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Große Geschäfte

Vom Plumpsklo zum Dusch-WC

Inhalt

Wer hat das Dusch-WC erfunden? Viele glauben, dass es eine japanische Erfindung ist. Doch weit gefehlt, die Schweizer haben es entwickelt und zur Serienreife gebracht. Kurios: Im Mittelalter gab es sogar ein besonderes Berufsbild: „Abtrittanbieter*innen“, die im „öffentlichen Bereich ihre hygienischen Dienste“ anboten.

Man muss weit in den Geschichtsbüchern zurückblättern, um das erste WC zu finden, auch bekannt als Lokus, Privé, Retirade, Abort oder einfach das „stille Örtchen“. Schon im 12. Jahrhundert vor Christus wurde im Totentempel „Medinet Habu“ des Pharao Ramses III. ein Plumpsklo eingebaut. Es ist heute noch gut erhalten. Toilettenräumlichkeiten mit einer Spülung soll es auch schon im 3. Jahrtausend vor Christus bei den Sumerern gegeben haben. Im minoischen Palast von Knossos auf Kreta gab es sanitäre Räume, unter anderem Toiletten mit Wasserspülung.

Schon sehr hygienisch ging es bei den Römern zu. Zeugnis davon legen die teilweise noch sehr gut erhaltenen Latrinen ab, bei denen die Fäkalien durch fließendes Wasser entfernt wurden, insbesondere in öffentlichen Anlagen, in den Häusern der Reichen und in Landhäusern von Großgrundbesitzern. Im öffentlichen Bereich traf man sich damals in lockerer Runde, um beim Plausch ein „Geschäft zu machen“. Quasi ein Toiletten-Sitzkreis. Zur Reinigung wurde die Hand oder ein am Stock befestigtes Schwämmchen benutzt.

Für eine Burg sehr fortschrittlich und hygienebewusst

Bild: jörn buchheim - stock.adobe.com

Für eine Burg sehr fortschrittlich und hygienebewusst

Das Eck-WC im Mittelalter

Eine Rolle rückwärts gab es im Mittelalter, es wurde deutlich unhygienischer. Als Toilettenpapier fungierten Laub oder Tücher aus Leinwand. Die Notdurft wurde ins Töpfchen verrichtet und meistens einfach auf die Gasse oder in die offenen Kanäle gekippt. Derart entsorgte Geschäfte waren oft Ursache von Seuchen. In Burgen wurde in die Ecke gemacht oder der Erker missbraucht, um danach die Notdurft ins Freie zu leiten. Alternativ dazu gab es im Freien installierte Donnerbalken. Diese Möglichkeit der Notdurftverrichtung dürfte auch alten Pfadfindern ein Begriff sein.

Aus hygienischen Gründen war es nach dem Ende des Mittelalters nicht erwünscht, teilweise sogar bei Strafe verboten, seine Notdurft in den Großstädten auf der Straße, an Mauern, auf Treppen oder in Hinterhöfen zu verrichten. Das schuf Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts ein neues Berufsbild: den Abtritt- bzw. die Antrittanbieterin. Sie gingen, meist maskiert, durch die Straßen oder boten auf den Märkten ihre Dienste an. Als mobile Toilette fungierte ein mit einem Deckel versehener Eimer, der über den Schultern – mit Ketten und Joch verbunden – getragen wurde. Ein weiter Umhang schützte vor neugierigen Blicken bei der Notdurft. Wenn man so will, war diese Tätigkeit sogar der Vorläufer eines geschlossenen Stoffkreislaufs. Der gesammelte Urin wurde nicht immer als Abfall entsorgt, sondern fand in der Salpeterherstellung und in der Gerberei Verwendung. Abtrittanbieter konnten so neben dem geforderten „Honorar“ ein kleinen Zusatzlohn einstreichen. Mit dem Bau von öffentlichen Bedürfnisanstalten verschwand das Berufsbild.

