Hat ein Hauseigentümer keine Vorkehrungen gegen Rückstau getroffen, muss er für Schäden, die gerade bei fäkalienhaltigem Wasser nicht zu unterschätzen sind, zumeist selbst aufkommen. Vorkehrungen gegen Rückstau sind in der Regel auch eine notwendige Voraussetzung für einen Versicherungsschutz gegen Rückstau in einer Elementarschadenversicherung. Diese schließen Schäden durch Rückstau nicht automatisch ein, sie müssen ausdrücklich vereinbart werden.
Funktioniert der Rückstauschutz im Ernstfall nicht und es kommt zu Überschwemmungen, taucht berechtigterweise die Frage auf: Was ist schiefgelaufen? In der Praxis sind häufig Fehler bei der Planung und Installation von Entwässerungsanlagen zu beobachten wie zum Beispiel eine falsch bemessene Rückstauebene (RSE) oder eine nicht korrekt ausgeführte Druckleitung. Hier sind kompetente Haustechnik-Planer und SHK-Installateure gefordert. Sie müssen wissen, worauf es ankommt und den Bauherren umfassend und zukunftssicher beraten.
Wo liegt die Rückstauebene?
Oft enthalten die Satzungen der zuständigen Behörde allgemeine Angaben zur Rückstauebene. Doch muss die Verwendbarkeit dieser Bestimmungen im Einzelfall hinterfragt und überprüft werden. Denn Abwasser kennt keine rechtlichen Regeln aus der Ortssatzung, sondern gehorcht ausschließlich dem physikalischen Prinzip der kommunizierenden Röhren.
Der Fachmann muss daher den relevanten Anschlusspunkt des Gebäudes an den Straßenkanal und den nächstgelegenen wirksamen Entspannungspunkt ermitteln. Laut Norm (DIN EN 12056-4 / DIN 1986-100) ist die Rückstauebene die höchste Ebene bis zu der das Abwasser in Folge eines Rückstaus im Kanalnetz ansteigen kann.
Aber wie hoch kann es ansteigen? Großer Druck im Kanalnetz aufgrund eines Rückstauereignisses führt dazu, dass sich Abwasser in die Umgebung „entspannt“. Damit diese Entspannung nicht gleichzeitig auf dem privaten Grundstück erfolgt, muss zwischen dem wirksamen Entspannungspunkt im öffentlichen Bereich und den Entwässerungsgegenständen auf dem Grundstück ein Sicherheitsabstand eingehalten werden. Falls keine genaueren Angaben vorhanden sind, sollten hierfür mindestens 15 cm angesetzt werden. Somit stellt die Oberkante dieses Entspannungspunkts plus 15 cm die maßgebliche Rückstauebene dar: (Bild 1) und (Bild 2).
Diese Ebene wird dann auf alle Entwässerungsgegenstände auf dem Grundstück „gespiegelt“. Bei starken Hanglagen können somit auch Ablaufstellen im Erdgeschoss oder in höheren Stockwerken unter der Rückstauebene liegen. Das Abwasser muss sich maximal anstauen können, bis es aus dem Straßenkanaldeckel, welcher bei der Ermittlung der Rückstauebene hervorgegangen ist, austritt.
Weiter gilt es zu beachten, dass sich beim Anschluss an ein Trennsystem zwei unterschiedliche Rückstauebenen sowie bei größeren Grundstücken mit mehreren Kanalanschlüssen sogar weitere unterschiedliche Rückstauebenen ergeben können. Erst wenn diese zuverlässig bestimmt sind, können Haustechnik-Planer und SHK-Installateur prüfen, welche Entwässerungsgegenstände davon betroffen sind (Bild 3).
Zu beachten bei Rückstauschleife
Zur Absicherung gegen Rückstau kommen Abwasserhebeanlagen zum Einsatz. Doch erst zusammen mit einer nachgeschalteten und korrekt ausgeführten Rückstauschleife ergibt sich ein wirksamer Schutz. Unter Rückstauschleife ist eine Ausführung der Druckleitung zu verstehen, die das geförderte Abwasser über das Niveau der zuvor ermittelten Rückstauebene anhebt.
Doch wie muss die Rückstauschleife ausgeführt werden? Aufgrund von Kohäsionskräften kommt es beim Abschalten der Hebeanlage zu Druckschlägen, welche bei fehlender Druckentspannung zu starken Geräuschen und Belastungen der Anlage führen. Deshalb muss nahe der Umlenkung eine Aufweitung vorgesehen werden.
Restrisiken vermeiden
Für einen sicheren Betrieb der Rückstauschleife ist erforderlich, dass das Niveau der Sohle der Umlenkung dieser Rückstauschleife höher als die relevante Rückstauebene geführt wird. Diese Anforderung ergibt sich aus der Notwendigkeit, die Gefahr des Saughebereffektes zu vermeiden.
Saughebereffekt bedeutet, dass Abwasser unter Ausnutzung des hydrostatischen Drucks (Niveauunterschied) von einem höher liegenden Behälter (durch Rückstauwasser gefüllter Straßenschacht) über eine Verbindungsleitung (vollgefüllte Rückstauleitung) in einen niedriger gelegenen Behälter (Sammelraum der Hebeanlage) fließt. Das Fördern von Abwasser erfolgt dabei ohne Fremdenergie allein durch die Höhendifferenz der angeschlossenen Behälter.
Bei ungünstigen Umständen, wie Pumpenausfall und unwirksamem Rückflussverhinderer, besteht die Gefahr der inneren Überflutung (Bild 4). Dies kann durch ausreichende Druckentspannung und Überhöhung vermieden werden. Die Höhe des Abstandes der Rückstauschleife zur Rückstauebene sollte deshalb mindestens 0,10 m bzw. dem 1,5-fachen Querschnitt der Druckleitung entsprechen. Druckleitungen dürfen nicht in Fallleitungen münden, sondern müssen in belüftete Sammel- oder Grundleitungen oder in einen sogenannten Druckentspannungsschacht geführt werden.
Unbedingt beachten
Es kommt also darauf an, die Rückstauebene korrekt zu bestimmen und auf eine genaue Ausführung der Rückstauschleife zu achten. Wie passt dies zusammen? In der ersten Ausgabe des Video-Podcasts „Treffpunkt Entwässerung“ von Kessel gibt es dazu weitere Informationen: www.kessel.com/videopodcast
Kompakt zusammengefasst
Gebäude müssen gegen die Folgen eines Rückstaus im öffentlichen Kanalnetz geschützt werden, wenn sich Entwässerungsgegenstände unterhalb der maßgeblichen Rückstauebene befinden.
Die maßgebliche Rückstauebene muss vor Ort und bei Trennsystemen für Ab- und Niederschlagswasser für jeden Anschlusspunkt separat ermittelt werden. Für die maßgebliche Rückstauebene ist jedoch nicht der Anschlusspunkt, sondern der wirksame öffentliche Entspannungspunkt zuzüglich eines Sicherheitsabstands relevant.
Kommt zur Absicherung gegen Rückstau eine Abwasserhebeanlage zum Einsatz, sind eine sorgfältige Planung, Bemessung und Überhöhung der Rückstauschleife mit Aufweitung nach der Umlenkung und Einleitung in eine belüftete Sammel- oder Grundleitung wichtig.
Lehrsatz von Priller
Abwasser kennt keine rechtlichen Regeln aus der Ortssatzung, sondern gehorcht ausschließlich dem physikalischen Prinzip der kommunizierenden Röhren.
Roland Priller