Rückstau und Überflutung sind unterschiedliche Phänomene, auch wenn beides bei Starkregen auftritt. Überflutung findet an der Oberfläche statt, Rückstau innerhalb eines Entwässerungssystems. Wenn Abwasser entgegen der vorgesehenen Fließrichtung innerhalb der Rohre nach oben steigt, handelt es sich um Rückstau, verursacht üblicherweise durch Verstopfung oder Überlastung des Kanals. Doch für die daraus resultierenden Schäden auf angeschlossenen Grundstücken kommt der Kanalnetzbetreiber nicht auf. Denn Rückstau ist laut DIN 1989-100 (1) „in Misch- und Regenwasserkanälen der öffentlichen Abwasseranlagen in Abhängigkeit von den Entwurfsgrundlagen planmäßig vorgesehen und kann auch im laufenden Betrieb nicht dauerhaft vermieden werden“.
Eigentümer müssen vorsorgen
Gebäude- und Grundstückseigentümer sind verpflichtet, selbst Vorsorge gegen Rückstau und Überflutung zu treffen. Das bedeutet zweierlei:
Rückstauebene objektbezogen prüfen
Bevor die unterschiedlichen Verfahren der Rückstausicherung betrachtet werden, muss im Einzelfall vor Ort festgestellt werden, ob und falls ja, in welchem Teil des Entwässerungssystems eine Rückstaugefahr besteht. Hat die Straße, in der der weiterführende Kanal liegt, ein Längsgefälle oder liegen Gebäudeteile und Regenspeicher unterhalb des Straßenniveaus, ist besondere Aufmerksamkeit gefordert. Anschauliche Darstellungen dazu enthält der „Ratgeber Überflutungs- und Rückstauschutz“ (3).
Die maßgebende Rückstauebene wird von den Betreibern der öffentlichen Abwasseranlagen in den Entwässerungssatzungen festgelegt. Ansonsten gilt laut DIN 1989-100 die Straßenoberkante über der Anschlussstelle des Grundstücks bzw. die Bordsteinkante als Rückstauebene.
Technische Option wählen
Der wirksamste Schutz gegen Rückstau ist, wenn Ablaufstellen im Entwässerungssystem unterhalb der Rückstauebene generell vermieden werden. Dann ist keine zusätzliche Maßnahme erforderlich. Ist dies nicht möglich, sind für die gefährdeten Teile eines Gebäudes Schutzmaßnahmen nötig, die in zwei Gruppen unterteilt werden:
Beide Systeme arbeiten automatisch, sobald die Rückstausituation eintritt. Diese Grundvoraussetzung muss jede Rückstausicherung erfüllen. Manuell betriebene Systeme sind nicht zulässig. DIN 1986-100 (4) gibt vor, in welchem Anwendungsfall welche der Schutzmaßnahmen verwendet werden muss. Hebeanlagen sind im Vergleich zu Rückstauverschlüssen sicherer, jedoch auch teurer, sowie aufwändiger bei Bau, Betrieb und Wartung. Ist laut DIN-Norm nur ein Rückstauverschluss gefordert, darf dieser immer durch die hochwertigere Hebeanlage ersetzt werden.
Bei der Planung ist darauf zu achten, dass nur Ablaufstellen, die sich unterhalb der Rückstauebene befinden, an die Rückstausicherung angeschlossen werden dürfen. Alle Ablaufstellen oberhalb der Rückstauebene müssen im freien Gefälle hinter der Rückstausicherung in den Kanal geführt werden. Andernfalls würde nach dem physikalischen Prinzip kommunizierender Gefäße im Rückstaufall bei geschlossener Rückstausicherung das Abwasser der Ablaufstellen über der Rückstauebene bewirken, dass Abwasser aus den darunter liegenden Ablaufstellen in das Gebäude drückt.
Einfachere Vorgaben für unterirdische Regenspeicher
Wichtig ist, dass bei unterirdischen Regenspeichern außerhalb von Gebäuden Leerrohre vom Speicher in den Gebäudekeller gemäß DIN 1989-100 grundsätzlich mit Dichteinsätzen (Wanddurchführungen) versehen werden. Das verhindert den Eintritt von Grundwasser aus dem Erdreich und von im Speicher angestautem Wasser in das Innere des Gebäudes. Leerrohre zum Gebäude liegen eigentlich sicher oberhalb des maximalen Wasserspiegels. Trotzdem kann es in besonderen Fällen zur kompletten Füllung eines Speichers kommen.
