Fehlt der Regen wie 2018 im Norden und Osten Deutschlands sogar 6 Monate, fällt das Laub frühzeitig von den Bäumen und bestimmte Pilze sowie Schädlinge nehmen überhand. Saftige Wiesen verwandeln sich in dürre Steppen. Mit dem sinkenden Wasserpegel in Rhein, Main und Neckar sind im Oktober 2018 sogar die Preise für Benzin und Heizöl in Süddeutschland kräftig gestiegen. Damit haben die wenigsten gerechnet – doch in leeren Flüssen können keine vollen Tankschiffe fahren. Es gab also viele Gründe, sich anhaltende Niederschläge herbeizuwünschen.
Kommt der ersehnte Regen endlich und fällt er heftig, setzt sich die Tragödie fort: Der durchgetrocknete Boden kann die Wassermenge kaum aufnehmen. Erst in gut durchfeuchtetem Zustand entspricht die so genannte Infiltrationsrate dem, was beim Bau von Sickermulden geplant und berechnet wurde. Wünschen wir uns also nach einer Trockenperiode drei Tage Nieselregen – selbst wenn der Durst unserer Gärten, Parks und Außenanlagen groß ist. Sonst folgt auf die Dürre gleich das andere Extrem, die Überflutung.
Bausteine der Regenwasserbewirtschaftung
Regenwasser muss künftig länger in der Stadt bleiben und gefahrlos durch die Methoden der Regenwasserbewirtschaftung mit den Aspekten Umweltschutz, Lebensqualität, Stadtklima und Überflutungsschutz verknüpft werden. Diese neue Aufgabe beschäftigt mittlerweile Stadt- und Regionalplaner europa- und weltweit. In Deutschland spüren Bauherren die Auswirkungen schon. So sehen sich Haus- und Grundbesitzer zunehmend mit Auflagen und Kosten konfrontiert:
Bei Neubau hängt die Baugenehmigung von entsprechenden Regenwasserbewirtschaftungs-Maßnahmen ab. Das erhöht die Baukosten.
Bei bestehenden Gebäuden geben die ständig steigenden Niederschlagsgebühren Anlass, über eine alternative Regenentwässerung nachzudenken.
Überflutungsvorsorge bei Starkregen in Verbindung mit Regenrückhaltung und Gebäudebegrünung lassen sich im privaten wie auch im öffentlichen Raum kombinieren. Zu ebener Erde, im Straßenraum, werden Pflanzensysteme als klimatisch ausgleichende Elemente etabliert: Baumalleen mit Gehölzen, die unter den urbanen Bedingungen gedeihen. Grundvoraussetzung ist natürlich wieder ausreichend Wasser, idealerweise Regenwasser. Es kommt von den Fahrbahnen und Gehwegen, wird mit Hilfe von bewachsenen Sickermulden oder technischen Filtern von Schadstoffen befreit und in Rigolen eingeleitet. Diese Rigolen halten Wasser für die Baumwurzeln bereit. Der Überschuss an Niederschlagswasser versickert. Im Zuge von ohnehin fälligen Straßenbauarbeiten bieten sich die besten Möglichkeiten für den Einbau solcher Baumquartiere und Rigolen.
Resilienz im Wohnquartier
Die Stadt Großsachsenheim im Norden Stuttgarts hat im Untergrund ein Depot mit 75 Kubikmeter Regenwasser. Das wird benötigt für eine im Jahr 2015 erstellte 100 Meter lange und komplett begrünte Lärmschutzwand – die viele Vorzüge gegenüber herkömmlichen Lösungen aus Stahl, Beton oder Glas hat: Das Regenwasser des dahinter liegenden Wohnquartiers wird zur Bewässerung der Lärmschutzwand genutzt. Damit sparen die Bewohner der Siedlung Niederschlagsgebühren. Außerdem absorbiert die Begrünung Schall, statt ihn zu reflektieren, und filtert Feinstaub. Sie ist ein Lebensraum für Kleintiere, wandelt Kohlendioxid in Sauerstoff um und kühlt im Sommer durch Evapotranspiration. Der Begriff steht für Verdunstung sowohl aus der Pflanze als auch aus dem feuchten Substrat heraus. Die Anerkennung der Naturschutzbehörde als Ausgleichsmaßnahme wegen all dieser Vorzüge soll der Vollständigkeit halber ebenfalls erwähnt werden. Für eine nicht begrünte Konstruktion hätte im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes ein zusätzlicher Ausgleich geschaffen und bezahlt werden müssen.
