Klimatisierung durch Betonkernaktivierung
Die massiven Festungsmauern einer alten wehrhaften Burg bieten nicht nur Schutz vor dem Pfeil einer Armbrust. Schon die Erbauer profitierten damals von der behäbigen Reaktion der dicken Wände auf jahreszeitlichen Temperaturveränderungen.
Während der Besichtigung eines solchen mittelalterlichen Nutzbaus erlebt man im Sommer eine angenehme Kühle trotz flirrender Hitze vor den Toren. Auch eine anhaltende Hitzeperiode vermag es erst nach geraumer Zeit, die dicken Wände zu erwärmen. Wollte man einen Rittersaal nur räumlich nachbilden, würde die Umschließungsflächen aus Gipskarton aufbauen und den Wänden nur die Optik eines solchen Raumes verpassen, hätte man rein optisch schnell den Eindruck, bei König Artus am Tisch zu sitzen. Eine Erwärmung im Sommer würde jedoch in dieser „Filmkulisse“ ungleich schneller ablaufen als bei einer echten Burg mit meterdicken Wänden.
Bereits bezahlter Speicher im Haus
Rein vom Dämmverhalten ausgehend könnten Burgmauerwerk im Original und Gipskartonwand als Filmkulisse durchaus konkurrenzfähig aufgebaut werden. Man müsste nur ausreichend Dämmung hinter die Gipsplatten bringen und könnte einen vergleichbaren U-Wert für beide Aufbauten erreichen. Das Speichervermögen der beiden unterschiedlichen Bauteile würde sich jedoch erheblich unterscheiden. Während tonnenschwere Steine jeden Quadratmeter der Burgwand abschotten sind es bei der Gipswand nur wenige Kilos. Und die enorme Masse des echten Rittersaals bringt eben die Behäbigkeit ins Raumklima, was Temperaturschwankungen angeht. Solch massive Speicher wie bei einer Burganlage wird man natürlich nicht mehr in einem Nutzbau nach heutiger Prägung realisieren. Ein Büro- oder ein Ausstellungsgebäude beispielsweise werden nach architektonischen und nützlichen Gesichtspunkten gebaut. Als relativ schwere Konstruktionen sind in der Regel aber noch die Decken und Fußböden anzusehen. Diese enormen Massen bilden immer noch ein gehöriges „Polster“ das einer Erwärmung im Sommer schon eine gewisse Zeit widersteht und Speicherpotenzial bietet. Die tagsüber einstrahlende Sonne wird als natürliches Licht als willkommener Aufheller für den Raum und gleichzeitig für das Wohlempfinden der Beschäftigten und Besucher angesehen. Erst nach vielleicht fünf Tagen Sonnenbad würde sich dann aber auch die Aufheizung des Betonbodens und der Decke bemerkbar machen.
Fußboden und Decke aktivieren
Nicht etwa so, dass es die Klage gibt die Decke sei zu heiß. Nein, das Unwohlsein ergibt sich aus einer allgemeinen empfundenen Umgebungshitze. Diese wird auch gerne als operative Temperatur bezeichnet. Sie setzt sich zusammen aus der Lufttemperatur und der Temperatur der Umschließungsflächen. Und diese Umschließungsflächen sind eben auch Fußboden und Decke. Exakt hier greift die Idee der Betonkernaktivierung. Diese Aktivierung bezieht sich dann auf die Durchströmung von Fußboden und Decke mit entsprechend temperiertem Wasser. Die von der Fußbodenheizung her bekannte Technik der Rohrverlegung wird statt innerhalb des Estrichs in die Zone des Betons verlegt. Dort, zwischen oberer und unterer Bewehrung werden Rohre eingebracht und meistens nach Tichelmann an einen Kälte- oder Wärmelieferanten angeschlossen, jeweils abhängig von den klimatischen Bedingungen. Für den bisher skizzierten Sommerfall sollte die Durchströmung natürlich recht kühl sein. So kühl und in solcher Menge, dass es die tagsüber eingestrahlte Sonnenenergie und vielleicht auch einen Teil der Abwärme von Menschen, Computern und Beleuchtung abführt. Dieser Vorgang muss nicht zwingend zeitgleich erfolgen. Es müssen also nicht bei einer solaren Aufheizung durch die Fenster von beispielsweise 25000 Watt auch gleichzeitig 25000 Watt abtransportiert werden. Eine gewisse Erwärmung ist durchaus akzeptabel, ohne dass der Aufenthalt in einem solchen Raum als unangenehm empfunden wird. Es reicht aus, wenn über den Tag verteilt die Kühllast, also das was Sonne, Menschen, Computer und Beleuchtung an Wärme einbringen, insgesamt abtransportiert wird. Der Vorrat an Kühlenergie wird dabei in Decke und Fußboden quasi gespeichert. Oder anders herum beschrieben: Die warme Umgebung heizt die schweren und dadurch trägen Decken und Fußböden gemächlich auf.
