Vom Höllenfeuer der Stagnation
Gut verwertet soll sie sein, die solare Wärme vom Dach. Und wenn man schon mal die thermische Komponenten als solche auf das Dach montiert, dann bitte schön, ausgelegt zur Heizungsunterstützung.
Der Bedarf an solarer Wärme kann über das Jahr in zwei Kategorien unterteilt werden. Ein Paket will geschnürt werden um Teile des Warmwasserbedarfs zu decken. Dieses Paket wird relativ gleichmäßig verteilt abgeholt. Zwar werden im warmen Sommer seltener Vollbäder mit sehr heißem Wasser genommen, aber warm geduscht wird fast täglich. Die Heizungsunterstützung sieht da schon gänzlich anders aus. Der Bedarf an Heizenergie ist naturgemäß im Winter am größten und verliert sich im Frühling und Sommer.
Vorausschauen
Eine solare Anlage für genau diese Anforderungen zu bauen ist daher schwierig. Während die Energieerträge im Sommer am höchsten sind, der Bedarf an Wärme sich in dieser Zeit aber weitestgehend auf die Trinkwassererwärmung beschränkt, kann sehr schnell ein Überangebot auf dem Dach anfallen. Dieses Überangebot könnte man natürlich minimieren, indem man weniger Kollektorflächen auf das Dach montiert. Aber dann reicht die spärliche Ausbeute in den Wintermonaten nicht aus um die Heizung merkbar zu unterstützen. Eine Krux mit der man in Deutschlands Breitengraden leben muss. Das Überangebot in den Sommermonaten lässt sich also nicht weg diskutieren und hat auf den ersten Blick ja auch keine Nachteile.
Zweiter Blick
Beobachtet man eine thermische Solaranlage, so man denn nichts besseres zu tun hat, an einem freundlichen Sommermorgen mit einer stetig zunehmenden Sonneneinstrahlung, dann liegt bereits um 10:00 Uhr über 700 Watt Leistung je Quadratmeter Kollektorfläche an. Sind dort rund 10 Quadratmeter Vakuumröhrenkollektoren montiert, so werden diese bei einem mittleren Wirkungsgrad von gut 36 Prozent auf Strahlenfang gehen. Die folgende Rechnung zeigt überschlägig wie hoch die Leistung der Kollektoren für diese Annahmen ist:
700 Watt/m² x 10m² x 0,36 = 2.520 Watt
also rund 2500 Watt
Ein solarthermisches Kraftwerk mit rund 2500 Watt Leistung schickt also ständig Leistung in den Keller.
Die Beute verteilen
Wenn eine angenommene Durchschnittsfamilie mit 2 Kindern rund 200 Liter warmes Wasser an diesem Morgen zum Duschen entnommen hat, fehlen einige Kilowattstunden im Speicher. Aufgerundet sollen es für dieses Beispiel mal 10.000 Wattstunden (Wh) sein sein. Die Solaranlage hat dann nach rund 4 Stunden Betrieb wieder den Puffer "durchgeladen", denn:
2500 W x 4 h = 10.000 Wh
Die Ausbeute des Tages wäre somit verteilt und gespeichert. Die restlichen Sonnenstunden von 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr werden daher nicht mehr benötigt. Eigentlich könnte man die Kollektoren jetzt abdecken. Aber wer will nun in der Nachmittagshitze aufs Dach und Wolldecken verteilen? Die Anlage feuert also weiter. Die Umwälzpumpe steht irgendwann still, man möchte den Speicher im Keller ja nicht zum Kochen bringen. Da das Wärmeträgermedium in der Solaranlage unter Druck steht, besteht auch bei einer Temperatur von über 100 °C noch keine Verdampfungsgefahr. Der Druck ist dann aber schon gegenüber der Ausgangslage am frühen Morgen um ca. 1 bar gestiegen Nur macht die fortlaufende Sonnenstrahlung bei dieser Temperatur noch lange nicht Schluss. Es geht locker hoch bis 120 °C. Aber irgendwann kocht die Flüssigkeit.
Dampf ablassen
Die mordsmäßige Ausdehnung beim Übergang von flüssig auf gasförmig treibt den Druck in der Anlage nochmals um ca. 1 bar in die Höhe. Immer mehr des ehemals flüssigen Mediums verdampft und früher oder später ist nur noch Dampf im Kollektor. Spitzentemperaturen von bis zu 200 °C werden dabei erreicht. Die letzte Phase der Ausdehnung nennt man Stagnationsphase (Stagnatio ist lateinisch und bedeutet hier Stillstand). Der in den Kollektoren entstandene Dampf drückte während der Aufheizung und anschließenden Verdampfung das verbleibende flüssige Wärmeträgermedium in Richtung Solarstation. Und hier sollte es pfleglich behandelt und aufgefangen werden. Dies geschieht natürlich in einem Membranausdehnungsgefäß. Anders als bei einer Heizungsanlage muss dieses Gefäß geeignet sein die Ausdehnung auch in der Dampfphase zu übernehmen. Auch die zu erwartenden Temperaturen sind für ein solches Gefäß deutlich höher als bei einer Heizungsanlage. Daher hat ein solches Gefäß eine thermisch höher belastbare Membrane. Und zusätzlich wird es, zum Schutz vor den zu erwartenden hohen Temperaturen, üblicherweise mit einem Vorschaltgefäß versehen. Die Druckspitze vom Dach schiebt dann zuerst das relativ kühle Wasser dieses Behälters in das Ausdehnungsgefäß.