Kühlende Baulücke
Nicht der Schallschutz, sondern die Kühlung war in Ludwigsburg im Sommer 2014 das Motiv für eine kleine Oase: Das Grüne Zimmer, die provisorische Nutzung einer Baulücke in der Innenstadt. Auch hier stammt das Wasser aus dem unterirdischen Regenwassertank. Als wissenschaftlich verantwortliche Autorität stand Ferdinand Ludwig im Hintergrund. Er leitete damals noch ein Forschungsinstitut an der Universität Stuttgart, seit 2017 ist er Professor für „Green Technologies in Landscape Architecture“ an der TU München in Weihenstephan. Man kennt ihn als Begründer der so genannten Baubotanik und als geistigen Vater des Stuttgarter Stadtklima-Modellprojekts Parkhaus Züblin. Diese Bauruine soll für diverse Freizeitaktivitäten umgenutzt werden. Dafür erhält der Betonkoloss einen „grünen Mantel“ – eine Fassadenbegrünung aus lebendigen, miteinander verschraubten Gehölzen. Diese werden aus der großen Zisterne mit dem vom Parkhausdach gesammelten Niederschlagswasser versorgt. Und auch hier erhalten wir durch die Kombination Begrünung/Regenwassernutzung eine Vielzahl messbarer Vorteile, vergleichbar mit denen der zuvor beschriebenen Lärmschutzwand.
Beschattung durch lebendiges Grün und Kühlung durch Verdunstung von Regenwasser - beides hilft, Gebäude und Stadtteile natürlich zu klimatisieren, urbane Hitze zu verringern. Die Dach- und die Fassadenbegrünung sind, wie bei der Lärmschutzwand, dafür ideal geeignet. Aus diesem Grund will Stuttgart mehrere Wohn- und Gewerbequartiere im Nordwesten der City in Bezug auf Stadtklima nachhaltig optimieren. Und Hamburg hat im Frühjahr 2014 eine Gründachstrategie entwickelt. Das Ziel ist, mit finanziellem Zuschuss möglichst alle technisch dafür geeigneten Dachflächen in grüne Niederschlagspuffer zu verwandeln.
Lokale Wasserbilanz
Vorbild ist die Natur, das Ziel die lokale Wasserbilanz. Gemeint ist damit das ursprüngliche Verhältnis von Versickern, Verdunsten und oberirdisch Ableiten am jeweiligen Ort. Sind beispielsweise vor einer Bebauung 30 % des Niederschlags versickert und 60 % verdunstet, soll das auch nach Fertigstellung von Gebäuden, Grün- und Verkehrsflächen so sein. Und bei ursprünglich 10 % oberflächigem Abfluss in einen Bachlauf soll das auch der nach Fertigstellung einer neuen Siedlung wieder vorhanden sein. Wollen wir irgendwann spürbare Fortschritte im Stadtklima, brauchen wir deutlich mehr Verdunstung über Gebäude- und Straßenraumbegrünung.
Gleichzeitig gilt es, den natürlichen Wasserkreislauf in der Erde zu unterstützen, sinkende Grundwasserspiegel auszugleichen. Dafür bedarf es auch der Versickerung von Niederschlägen, die auf befestigte Flächen treffen und direkt durch die Fugen und die Bettung des Belags sickern. Solche Flächen sind z. B. Terrassen, Gehwege, Fahrzeugstellplätze. Gutachten dazu haben schon vor einem Jahrzehnt bestätigt, dass die anfallende Wassermenge dauerhaft alleine über die Fugen des Belags versickern kann, wenn beim Verlegen die Herstellerangaben berücksichtigt und der dafür geeignete Splitt verwendet wird. Trotzdem ist es ratsam, solche befestigten Flächen leicht zu neigen, weg von den Gebäuden. Gut zu wissen: an die Reinigung des Niederschlagswassers auf dem Weg Richtung Grundwasser werden bei befestigten Flächen in Wohnsiedlungen in der Regel keine Anforderungen gestellt.
Zeitgemäße Bausteine dezentraler Regenwasserbewirtschaftung:
Wasserflächen
Sickermulden
Block-Rigolen, Sickerpflaster
Filter bei Regenspeichern
WC, Waschmaschine