Bei Kanalanschluss des Speicherüberlaufs ist gemäß DIN EN 16941-1 (5) generell ein Geruchverschluss notwendig. Sollte die Sohle des Überlaufrohres unterhalb der Rückstauebene des Kanals liegen, zusätzlich ein Rückstauverschluss. Wenn dieser schließt, der Regenwasserzulauf von den Sammelflächen aber weiter anhält, baut sich im Speicher sowie in den Sammel- und Verteilleitungen ein zusätzlicher Rückstau auf. Niedrig gelegene Regenwasserabläufe, undichte Fallrohre oder die sich hebende Speicherabdeckung können eine Entlastung bewirken und das Gelände überfluten. Das darf nicht zu Sach- und Gebäudeschäden führen, auch nicht bei Nachbarn, und ist bei großen Liegenschaften gegebenenfalls in einen Überflutungsnachweis gemäß DIN 1986-100 einzubeziehen.
Für unterirdische Regenspeicher, in DIN 1986-100 Tabelle 4 „Erdspeicher“ genannt, gelten bei der Auswahl der Schutzmaßnahmen gegen Rückstau dennoch vereinfachte Regeln. Auf die Forderung nach einer teuren Hebeanlage mit Rückstauschleife, die den Abfluss in jedem Fall gewährleisten würde, wird verzichtet – möglicherweise wegen der Verhältnismäßigkeit. Was kann passieren, außer der oben genannten Überflutung des Grundstücks bei anhaltendem Regen? Grundsätzlich besteht bei Kanalrückstau die Möglichkeit einer Fehlfunktion der Verschlüsse, z.B. wenn feste Stoffe den Schließmechanismus blockieren. Die Kontamination des Speicherinhalts durch Abwasser vom Kanal lässt sich jedoch durch Reinigen und Neubefüllen des Speichers leicht beheben.
Das Potenzial an Störstoffen ist bei Rückstau aus dem Mischkanal größer, auch der Grad der Kontamination des Speicherinhalts im Falle einer Fehlfunktion. Daher verlangt der Regelgeber in diesem Fall hochwertigere Rückstauverschlüsse als bei Anschluss an einen Regenkanal. Die einzelnen Typen von Rückstauverschlüssen und deren Verwendungszweck beschreibt DIN EN 13564-1 (6).
Anschluss Regenspeicherüberlauf an Mischkanal
Wenn der Überlauf unterhalb der Rückstauebene liegt, fordern die in diesem Punkt gleich lautenden Normen DIN 1989-100 und DIN 1986-100 beim Ableiten von Regenwasser aus unterirdischen Speichern in den Mischwasserkanal einen der folgenden Rückstauverschluss-Typen:
Dabei ist zu beachten, dass die Typen 3 und 5 Fremdenergie benötigen und deshalb weniger Verwendung finden.
Anschluss Regenspeicherüberlauf an Regenwasserkanal
Wenn der Überlauf unterhalb der Rückstauebene liegt, fordern die in diesem Punkt gleich lautenden Normen DIN 1989-100 und DIN 1986-100 beim Ableiten von Regenwasser aus unterirdischen Speichern in den Regenwasserkanal einen der folgenden Rückstauverschluss-Typen:
In beiden Fällen, bei Anschluss des Regenspeicherüberlaufs an den Regen- und an den Mischwasserkanal, können die genannten Rückstauverschlüsse in den Regenspeicher integriert oder in einem separaten Schacht angeordnet werden (7).
Kommunale Prävention gegen Rückstau im Kanal
Derzeit werden in Deutschland nach Angaben des statistischen Bundesamtes Tag für Tag mehr als 50 Hektar Fläche für Verkehrswege und Siedlungsflächen sowie Gewerbe und Industrie neu belegt. Selbst wenn der versiegelte Flächenanteil prozentual zurückgeht, erhöht die Vergrößerung der Einzugsgebiete die Gefahr von Rückstau in bestehenden Kanälen immer weiter. Deshalb erstellen Kommunen zunehmend Hochwasser- und Starkregen-Gefahrenkarten als Grundlage für weitere Maßnahmen, wie etwa die Schaffung von kommunalen Rückhalteflächen an exponierten Stellen (8). Gezielte städtebauliche Anpassungen im Sinne einer blau-grünen Infrastruktur sollen die Gefährdungslage entschärfen. Sie beziehen konsequenterweise auch private Flächen ein, wie zum Beispiel die im September 2014 initiierte „Gründachstrategie Hamburg“.
Finanzielle Zuschüsse oder Auflagen für Grundstückseigentümer zur Retention von Oberflächenwasser und, falls die Versickerung nicht möglich ist, dessen gedrosselte Abgabe in den Kanal, haben dasselbe Ziel. Dazu sind seit mehr als 20 Jahren Retentionszisternen im Einsatz, die als Rückhalteeinrichtungen für Regenwasser dienen und zugleich dessen Nutzung ermöglichen. So werden flächendeckend enorme Rückhaltevolumina für Extremniederschläge geschaffen und damit die Gefahr eines Rückstaus in den Kanälen verringert. Die Maßnahmen sind bekannt, die Produkte vorhanden. Bis derartige Elemente eines zukunftsfähigen Entwässerungssystems in der Fläche Wirkung zeigen, dauert es jedoch Jahrzehnte – ein Wettlauf mit dem Klimawandel.