Die Gemüter kochen hoch und die Einsicht ist da: Es muss etwas passieren im Rentensystem. Doch mehr als kosmetische Maßnahmen waren in den vergangenen Jahren nicht drin. Nun soll die sogenannte Aktienrente eine Wende bringen. Sind die Hoffnungen berechtigt?
Wie funktioniert das Rentensystem?
Organisiert ist die gesetzliche Rente hierzulande als Umlageverfahren. Das heißt: Diejenigen, die arbeiten, zahlen mit ihren Beiträgen zur Rentenversicherung die Altersbezüge der aktuellen Rentner. Was reinkommt, geht also sofort wieder raus - der sogenannte Generationenvertrag. Zusätzlich zahlt der Staat noch einen großzügigen Zuschuss dazu.
Mit ihren Beiträgen erwerben Arbeitnehmer sogenannte Rentenpunkte, das sind Ansprüche auf eine spätere Rentenzahlung. Doch eine Garantie auf die Höhe gibt es nicht. So liegt das Rentenniveau im Jahr 2022 bei 49,4 Prozent laut Deutscher Rentenversicherung. Das heißt, die Rentenhöhe nach 45 durchschnittlichen Beitragsjahren beträgt knappe 50 Prozent vom aktuellen durchschnittlichen Arbeitseinkommen.
Wie ist die Lage im Rentensystem?
Aktuell scheiden mehr Menschen aus dem aktiven Berufsleben aus, als neue Beitragszahler hinzukommen. Das erhöht die Last der Arbeitnehmer über steigende Beiträge. Aktuell stehen einem Altersrentner nur 1,8 Beitragszahler gegenüber. Zum Vergleich: In den 1960er-Jahren lag das Verhältnis bei 1:6. Immer weniger Arbeitnehmer finanzieren also immer mehr Rentner.
Für jene, die nach 1964 geboren sind, gilt die Regelaltersgrenze von 67 Jahren, eine weitere Anhebung ist bislang nicht vorgesehen. Bundesarbeitsminister Heil (SPD) will daran auch nichts ändern, für ihn sei die Diskussion um die Rente mit 70 eine „Phantomdebatte“.
Zu welchem Ergebnis kommen Rentenexperten?
Seit Jahren mahnen Wirtschaftsexperten wie Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg eine grundlegende Reform des Rentensystems an. Denn bislang will die Politik weder die Beiträge noch die Rentenhöhe antasten, um die Wähler nicht zu verprellen. Also müssen die Mehrkosten zulasten des Bundeshaushalts gehen.
Laut Raffelhüschen müsse man akzeptieren, dass die gesetzliche Rente eine Basisversorgung werde, sonst werde der Generationenvertrag schleichend gekündigt. Das geschehe über Abwanderung ins Ausland oder den Wechsel in die Selbstständigkeit. Denn Selbstständige - ob Freiberufler oder gewerblich Tätige - müssen nicht in die Rentenkasse einzahlen.
Wie wahrscheinlich ist die Rente mit 70?
Derzeit ist die Rente mit 70 nicht mehr als ein Diskussionspunkt, es gibt keine Planungen dafür. Es gibt viele Ideen und Möglichkeiten: Von der Erhöhung der Beiträge bis zu einem größeren Zuschuss des Staates.
Ebenfalls in der Diskussion ist eine Versicherungspflicht für Beamte und Selbstständige, um die Basis der Einzahler zu vergrößern - aber auch an dieser Front gilt: Es gibt keine konkreten Planungen und bislang hat es keine Bundesregierung gewagt, diese „heilige Kuh“ zu schlachten.
So bleibt der dringende Expertenrat weiterhin: privat vorsorgen - ob mit Betriebsrente, Riester, Rürup, Aktien, Anleihen, Fonds oder privaten Immobilien. Allerdings hat die Bundesregierung jetzt eine kleine Stellschraube beschlossen: die Aktienrente.
Was ist die Aktienrente?
Die Aktienrente ist ein Vorhaben der Bundesregierung, sie soll ab 2023 in Kraft treten. Bekannt ist das Konzept vor allem aus Schweden und Norwegen, wo ein Teil der Rentenbeiträge in Aktienfonds angelegt wird. Sie soll der Einstieg in eine zusätzliche Kapitaldeckung sein.
Allerdings werden bei der deutschen Version keine Beiträge für den Aktienanteil abgezweigt. Stattdessen zahlt der Bund zunächst zehn Milliarden Euro in den Fonds ein.
Vorteile und Nachteile der Aktienrente
Die Erträge aus dem Fonds sollen nicht dazu dienen, dass die Rentenauszahlung höher ausfällt, sondern in erster Linie den Beitragssatz stabilisieren, damit dieser nicht so schnell steigt. Damit fungiert die Aktienrente quasi als kapitalgedeckte Rücklage, deren Erträge den heutigen Beitragszahlern zugutekommen.
Feste steht schon jetzt: Die anfänglichen zehn Milliarden Euro werden nicht reichen. Reinhold Thiede von der Deutschen Rentenversicherung hat vorgerechnet, dass die Erträge heute rund 17 Milliarden Euro betragen müssten, um den Anstieg des Beitragssatzes um nur einen Prozentpunkt zu verhindern.
17 Milliarden Euro müsste der Aktienfonds also pro Jahr erwirtschaften. Nimmt man eine (sehr gute) Rendite von jährlich acht Prozent an, müsste der Fonds dafür ein Volumen von 212,5 Milliarden Euro umfassen. Daher plant die Regierung zum einen regelmäßige Einzahlungen in den Fonds, darüber hinaus sollen die Erträge der ersten Jahre wieder in den Fonds zurückfließen.
Das Risiko der Aktienrente sind die Kursschwankungen und möglichen Verluste am Kapitalmarkt. Der Beitragssatz wäre im Extremfall also an die Börse gekoppelt. Allerdings soll der Fonds weltweit anlegen und so mögliche Risiken auf viele verschiedene Aktienwerte verteilen.