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Dichtsprechung jetzt möglich?

Leckmengenbewertung nach neuer TRGI

Glaubt man den Ergebnissen von Feldversuchen, sind im Bundesdurchschnitt rund die Hälfte aller in Betrieb befindlichen Niederdruck-Erdgasleitungen nicht mehr dicht, aber unbeschränkt gebrauchsfähig. Aber darf das auch so sein, wenn an einer solchen Gasleitung gearbeitet wurde?

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Die TRGI 2008 lässt zu, dass auch Gasleitungen, die eine Leckage von einem Liter pro Stunde oder mehr haben, ohne Eingriffe in Betrieb bleiben dürfen. Aber Vorsicht! Technische Regeln sind keine Kochbücher. Wer nach diesen arbeitet, darf sie nicht wörtlich umsetzen, sondern situationsbezogen anwenden.

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Rost-Hirsch ist nicht OK
Es ist folglich nicht damit getan, den Leckagewert einer Leitung zu ermitteln. Die wahre Kunst liegt in der Bewertung desselben. Grobe Vorgaben hierzu kann man den Technischen Regeln entnehmen. Nach diesen gilt eine Gasleitung als gebrauchsfähig, wenn sie zwar nicht mehr dicht ist, ihr Gasverlust aber unter Betriebsbedingungen (Erdgas unter Betriebsdruck) weniger als 1 l/h beträgt. Wird eine Leckage von 1 l/h bis weniger als 5 l/h diagnostiziert, liegt verminderte Gebrauchsfähigkeit vor. Man spricht von keiner Gebrauchsfähigkeit, wenn man einen Gasverlust von 5 l/h oder sogar noch mehr feststellt. Wer sich aber nur an diesen Messwerten orientiert und Leitungen entsprechend bewertet, kommt einem TÜV-Prüfer gleich, der bei einer Hauptuntersuchung des Autos lediglich checkt, ob die Blinker funktionieren. Denn ob eine Erdgasleitung nun sicher (also gebrauchsfähig) ist oder nicht, hängt nicht nur von der festgestellten Leckage ab. Auch ihr baulicher Zustand und die Begleitumstände spielen eine wichtige Rolle. So käme wohl niemand auf die Idee, eine Gasleitung, die im feuchten Keller verrostet mit Bindedraht an den Holzrosten der Mieterkeller angebunden ist, als unbeschränkt gebrauchsfähig zu bewerten, nur weil die Leckage unter 1 l/h liegt. Sind bauliche Mängel vorhanden, kann folglich auch eine dichte Gasleitung mit „nicht gebrauchsfähig“ beurteilt werden müssen.

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Der Kasten macht’s
Ähnlich genau hinsehen muss man, wenn Gasleitungen innerhalb von Installationsschächten oder Verkleidungen verlegt wurden. Führen Rohre ohne Verbindungsstellen - also „aus einem Stück“ - durch diesen Hohlraum, dürfte innerhalb dieses Bereiches auch keine Gasleckage auftreten. Deshalb fordern die TRGI 2008 eine Hohlraumbelüftung auch nur noch für solche, in denen Gasleitungen mit Rohrverbindungsstellen liegen. An den Rohrverbindungen kann es zu Lecks kommen. Und das hier austretende Gas darf nicht zu einer Gefährdung führen. Die Frage, wann eine Gefährdung nicht mehr auszuschließen ist, beantwortet sich mit der Besenkammer-Theorie:
In einem Raum mit einem Inhalt von 1000 l, der mindestens eine Tür hat (z. B. eben die besagte Besenkammer), herrscht ein ständiger Luftwechsel von n = 0,4. Das bedeutet, dass sich das Luftvolumen des Raumes (auch bei ständig geschlossener Tür) 0,4-mal in der Stunde austauscht. Würde es in diesem Raum zu einem Erdgasaustritt von 5 l/h kommen, ergäbe sich - dank des ständigen Abfließens und Zufließens von Luft - eine Gaskonzentration von 1,25 Vol-%. Da die untere Explosionsgrenze von Erdgas bei rund 4 Vol-% liegt, wäre in dieser Situation die Sicherheit noch gewährleistet.
Hat ein Installationsschacht einen Inhalt von weniger als 1000 l, stellen die Lüftungen die Verbindung zum größeren Raum her. Dann ist die Besenkammer-Theorie auch auf den Installationsschacht anwendbar. Aus dieser Erkenntnis folgt, dass eine Gasleitung mit Rohrverbindungen innerhalb eines unbelüfteten Schachtes oder Kastens nicht erst bei Leckagen von 5 l/h oder mehr eine Gefahr darstellen kann. Hier kann schon eine Leckage von beispielsweise nur 0,5 l/h es nötig machen, die Leitung außer Betrieb zu nehmen.