Toll ging es zu in Zeiten des Sonnenkönigs Ludwigs XIV. im Schloss zu Versailles. Für die 2000 Zimmer gab es nur eine Toilette mit Deckel. Hemmungslos wurde das Geschäft in den Gängen und Zimmern verrichtet. Heerscharen an Bediensteten waren damit beschäftigt, die Hinterlassenschaften zu beseitigen. Unmengen an Parfüm und Puder übertünchten die Körpergerüche. Zu dieser Zeit wurde auch der Begriff Toilette geprägt. Er stammt aus der französischen Sprache, wo „toilette“ den Vorgang des Schminkens, Frisierens und Ankleidens der Hofdamen beschrieb.

Ein Klempner war’s

Schon 1596 wurde in Großbritannien die erste Toilette mit Wasserspülung von einem Dichter namens Sir John Harington entwickelt. Doch seine Idee setzte sich nicht durch. Mehr Erfolg hatte der schottische Erfinder Alexander Cummings. Er baute 1775 das erste Wasserklosett, inklusive eines Siphons zur Vermeidung von Geruchsbildung. Doch es dauerte 100 Jahre, bis das „gekrümmte Rohr“ tatsächlich zum serienmäßigen Einsatz kam. Zwei Jahre später erhielt Samuel Prosser ein Patent für ein Klosettbecken. Als tatsächlicher Erfinder des WCs gilt der englische Klempner Georg Jennings (1810–1882). Er stellte seine Lösung 1851 auf einer großen Ausstellung in London der breiten Bevölkerung vor.

Wo in Deutschland das erste WC mit Wasserspülung eingebaut wurde, darüber streiten sich die Gelehrten. Doch man weiß, dass in Schloss Ehrenburg (Coburg) schon 1860 eines installiert wurde. Da Queen Victoria dort öfter auf Besuch war, wurde eigens eine Toilette mit Wasserspülung aus England nach Deutschland transportiert und eingebaut. Chronisten gehen aber davon aus, dass schon 1820 im Schloss zu Homburg ein WC installiert wurde. Der Durchbruch in Deutschland gelang dem wasserführenden WC Ende des 19. Jahrhunderts in den Städten, als Wasseranschlüsse in den Häusern und vor allem eine Kanalisation üblich wurden. Auf dem Land sah es lange noch anders aus. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dort die Plumpsklos nach und nach ersetzt.

Bis in die 60er-Jahre waren Drückspüler, Aufputzspülkasten oder aufgesetzte Spülkästen auf die WC-Keramik Standard in Deutschland. Ältere Zeitgenossen werden sich auch noch an die unter der Decke installierten, offenen Spülkästen erinnern. Hoch oben, um die Spülkraft der Wassersäule auszunutzen. Ausgelöst wurde die Spülung über eine Kette, im ganzen Haus war der Spülvorgang zu hören. Mit der Vorstellung des ersten Unterputzkastens Anfang der 1960er-Jahre begann eine neue Zeitrechnung. Plötzlich verschwand der Spülkasten platzsparend in der Wand. Ein großer Schritt zur Verbesserung der Reinigungsfreundlichkeit und dazu eine Erleichterung für den Spülvorgang. Mit dem UP war auch die Basis für das
Dusch-WC geschaffen.

Bild: Geberit

Die Kunden konnten unter einer Vielzahl von Farben für „ihr“ Dusch-WC wählen. Heute überwiegt die Farbe Weiß.

Ein Schweizer hat’s erfunden

Oft sind es Tüftler, die Innovationen auf den Weg bringen. Ohne Zweifel gehört der Schweizer Hans Maurer dazu. Schon 1955 begann der damals 38-Jährige mit der Entwicklung seiner Lösung für ein Dusch-WC, das Bidet und Toilette vereinte. 1957 war sein automatisches Klosett – der Closomat – fertig entwickelt, Maurer meldete es zum Patent an. Erste Abnehmer waren Kliniken. Kurze Zeit später ging das Modell 61 in die Serienproduktion, 10 000 Stück wurden in 15 Jahren verkauft.

