Die Bedarfs- und Leistungskennzahl
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Natürlich kann Geiz geil sein und natürlich kann es Spaß machen über die eigenen Verhältnisse zu leben. Im Umgang mit seinen Mitmenschen ist ein ausgewogenes Maß aber oft die beste Wahl.
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So erklärt es sich auch, warum bereits seit 1994 ein solches ausgewogenes Maß zur Dimensionierung von zentralen Trinkwassererwärmern existiert, die DIN 4708 [1]. Hier kann einerseits während der Planung von solchen - umgangssprachlich auch als Boilern bezeichneten - Behältern nachgesehen werden. Und kommt es mal zum Streit, dann weiß man ebenso, wie es hätte sein sollen.
Warum Ausgewogen?
Ist es nur die Regelwut der Deutschen oder steckt hinter einer solchen Norm auch ein echter Nutzen für den Verbraucher? Nach kurzer Denkpause fallen einem schon einige Gründe ein, warum der Warmwasserspeicher weder zu klein und noch zu groß ausfallen sollte. Zu kleine Speicher führen sehr schnell zu deutlichen Komforteinbußen für die Nutzer. Wäre ein Zehnfamilienhaus mit einem 120-Liter-Speicher und einem 20-kW-Heizkessel ausgestattet, müssten die Nutzer ständig lange Wartezeiten akzeptieren, nachdem morgens die ersten Duscher mit der Morgentoilette fertig sind. Zu groß hieße in dem gleichen Haus mit zehn Familien, dass ein Speicher mit 2500 Liter Inhalt installiert wäre. Dessen Umsatz an frischem Wasser würde wahrscheinlich doch bedenklich klein bleiben; und damit wäre das Lebensmittel Wasser der Gefahr einer erheblichen Verkeimung ausgesetzt. Abgesehen von dem Hygieneproblem wäre dann noch der hohe Preis des Warmwasserspeichers für den Bauherrn nachteilig. Also sind
- Komfort,
- Hygiene,
und
- Wirtschaftlichkeit
gefragt bei der Auslegung zentraler Wassererwärmungsanlagen.
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Das Einheitsdenken
Um diese Probleme zu erschlagen wurde der Bezug hergestellt zu einer Einheitswohnung. Die Versorgung einer solchen durchschnittlichen Einheitswohnung wurde mit der Bedarfskennzahl „eins“ angenommen und beschreibt das Verhalten der Bewohner einer Vierzimmerwohnung und drei bis vier Bewohnern. Rechnerisch sind es 3,5 Bewohner... nur ist bis heute nicht bekannt, welches halbe Menschlein sich für diese Statistik geopfert hat. Man vermutet übrigens die zweite Hälfte der ominösen Person in einer der anderen Wohnungen. Wie grausam. Diese 3,5 Personen der Einheitswohnung legen ein Entnahmeverhalten an den Einheitstag und nutzen dabei jeder ein Einheitsbad. Das ergibt rein rechnerisch eine Energiemenge die sich für diese Einheitsnutzung ergibt aus:
Q = Energiemenge (Wh)
m = zu erwärmende Masse (kg)
c = spezifische Wärmekapazität (Wh/(kgK))
∆ = Temperaturdifferenz in (K)
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Eingesetzt für ein Bad in 140 Liter Wasser von 45 °C ergibt sich dann bei einer Aufheizung von rund 10 °C kaltem Wasser:
m = 140 kg
c = 1,163 Wh/(kgK)
∆ = (45 °C – 10 °C) = 35 K
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Die DIN 4708 machte interessanterweise 5820 Wh daraus, nach Einschätzung der Redaktion ein verzeihbarer Fehler des Normenausschusses. Wenn dann 3,5 Leute dieses Normbad nehmen, entspricht dies einer Energiemenge von 20370 Wh (hier wird der falsche Wert der Norm, also 5820 Wh, nochmals verwendet). Dieser Energiebedarf für 3,5 Bäder sollte innerhalb einer gewissen Zeit entnommen werden können und entspricht dann der Bedarfskennzahl „eins“ als Ziffer „1“. Das Kürzel für die Bedarfskennzahl ist „N“. Würde man nun ins Regal schauen und einen Speicher finden mit der Leistungskennzahl (Kürzel NL) von mindestens eins, könnte man diese Einheitswohnung damit versorgen.
