Wenn der „Anschiss“ nützen soll
Es läuft ja bekanntlich nicht immer alles glatt. Mal kann man echt nichts dafür, dass etwas schief läuft. Manchmal aber eben doch. Da hat man einen Kunden angemeckert und der hat sich beim Chef beschwert. Oder man ist morgens nicht aus dem Bett gekommen und steht im Betrieb zu spät auf der Matte. Irgendwie klar, dass der Meister dann eine Ansage machen muss. Aber auch das Meckern will gelernt sein.
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Schließlich reagiert jeder anders auf Kritik. Dem einen versaut es schon den ganzen Tag, wenn der Boss in nur mal schräg von der Seite anschaut. Der andere wiederum hat wahrlich ein dickes Fell und lässt sich durch solche oder auch durch deutlichere Gesten nicht aus der Fassung bringen. Hier muss der Kritisierende schon genau einschätzen, wie krass die Ansage ausfallen muss, damit sie die gewünschte Wirkung hat. Hinzu kommt, dass auch der Zeitpunkt für Kritik passen muss. Ein Chef, der seinen Mitarbeiter am Freitag zusammenfaltet, ist kein guter Stratege. Denn mit so einem Wochenendauftakt ist der Wochenabschluss versaut. Und der Empfänger des Rüffels muss nun ein Wochenende lang damit herumlaufen. Gut - der eine steckt das locker weg. Ein anderer steigert sich wohlmöglich erst so richtig rein und hat am Montag dann einen „richtig dicken Hals“ oder macht aus Frust sogar blau.
Daran erkennt man professionelle Kritik
Kommt es so weit, dann ist der Anschiss nach hinten losgegangen. Denn eigentlich wollte man ja erreichen, dass ein Fehler, der - aus welchem Grunde auch immer - passiert ist, sich möglichst nicht wiederholt. Und das im Interesse des Unternehmens, an dem ja Chef und Mitarbeiter gleichermaßen gelegen sein sollte. Ziel eines Kritikgespräches darf es folglich niemals sein, Aggressionen abbauen zu wollten. Ein Chef der mit dem Gefühl im Bauch à la „na lass die Monteure gleich auf den Hof kommen - die werden was erleben“, die Sache angeht, wird sich möglicher Weise ziemlich aufregen, aber ganz sicher nicht wirklich dabei etwas erreichen. Ein Kritikgespräch erfordert folglich eine gewisse Distanz. Daher ist es oft besser, einen Fehler unkommentiert im Raum stehen zu lassen, die Situation zu überschlafen und erst dann ein klärendes Gespräch zu suchen. Im Gespräch zeigt sich dann, ob der Chef die Kunst des Kritisierens beherrscht.
Merkmal Nummer 1: Man kommt als Monteur zu Wort
Wer etwas im Bereich der Mitarbeiterführung drauf hat, wird zunächst einmal sachlich den Grund für die Kritik darstellen. Dann wird er dem Monteur Gelegenheit geben, zu dem Problem aus eigener Sicht Stellung zu nehmen. Doch Vorsicht: Wer so professionell und offensiv in das Gespräch einsteigt, der erkennt Ausreden oder auch Versuche, den „schwarzen Peter“ anderen zuschustern zu wollen, sehr schnell. Hat man also tatsächlich selbst etwas verbockt, ist es an dieser Stelle immer besser, den Fehler einzuräumen. Das setzt natürlich voraus, dass der Chef bereits weiß, was Sache ist und nicht bloß auf Grund von Vermutungen oder sogar Gerüchten kritisiert. Denn damit würde er sich selbst in eine schlechte Ausgangslage für eine Diskussion dirigieren. Ist aber tatsächlich ein anderer Kollege an dem Problem Schuld und der Boss hat den Falschen am Wickel, scheint ein offenes Wort auf den ersten Blick richtig – kommt aber ganz schlecht an. Denn aus Sicht des Chefs sieht es vor allem aus, als wolle man einen anderen ans Messer liefern, um sich selbst zu schützen. Hinzu kommt, dass man einen Kollegen in die Pfanne gehauen hat. Und das trägt zum guten Klima unter Kollegen nicht besonders bei. In einer solchen Situation muss man den Chef dazu bringen, dass er selbst erkennt, wer der Verursacher des Problems ist. Das kann klappen, indem man mit Fragen die richtige Denke in das Gespräch bringt. Das kann zum Beispiel so aussehen: „Chef, Sie sagten doch, dass gleich zu Arbeitsbeginn der Fehler passiert sein muss. Ich war doch an dem Morgen erst noch zum Großhändler gefahren, um die fehlenden Sachen zu besorgen.“