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Bloß keinen Tunnelblick
Man sieht: Der Leckage-Messwert muss immer ins Verhältnis zur Installations-Situation gesetzt werden. Das gilt besonders dann, wenn mehrere Leitungen eines Gebäudes sicherheitstechnisch zu bewerten sind. Führen beispielsweise drei klassisch verlegte Gasleitungen (also aus Metallrohren mit Rohrverbindungen) durch einen gemeinsamen Installationsschacht, müssen die Leckraten zusammen bewertet werden. Hat jede Leitung ein Leck von zum Beispiel 0,5 l/h und muss angenommen werden, dass diese Lecks im Schacht liegen, ist addieren angesagt. Man kommt auf 1,5 l/h, was insgesamt vermindert gebrauchsfähig heißt und eine Sanierung innerhalb von vier Wochen nötig macht. Führen diese drei Gasleitungen mit ihrer Leckage aber auf getrennten Wegen durch drei verschiedene Installationsschächte, kann man die Leckagen einzeln betrachten. Mit jeweils 0,5 l/h sind alle Leitungen als unbeschränkt gebrauchsfähig zu bewerten. Es kommt immer darauf an, ob die aus Lecks austretenden Erdgasmengen zusammenkommen können oder eben nicht.

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Die Leitung zerhacken
Diese Überlegung führte zu einer weiteren Neuerung in den TRGI 2008. Bislang hat man die Gasinstallation eines Gebäudes (im Falle einer Etagengasversorgung) bei der Ermittlung der Gebrauchsfähigkeit in Prüfabschnitte aufgeteilt. Dabei wurde die Verteilungsleitung bis hin zur Zählerstellung als ein Leitungsabschnitt angesehen. Ferner war eine Leitung jeweils vom Gaszähler bis hin zum Gasgerät eine weitere, zu bewertende Leitung. Jetzt gibt es die Möglichkeit, auch die Leitung zwischen Gaszähler und Gasgerät in weitere Abschnitte aufzuteilen, die gesondert bewertet werden. So ist es nun zulässig, die Leckage der Kellerleitung, der Steigeleitung und der Leitungen innerhalb der Wohnung separat zu ermitteln. Bei einer Instandsetzung wird mit den einzelnen Abschnitten dann wie bislang mit einer gesamten Leitung verfahren. Eine vermindert gebrauchsfähige Gasleitung muss nach der Instandsetzung mit ihren einzelnen Abschnitten somit nur noch unbeschränkt gebrauchsfähig sein, der instand gesetzte Abschnitt aber dicht nach Dichtheitsprüfung. Ganz deutlich: Wird ein Leitungsteil repariert, weil er vermindert oder nicht gebrauchsfähig ist, muss dieser Teil nach Abschluss der Arbeiten dicht sein. Ein „daran rumfummeln“ bis man mit der Leckrate wieder unter 1 l/h ist, ist auch weiterhin kein professionelles arbeiten. Ein „das ist jetzt dicht genug“ (Dichtsprechung), gibt es folglich auch weiterhin nicht. Eine Leitung bzw. ein für sich gesondert zu bewertender Leitungsteil darf hingegen nach Ausführung von Arbeiten nicht dicht, sondern unbeschränkt gebrauchsfähig sein, wenn dieser auch schon vor Beginn der Arbeiten unbeschränkt gebrauchsfähig war. Liegen zwei oder sogar mehrere Gasleitungen innerhalb eines Installationsschachtes, müssen diese in die Betrachtung - wie bereits beschrieben - einfließen. Und: Im Normalfall wird die Trennung einer Gasleitung in Abschnitte zum Zweck der Leckmengenmessung in Wohngebäuden einen Aufwand bedeuten, der einfach keinen Sinn macht.

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K.O.-Kriterium Gasgeruch
Ist der Grund für einen Einsatz im Kundenhaus ein Gasgeruch, muss man die Gebrauchsfähigkeitsabstufungen vergessen. Bei Gasgeruch gibt es nur noch zwei Möglichkeiten: dicht oder undicht. Und zwar auch dann, wenn die Leckage eigentlich nur minimal ist. Das erklärt sich aus der Psychologie heraus. Der Kunde hat Gasgeruch bemerkt und den Fachmann gerufen, weil er weiß, dass etwas nicht stimmt, wenn es nach Gas riecht. Man stelle sich nun vor, der Fachmann überprüft die Gasleitung, stellt eine Leckrate von beispielsweise 0,1 l/h fest und eröffnet dem Kunden, es bestünde kein Handlungsbedarf. In diesem Augenblick hat das Sicherheitsinstrument der Erdgas-Odorierung seine Warnwirkung verloren. Denn der Kunde hat jetzt erlebt, dass seine Gasleitung nicht repariert werden muss, obwohl es nach Gas riecht. Fazit: Ein Gasgeruch muss - unabhängig von der Leckrate der verursachenden Gasleitung - immer eine Instandsetzung nach sich ziehen. Auch die Kombination eines Gasgeruches mit der Vier-Wochen-Reparaturfrist beißt sich. Es darf nicht sein, dass die Aufforderung an den Laien „bei Gasgeruch sofort handeln“ vom Profi mit einem „wir haben vier Wochen Zeit“ gekontert wird.

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Es zeigt sich, dass die Frage der Dichtheit bzw. Gebrauchsfähigkeit nicht nur nach Messwert sondern unter Berücksichtigung aller Begleitumstände beantwortet werden muss. Doch unabhängig davon bleibt es dabei: Wird eine Leitung oder ein für sich zu bewertender Teil einer Leitung zur Beseitigung einer verminderten oder keiner Gebrauchsfähigkeit repariert, muss die Dichtheit erreicht werden.

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von Jörg Scheele

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