Auslegung
Bei Kollektoren mit Stillstandstemperaturen bis über 200 °C wird die Verdampfung des Wärmeträgermediums in Kauf genommen. Der Verdampfungsdruck wird aber nur bis zum gewünschten Verdampfungspunkt (110 - 120 °C) berücksichtigt. Dafür wird bei der Ermittlung des Nennvolumens des MAG das gesamte Kollektorvolumen VK zusätzlich zum Ausdehnungsvolumen Ve und der Wasservorlage VV berücksichtigt.
Für das gesuchte Nennvolumen eines solchen Ausdehnungsgefäßes gilt:
= Nennvolumen
= Ausdehnungsvolumen
= Wasservorlage
= Kollektorvolumen
= Enddruck
= Vordruck
Da sich üblichen installierten Anlagen in Deutschland sehr voneinander unterscheiden sei hier erstmal kein Beispiel durchgerechnet. Vielmehr sollen die technischen Hintergründe, die zu der Ermittlung des Nennvolumens führen kurz erläutert werden.
Das Ausdehnungsvolumen Ve ergibt sich aus der Volumendifferenz zwischen der Einfülltemperatur der Wärmeträgermediums und der Pumpenabschalttemperatur der Solaranlage. Das leuchtet auch ein, denn das Wasservolumen außerhalb der Kollektoren wird ja nur während der Umwälzung durch die Pumpe allmählich erwärmt. Wenn daher die Pumpe bei angenommenen 90 °C abgeschaltet wird, endet auch die gemeinsame Ausdehnung des Analgenvolumens bei dieser Temperatur.
Die Wasservorlage dient, wie auch in jeder Heizungsanlage als ergänzende Reserve zwischen den jährlichen Wartungen der Anlage. Innerhalb eines Jahres ist ein gewisser Schwund immer anzunehmen, auch wenn die Anlage augenscheinlich dicht ist. Kommt es in einer Solaranlage zur beschriebenen Stagnation, entleeren sich die Kollektoren. Daher ist deren Volumeninhalt VK ebenfalls vom Ausdehnungsgefäß aufzunehmen. Als Enddruck pe ist der Ansprechdruck des Sicherheitsventils (SV) abzüglich zehn Prozent zu wählen. Man sollte natürlich ausschließen, dass dieses Ventil im Normalbetrieb, also auch bei Stagnation, abbläst. Der Vordruck p0 ergibt sich aus drei Größen, nämlich dem statischen Druck pst plus dem Differenzdruck der Solarpumpe ppP plus dem Verdampfungsdruck des Mediums pD wiederum bei Abschalttemperatur der Pumpe. Als statischer Druck pst wird die Wassersäule des Wärmeträgermediums, gemessen vom höchsten Punkt der Anlage bis zum Gefäß, angesetzt. Bei Einsatz von Wasser ohne Frostschutz entsprechen 10 Meter Höhe einem Druck von 1 bar. Da die Pumpe einer Solaranlage meistens in den Rücklauf eingebaut wird, handelt es sich hier um eine so genannte Nachdruckhaltung. Dies hat zur Folge, dass der Pumpendruck beim Start das Ausdehnungsgefäß bereits zusammendrückt ohne, dass dieses bereits eine Volumenausdehnung aufgenommen hat. Daher wird der Differenzdruck ppP der Pumpe addiert. Der Dampfdruck pD von Wasser ist ebenfalls hinzuzurechnen.
Wasser oder Glykol
Bisher war gewollt und allgemein immer von dem Wärmeträgermedium die Rede. Am Markt findet man Solaranlagen die mit Wasser oder aber einem frostgeschütztem Gemisch betrieben werden. Die Werte für Ausdehnung und Verdampfung dieser Medien weichen aufgrund der Zusammensetzung voneinander ab. Die Gedankengänge zur Stagnation und folglich zur Auslegung des Ausdehnungsgefäßes sind aber zumindest sehr ähnlich. Ein wesentlicher Unterschied ist jedoch zu sehen. Ein Glycolgemisch altert durch häufige Stagnation sehr schnell (siehe auch SBZ Monteur 06/2011) und verliert die frostschützende Eigenschaft. Der Austausch der Flüssigkeit ist dann notwendig. Befindet sich jedoch keine Frostschutzmittel im Wasser, kann Stagnation die Zusammensetzung natürlich auch nicht beeinträchtigen. Das Wärmeträgermedium bleibt daher gewissermaßen unbegrenzt haltbar. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil der Aqua-Systeme.