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Was um Himmelswillen ist denn eine "Gradtagszahl"

Ein kühles Jahr?

Die ersten beiden Monate des Jahres 2012 waren sicherlich sehr kalt. Jedenfalls, was die tiefsten Temperaturen angeht. Aber wie sieht es im Vergleich zum Vorjahr aus. War es vielleicht noch kühler, oder tendierte es zu höheren Außentemperaturen? Und wie sieht es im Mittel aus? Waren die letzten Jahre eher kühler oder wärmer? Angaben hierüber geben die Gradtagszahlen.

Objektiv kalt, oder nur ein Gefühl? Wer weiß das schon?
(Bild: thinkstock)
Objektiv kalt, oder nur ein Gefühl? Wer weiß das schon? (Bild: thinkstock)

Die Angaben über die Gradtagszahlen (GTZ) stellen dann nicht etwa einen Beweis für die globale Erwärmung dar. Vielmehr dienen sie beispielsweise zur Überprüfung von Heizkostenabrechnungen. Oder sie zeigen auf, ob eine energetische Sanierungsmaßnahme tatsächlich den gewünschten Erfolg erzielen konnte. Denn es könnte ja sein, dass ein neuer, hocheffizienter Heizkessel montiert wurde und der Verbrauch im Folgejahr sich trotzdem erhöht. Dann steht man als Handwerksbetrieb dumm da. Wie soll man das erklären? Die rein subjektive Wahrnehmung, „Das war aber auch ein besonders kaltes Jahr“, hilft wenig. Darum geht es in diesem Bericht. Die Zusammenhänge werden erläutert und Gradtagszahlen werden anhand von Beispielen eingesetzt.

Grundlage zur Heizlast

Zuerst einmal sollte der Zusammenhang zwischen dem Verhältnis von Außen- und Innentemperatur und der daraus resultierenden Heizlast erkannt werden. Dabei soll folgendes Gebäude als Modell dienen: Die Normaußentemperatur für den Ort liegt bei minus 10 °C. Sämtliche Räume des Hauses werden auf 20 °C ausgelegt. Die Heizlast betrage dann genau 7.500 Watt.

Im Gedankenmodell kann man davon ausgehen, das bei wärmeren Außentemperaturen als minus 10 °C das Gebäude eine geringere Heizlast aufweisen wird als 7.500 Watt. Rein rechnerisch beträgt die Heizlast nur bei 30 Kelvin Temperaturdifferenz, also der Raumtemperatur von 20 °C minus der Außentemperatur von minus 10 °C genau 7.500 Watt. Beispielsweise bei 0 °C Außentemperatur beträgt die Differenz zwischen drinnen und draußen nur noch 20 Kelvin. Rechnet man dann kurz die Verhältnisse aus, dann ergibt sich 20/30 multipliziert mit 7.500 Watt gleich 5.000 Watt Heizlast. Und bei 10 °C Außentemperatur ergibt sich nur noch eine Heizlast von 10/30 multipliziert mit 7.500 Watt gleich 2.500 Watt. Ohne Temperaturdifferenz, also bei einer Außentemperatur von 20 °C ist die Heizlast gleich Null Watt. Die aktuelle Heizlast hängt also wesentlich davon ab wie groß die Temperaturdifferenz zwischend drinnen und draußen ist. Und Zeiträume mit sehr tiefen Außentemperaturen schlagen beim Jahresenergieverbrauch stärker zu Buche als warme Tage. Soweit klar.

Damit sich diese prognostizierten Einsparungen auch am Gaszähler zeigen, 
müsste man klimabereinigt prüfen
(Bild: Buderus)
Damit sich diese prognostizierten Einsparungen auch am Gaszähler zeigen, müsste man klimabereinigt prüfen (Bild: Buderus)

Ansatz der GTZ

Um die GTZ zu ermitteln, ging man noch einen Schritt weiter. Man unterstellte einfach, dass die Beheizung eines Gebäudes erst ab einer Heizgrenztemperatur erfolgen wird. Diese wurde mit 15 °C angenommen. Man geht also davon aus, dass sich ab Außentemperaturen von 15 °C der Heizkessel nicht mehr zur Beheizung einschaltet. Im eben genannten Beispiel wäre die Heizlast auf 1250 Watt geschrumpft, für das ganze Wohnhaus wohlgemerkt. Da kann es schon ausreichen, wenn die Sonne ins Haus strahlt und so, einen Raum erwärmt. Mit diesem Ansatz erstellt man dann einen Kalender mit zugeordneten Differenztemperaturen als Mittelwert.

Beispiel für einen Monat April:

Datum

Tagesmittel-temperatur in °C

resultierende GTZ in Kd

1.4

6,6 13,4
2.4 9,5 10,5
3.4 12,3 7,7
4.4 8,0 12,0
5.4 6,9

13,1

6.4 7,2 12,8
7.4 7,2 12,8
8.4 7,5 12,5
9.4 7,9 12,1
10.4 8,0 12,0
11.4 8,5 11,5
12.4 9,0 11,0
13.4 9,5 10,5
14.4 10,0 10,0
15.4 9,5 10,5
16.4 11,3 8,7
17.4 14,1 5,9
18.4 14,2 5,8
19.4 13,7 6,3
20.4 14,2 5,8
21.4 14,5 5,5
22.4 14,8 5,2
23.4 13,2 6,8
24.4 16,5 0,0
25.4 11,0 9,0
26.4 14,4 5,6
27.4 19,2 0,0
28.4 20,2 0,0
29.4 21,2 0,0
30.4 19,6 0,0
April gesamt

237,0

Die GTZ beträgt für diesen Monat also 237,0. Und obwohl beispielsweise am 24.4. eine Differenztemperatur von 3,5 (20 minus 16,5) rein rechnerisch nachzuweisen ist, wird dieser nicht mit aufgenommen, da ja die Heizgrenztemperatur von 15 °C an diesem Tage im Durchschnitt überschritten wurde.