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Die Bezüge anpassen
Jetzt die Anzahl der Einheitswohnungen auf den gewünschten Wert der Wohnungsanzahl zu beziehen, wäre natürlich zu einfach. Die Norm sagt nur, dass diese Konstellation der Bedarfskennzahl von 1 entspricht und man mindestens diesen Wert als Leistungskennzahl der Trinkwassererwärmung erreichen soll, um zufrieden stellende Ergebnisse in der Warmwasserversorgung zu erzielen. Sind die Ausstattungen der Bäder üppiger bezüglich des Verbrauchs, kann auch dies berücksichtigt werden. Letztlich wird all das, was in die Betrachtung der Versorgung einbezogen werden soll, zum Schluss wiederum bezogen auf die soeben erwähnte Einheitswohnung. Dies gilt sowohl für eine abweichende Personenzahl (größer oder kleiner 3,5 Personen) als auch für andere Warmwasserentnahmestellen (mehr oder weniger als 140 Liter mit 45 °C). Tabellen geben zu beiden Einflüssen jeweilige Orientierungshilfen. Weiß man nicht wie viel Personen einer Wohnung wohl zugeordnet werden sollten, gibt’s tabellarische Hinweise. Ebenso holt man sich Anregungen, welche Entnahmestellen (in der Norm auch als „Zapfstellen“ bezeichnet; solche gibt es eigentlich nur an der Tanke oder in der Kneipe) mit welcher Entnahmeleistung innerhalb einer Wohnung zu berücksichtigen sind. Braucht man diese Anregungen nicht, oder hat man deutlich bessere Daten, (also quasi Fakten, vom Bauherrn erfahren) nutzt man natürlich diese. Packt man die zu erwartenden Entnahmestellen entsprechend mit den Personen zusammen, ergibt sich das Bild der zu versorgenden Wohnung als Bedarfskennzahl und damit der anzustrebenden NL-Zahl des Warmwasserbereiters. Dabei wird, wie so oft bei den technischen Anlagen, nicht angenommen, dass sämtliche vorhandenen Entnahmestellen auch gleichzeitig Warmwasser liefern. In der Einheitswohnung bleiben beispielsweise Waschtisch und Küchenspüle unberücksichtigt. Ihre gleichzeitige Nutzung während des Befüllens der Badewanne würde den Durchsatz an Warmwasser drastisch erhöhen und damit die Anforderung an den auszulegenden Trinkwassererwärmer erhöhen. Die Erfahrungen haben aber gezeigt, dass Leute, die in der Wanne sitzen, nicht gleichzeitig die Zähne putzen und dabei das Geschirr spülen. Die Erfahrungen zeigen auch, dass mit der Auslegung nach DIN 4708 bereits Reserven im realen Betrieb vorliegen.
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Dicke Speicher oder hohe Leistung?
Die Leistungskennzahl „NL“ kann nicht alleine durch zum Beispiel die gespeicherte Trinkwassermenge errechnet werden. Nicht jeder 200-Liter-Speicher hat also eine NL-Zahl von 4,0. Denn abhängig vom Volumen kann ja auch noch die Leistung der Nachheizung über weite Strecken des Verbrauchs die Heißwasserreserven in die Länge ziehen. Da können 300 Liter durchaus schlechter abschneiden als 200 Liter, nur weil die Leistung zur Nachheizung beim 300-Liter-Speicher vielleicht geringer ist. Und die Leistung der Nachheizung hängt nicht alleine von dem montierten Wärmeerzeuger, meistens also einem Kessel ab, sondern auch von der Übertragungsleistung des Wärmetauschers. Denn was würde es helfen, wenn der Kessel mit brachialen 100 kW Leistung feuert, der Tauscher aber nur 20 kW vom Heizungswasser an das Trinkwasser übertragen kann? Hier sind natürlich sehr große Qualitätsunterschiede der Speicherhersteller auf dem Markt zu finden. Und meistens hat das Gute dann auch seinen Preis. Die NL-Zahl kann sogar mit der Anordnung des Messfühlers für die Speichertemperatur variieren. Denn je früher die Nachheizung des Wärmeerzeugers eingeleitet wird, desto länger kann warm entnommen werden. Einen Fühler im unteren Drittel des Standspeichers zu befestigen, lässt den Kessel also früher nachheizen, als wäre der gleiche Fühler auf halber Höhe installiert.
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Ein Beispiel bringt Durchblick
Ein größeres Mehrfamilienwohnhaus mit drei Typen Wohnungen soll versorgt werden:
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Typ 1:
10 Wohnungen à 2 Zimmer mit je
– 1 Brausekabine mit Normalbrause
– 1 Waschtisch
– 1 Spüle
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Typ 2:
2 Wohnungen à 4 Zimmer mit je
– 1 Normalbadewanne
– 1 Waschtisch
– 1 Spüle
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Typ 3:
3 Wohnungen à 5 Zimmer mit je
– 1 Normalbadewanne
– 1 Waschtisch
– 1 Spüle
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Die Zeile zur Berücksichtigung der Wohnungen vom Typ 1 sei hier als Beispiel beschrieben. Aus der Anzahl der Zimmer (hier 2 in Spalte 2) lässt sich gemäß Bild 2 ablesen (bitte Einschränkung (1) unter der Tabelle in Bild 1 beachten), dass eine Belegungszahl von 2,5 Personen (in Spalte 4) angenommen werden kann. Von den drei angegebenen Entnahmestellen („Zapfstellen“) für Wohnungstyp 1 wird gemäß Bild 2 nur die Normalbrause (NB) berücksichtigt. Daher beträgt der „Zapfstellenbedarf“ (Spalte 8) 5820 Wh (Bild 4). Zehn Wohnungen multipliziert mit jeweils 2,5 Bewohnern multipliziert mit dem geforderten Zapfstellenbedarf; das ergibt den Wert für Spalte 10, also 145500 Wh.
Die beiden anderen Wohnungstypen werden entsprechend (hier aus Platzgründen nicht geschehen) berücksichtigt.
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Laut Formblatt ergibt sich daher eine Bedarfskennzahl von 12,8. Entsprechende Listen der Hersteller ermöglichen auf dieser Grundlage eine norm- und bedarfsgerechte Auswahl. Für dieses Beispiel liest man aus der zur Verfügung stehenden Liste zwei mögliche Kandidaten heraus. Entweder man greift zum schlanken 300-Liter-Speicher und akzeptiert eine Nachheizung mit 90 °C an Heizwasser-Vorlauftemperatur. Oder man greift zum 500-Liter-Speicher und benötigt nur noch 70 °C Heizwasser-Vorlauftemperatur. Um einer frühzeitigen Verkalkung des Wärmetauschers vorzubeugen, wird der 500-Liter-Speicher wahrscheinlich die bessere Alternative darstellen. Aber das Kalkproblem ist wiederum ein anderes Thema.