Erfolgreicher war das Dusch-WC in Japan. 1980 verließ das erste Dusch-WC auf asiatischem Boden die Fabrik. Zuerst produzierten die Asiaten fleißig Closomat-Kopien, doch schon nach kurzer Zeit entwickelten sie eigene Lösungen, ergänzt um weitere Funktionen. In Asien ist das Washlet sehr beliebt, seit über 30 Jahren ist es das Aushängeschild der japanischen
Firma Toto.

Auch der europäische Markt kam in Bewegung, Geberit erkannte schon früh das Potenzial des Dusch-WCs und arbeitete selbst an der technischen Umsetzung. Passend zum Ablauf des Closomat-Patents präsentierte Geberit 1977 dann die eigenen Varianten: das komplette Dusch-WC „Geberit-O-Mat“ und „Geberalle“, den ersten Dusch-WC-Aufsatz.

Ausgelöst durch technische Probleme und schärferen Wettbewerb musste Maurer 2007 Insolvenz anmelden. Doch der Closomat starb nicht, denn der Schweizer gründete zusammen mit einem britischen Lizenznehmer die Closemo AG, die sich kontinuierlich weiterentwickelte. Dank des Zusammenschlusses verfügt das Unternehmen aktuell über eine 40-jährige Erfahrung aus dem Pflegebereich. Dieses Wissen fließt in die Entwicklung neuer Modelle ein, sodass der Closomat inzwischen auf spezielle Bedürfnisse abgestimmt ist.

Die Dusch-WCs Geberit AquaClean – hier die Komplettanlage Tuma Comfort – halten in Kombination mit dem Sanitärmodul Monolith ohne großen Aufwand Einzug ins moderne Kundenbad. Wahrscheinlich könnte man diese Komplettanlage auch im Erker einer Burg installieren

Bild: Geberit

Die Dusch-WCs Geberit AquaClean – hier die Komplettanlage Tuma Comfort – halten in Kombination mit dem Sanitärmodul Monolith ohne großen Aufwand Einzug ins moderne Kundenbad. Wahrscheinlich könnte man diese Komplettanlage auch im Erker einer Burg installieren

Geberit übernahm sukzessive die Vorreiterrolle auf dem europäischen Markt mit neuen Dusch-WC-Modellen, bei denen Technik, Nachhaltigkeit und Design eine wichtige Rolle spielen. Mittlerweile teilen sich mehrere Hersteller den europäischen Markt, darunter Tece, Grohe, Duravit oder Villeroy & Boch. Die Kunden können unter einer Vielzahl von Modellen mit verschiedenen technischen Details zur Intimpflege auswählen. Dazu zählen Anal- oder Lady-Dusche, beheiztes Duschwasser oder Warmluftföhn. Wer will, bestellt sich ein Modell mit Sitzheizung. Selbstreinigende Duschdüsen sorgen für beste Hygieneeigenschaften. Doch auf den großen Durchbruch auf dem europäischen Markt wartet das Dusch-WC immer noch. In Japan verfügen ca. 80 % der Haushalte über ein Washlet. Selbst an öffentlichen Orten wie Bahnhöfen und Krankenhäusern gehören die modernen Toiletten zum Standard. In Westeuropa dagegen sind die Wasch-WCs in privaten Haushalten kaum verbreitet, eher in Luxushotels und
Reha-Kliniken.

Stilblüten des WCs heute

Fast jeder dürfte sie kennen, die mobilen Toilettenkabinen von Toi Toi & Dixi. Es gibt sie sogar in einer beheizbaren Ausführung für kalte Wintertage auf der Baustelle. Das ist kein Luxus, sondern glücklicherweise vorgeschrieben. Diese Vorschriften sind in den „Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR)“ konkretisiert. Für den Betrieb von Sanitärräumen und Waschgelegenheiten für Arbeitsstätten gelten besondere Regelungen. Darüber hinaus gibt es für Baustellen nochmals spezielle und ergänzende Bestimmungen.

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