Aktivierung fängt Leistungsspitzen auf
Würde man zeitgleich die Kühlleistung zur Verfügung stellen wollen, wenn diese auch gerade gebraucht wird, hätte man sicherlich in den Stunden kurz nach dem Mittag - also der Zeit der intensivsten Sonneneinwirkung - eine hohe Kühlleistung zu erbringen. Im eben skizzierten Beispiel wären das die angenommenen 25000 Watt. Lässt man sich jedoch Zeit mit der Kühlung und arbeitet vorausschauend auf Vorrat, verschwinden diese Leistungsspitzen oder werden zumindest erheblich reduziert. Eine herkömmliche Strategie (also ohne Betonkernaktivierung) kann es sein, diese Leistungsspitzen aus Pufferspeichern zu bedienen. Wenn also um 14:00 Uhr die Maximaltemperaturen erwartet werden, bediente man sich in dieser Zeit aus einem zuvor angelegten Reservoir gekühlten Wassers. Eine Lüftungsanlage könnte dann diese Kühlenergie durch das Gebäude verteilen. In den Spitzenzeiten müsste man natürlich entsprechend große Mengen an ausreichend abgekühlter Luft durch den Bau jagen. Mit der Betonkernaktivierung ist es möglich, diesen Kaltwasserspeicher in die ohnehin vorhandenen massigen Decken und Fußböden zu verlagern. Die Trägheit des Gebäudes gegen eine Aufheizung resultiert also aus einer intelligenten und vorausschauenden Bevorratung an Kühlenergie innerhalb des Baukörpers.
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Nachtaktivität bringt gute Wirkungsgrade
Ein Vorteil dieser Aktivierung der Betonkerne steckt also in der moderaten Leistungsanforderung der Kühlanlagen für den Zeitraum des Bedarfs. Durch den geschaffenen Vorrat im aktivierten Beton, gepaart mit dessen Trägheit, sind die Anforderungen an die Kühlleistung entsprechend geringer als bei zeitgleicher Bereitstellung in Spitzenzeiten. Während der üblichen Büro- und Geschäftszeiten sollen die angenehmen Bedingungen für die Personen geschaffen werden. Die Energie kann aber auch außerhalb dieser eigentlichen Nutzung bereitgestellt werden. Für eine Kühlanlage bedeutet dies eine energetische Entlastung durch einen besseren Wirkungsgrad. Denn die Kältekompressoren können über Nacht, also bei ohnehin kühleren Temperaturen als am Tage, ihre Arbeit verrichten. Die Leistungszahlen dieser Kältemaschinen werden es danken.
