein so genannter hydraulischer Widder zum Einsatz. Dieser nutzte die Druckstöße permanent um Wasser von einem niedrigen Druckniveau auf einen höheren Druck zu bringen. Gewollte Druckschläge sorgten für diesen Effekt.
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Literaturnachweis:
[1] DIN 1988-3: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen (TRWI); Ermittlung der Rohrdurchmesser; Technische Regel des DVGW
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Film zum Thema
Wie es aussieht, wenn man mit einem hydraulischem Widder Druckschläge dazu verwendet Wasser zu fördern, kann man sich hier ansehen:
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