Winzige, logische Formel

Um den Heizenergieverbrauch abzuschätzen, werden die Gradtagszahlen der jeweiligen Jahre ins Verhältnis gesetzt und mit dem bereits bekannten Wert für eine Jahr multipliziert.

HEVprognost. = der Heizenergieverbrauch innerhalb des Zeitraums für den die Prognose erstellt werden soll.

HEVbekannt = der Heizenergieverbrauch zu dem bereits ein Ergebnis vorliegt.

GTZprognost. = Gradtagszahl innerhalb des Zeitraums für den die Prognose erstellt werden soll.

GTZbekannt = Gradtagszahl innerhalb des Zeitraums mit bereits bekanntem Energieverbrauch.

Anwendungsbeispiel

Der Kunde hat akribisch seine Gasverbräuche über die Jahre notiert. Im Keller stand bisher ein einfacher atmosphärischer Gaskessel. Eine modulierende Brennwertanlage wurde neu installiert. An seinem Heizverhalten seit der Neuinstallation hat der Kunde nach eigener Überzeugung nichts verändert. Im Jahr 2009, vor der Neuinstallation der Anlage, verbrannte er 1.000 Kubikmeter Gas. Am Ende des Jahres 2010 hatte er gerade mal 20 m³ weniger, also 980 Kubikmeter verbraucht. Er wandte sich erbost an den Anlagenersteller. Hat er denn nicht recht mit seinem Zorn?

Die Abschätzung mittels Gradtagszahl konnte klären, wie der Verbrauch angestiegen wäre, hätte er nicht auf die Neuanlage gesetzt. Für das Jahr 2009 konnte eine Gradtagszahl von 3989 K/d ermittelt werden und für das Jahr 2010 eine Gradtagszahl von 4530 K/d. Der Mehrverbrauch wäre klimabereinigt auf einen größeren Wert angestiegen.

Gegeben:

HEVbekannt = 1000 m³

GTZprognost. = 4530 Kd

GTZbekannt = 3989 Kd

und eingesetzt

Mit der Altanlage hätte er voraussichtlich 1136 Kubikmeter Gas verbraucht. Setzt man nun den tatsächlichen Verbrauch (980 m³) zum theoretischen Verbrauch (113 m³) ins Verhältnis, so ergibt sich eine Einsparung trotz der absolut nur sehr geringen Verringerung des Gasverbrauchs von 20 m³ also 2 Prozent.

Die Einsparung betrug also effektiv 14 Prozent und ist damit als Erfolg verbuchbar. Und da die Zahlen neutral ermittelt werden kann der Kunde dies auch beruhigt glauben. Der bloße Hinweis des Heizungsbauers auf ein kaltes Jahr 2011 hätte sicherlich nicht den gewünschten Eindruck hinterlassen.

Kostenlose Übersichten unter Excel geben Auskunft über zurückliegende GTZ
(Bild: IWU)
Kostenlose Übersichten unter Excel geben Auskunft über zurückliegende GTZ (Bild: IWU)

Weitere schlaue Schlüsse

Da die GTZ monatlich zusammengefasst und aufgestellt werden, kann anhand der Daten auch der wahrscheinliche Verbrauch des jeweiligen Monats ermittelt werden.

Gradtagzahl
Monat [Kd]
Januar 2011 595
Februar 2011 501
März 2011 457
April 2011 237
Mai 2011 178
Juni 2011 123
Juli 2011 152
August 2011 71
September 2011 117
Oktober 2011 314
November 2011 409
Dezember 2011 523
Jahr 3677

Wenn also die Heizkosten eines Wohnhauses bei 1000 Euro pro Jahr liegen, so kann man anhand der Monatsdaten zur Gradtagszahl die jeweiligen Anteile errechnen. Hierzu wendet man einfach den berühmten Dreisatz an.

Beispiel:

Welcher Anteil der Heizkosten fällt auf den Monat Dezember, wenn die Jahresrechnung 1.000 Euro beträgt?

GTZ für das gesamte Jahr = 3677 Kd

GTZ für Dezember =523 Kd

Dreisatz:

Man kann die Gradtagszahl sicherlich noch für viele Bereiche heranziehen in denen Energieverbräuche ins Verhältnis zu den jeweiligen Wetterdaten gesetzt werden. Das ist nicht nur aufschlussreich, sondern kann handfeste Streitereien verhindern. Man sollte aber auch bedenken, dass die GTZ nur die Temperaturverhältnisse berücksichtigt. Sturmesbrausen als weiterer möglicher Faktor beim Heizenergieverbrauch fließt beispielsweise nicht mit ein. Und das Heizverhalten der Bewohner kann sich natürlich auch verändern. Einen aussagefähigen Trend kann mittels GTZ aber auf jeden Fall aufgezeigt werden.

Hat sich der Kesseltausch „Alt gegen Neu“ gelohnt?
(Bild: Viessmann)
Hat sich der Kesseltausch „Alt gegen Neu“ gelohnt? (Bild: Viessmann)

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