Den Taupunkt immer im Auge behalten
Der Bevorratung sind aber auch Grenzen gesetzt. Nur weil eine Schönwetterfront im Anmarsch ist, kann nicht im vorauseilenden Gehorsam eine Kunsteisbahn im licht durchfluteten Eingangsbereich des Bürogebäudes vorbereitet werden. Was hier als überzogenes Beispiel einleuchtet, wird natürlich in der Praxis in noch engeren Grenzen gehalten. Wiederum bezogen auf eine Kühlung des Gebäudes sind beispielsweise zwei wesentliche Grenzen zu beachten. Zum einen soll die so genannte Taupunkttemperatur an einem schwülen Sommertag nicht unterschritten werden. Der Taupunkt beschreibt eine Temperatur bei der die feuchte Luft das in ihr enthaltene dampfförmige Wasser tröpfchenweise als Kondensat an eine kalte Fläche abgibt. Diese Temperatur liegt im Sommerbetrieb bei 16,5 °C. Bei Unterschreitung dieser Temperatur würde sich Tauwasser an den Grenzflächen, also Decke und Fußboden, bilden. Es würde tatsächlich von der Decke tropfen oder man würde auf dem feuchten Boden ins Rutschen kommen. Zum anderen setzt auch die so genannte Strahlungsasymmetrie Grenzen für die Temperaturen der Betonkerne. Und dies aus Gründen der Behaglichkeit. Sind nämlich die Unterschiede zwischen Raumtemperatur und Umgebungsflächen zu groß, so stellt sich ein Unbehagen ein. Man spricht dann von einer zu großen Strahlungsasymmetrie. Mit nackten Füßen auf einer Eisoberfläche zu stehen ist selbst bei hochsommerlichen 30 °C Umgebungstemperatur nicht lange erträglich. Ein Fußboden sollte daher im Kühlfall immer noch wärmer als 19 °C sein. Die Temperatur einer Decke könnte wegen der etwas anderen Wärmeübergabe an Raum und Mensch auf 17 °C an der Oberfläche abgesenkt werden, ohne dass ein überwiegender Teil von Personen dies als unangenehm empfindet. Das ist nebenbei ein wichtiges Kriterium für ein behagliches Raumklima: Ziel ist es nicht, es jedem recht zu machen, sondern einem überwiegenden Teil der Nutzer kein Unwohlsein zu bereiten.
Heizen mit des Betons Kern
Bisher war in diesem Bericht nur von der Kühlung die Rede. Natürlich gilt die grundsätzliche Idee der Betonkernaktivierung aber auch für den Bedarfsfall der Beheizung. Die Eigenschaft der Trägheit verliert sich natürlich nicht, wenn im Winterbetrieb das Gebäude beheizt werden soll und daher ein Bauteil durch Erwärmung aktiviert wird. Letztlich werden also die Zielsetzungen nur umgekehrt und die Aktivierung erfolgt mit heißem Wasser. Es ist sogar ein Parallelbetrieb denkbar. Steht beispielsweise im Übergangszeitraum, also im Frühling und im Herbst ein Überschuss an Wärme einem Mangel gegenüber, kann durch die Betonkernaktivierung die Energie auch innerhalb der Gebäudeeinheiten verschoben werden. Beispielsweise kann in den Büros an der fensterreichen Südfassade die Wärme abtransportiert und dann der etwas unterkühlten nördlichen Abteilung zur Verfügung gestellt werden.
Höhere Weihen und integrale Planung
Sind Konzepte angedacht, die mit Betonkernaktivierung realisiert werden sollen, werden in der Regel ganzheitliche Konzepte erstellt. Man versucht also für Gebäude mit dieser Art der Gebäudetechnik nicht nur Wärme oder Kühle bedarfsgerecht bereitzustellen. Um beispielsweise die Kühllast im Sommer einzudämmen, werden entsprechende Beschattungen vorgesehen. Diese sollen dann zwar das kostenlose und beliebte natürliche Licht ins Gebäude einströmen lassen, die mitgeführte Wärme aber draußen halten. Da die Leistungsgrenzen für Kühlen und Heizen durch die zulässigen Oberflächentemperaturen begrenzt sind, werden meistens auch nur extrem gut gedämmte Häuser mit dieser Technik versehen. Die Lücken die zwischen dem Kühl- oder Heizbedarf und dem was die Betonkernaktivierung zu leisten vermag entstehen, werden häufig durch eine ohnehin einzubringende Lüftungsanlage kompensiert.
Aus technischer Sicht ist dieses hervorragende Konzept also auch geeignet, nur die Grundlast eines Gebäudes an Kälte und / oder Wärme abzudecken und den Rest über etablierte Technik, wie Lüftungsanlagen, zu lösen. Für die Zukunft bleibt die Betonkernaktivierung wegen der günstigen Unterhaltskosten und den hervorragenden Komfortbedingungen jedenfalls im Gespräch.