Merkmal Nummer 2: Der Boss wird nie persönlich
Kritisieren darf ein Profi nur die Sache und die Leistung des Mitarbeiters, nicht seine Person. Das hört sich einfacher an als es ist. Im Gespräch sind es die einzelnen Worte, die eine Kritik sachlich oder persönlich machen. Die Formulierung „von Ihnen bin ich enttäuscht“ kann sachlich gemeint sein, sie hört sich jedoch für den Betroffenen sehr persönlich an. Auch so Aussagen wie „wenn ich Ihren Haarschnitt sehe, dann hätte ich mir schon denken sollen, dass Sie der Aufgabe nicht gewachsen sind“, verbinden sehr private und persönlich Dinge mit einer berufsbezogenen Kritik. Bei solchen Sprüchen verliert der Mitarbeiter ein Stück Selbstwertgefühl. Chefs werden oft unbewusst persönlich in ihren Formulierungen. Das passiert schnell wegen der angespannten Atmosphäre und weil man sich über die schlechte Leistung ärgert. Im Ärger sagt man schnell etwas Unkontrolliertes. Eine falsche Formulierung ist z. B. „Sie sind aber langsam heute“. Richtig ist dagegen: „Diese Arbeit hat aber verhältnismäßig viel Zeit gebraucht.“ Das ist sachbezogene Beurteilung.
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Merkmal Nummer 3: Das Management ist fehlerfreudig
Natürlich freut sich die Geschäftsführung nicht über jeden Fehler, der im Betrieb gemacht wird. Spricht man von einem fehlerfreudigen Management ist gemeint, dass die Monteure wissen, dass ihnen nicht gleich „der Kopf abgerissen wird“, wenn mal Mist passiert ist. Und das ist wichtig – sonst führt der „Selbstschutz“ zu verärgerten Kunden. Ein Beispiel hierfür ist der Monteur, der im Hause des Kunden die noch aus der Wand ragenden Reste der alten, abgeschnittenen Radiatorenbefestigungen mit dem Vorschlaghammer in die Wand treiben wollte – was ihm sogar gelang. Leider hatte er durch sein Tun die Haken so weit in die Außenwand getrieben, dass draußen der Putz von der Wand gefallen ist. Dem aufgeregten Kunden sagte er zu, der Chef würde sich sofort darum kümmern und den Schaden beheben lassen. Seinem Chef sagte er davon aber nichts. Schließlich hatte er ab der kommenden Woche drei Wochen Urlaub. Und wer will schon vor seinem Urlaub in Ungnade fallen? Und wenn es während des Urlaubs auffällt, dann ist man ja weit weg. Bis man dann später wieder im Betrieb ist, hat sich „der Alte“ ganz sicher schon wieder beruhigt. Was sich aus Sicht des Monteurs als eine logische Überlegung darstellt, kann dem Betrieb empfindlich schaden. Der Kunde geht ja davon aus, dass der Chef untätig bleibt, um sich vor der Regulierung des Schadens zu drücken. Hätte der Monteur in diesem Fall gewusst, dass ihn der Boss für seine Tat trotz allem nicht auffrisst, dann wäre das eine Basis, die es leichter macht, mit der Wahrheit herauszurücken. Und ein Problem kann schneller beseitigt werden.
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Merkmal Nummer 4: Der Chef kritisiert immer nur unter vier Augen
Jemanden vor anderen zu kritisieren, zeigt schlechten Führungsstil und ist für das Arbeitsklima sehr schädlich. Kritik an einer Person vor Kollegen kann dazu führen, dass die Gruppe spontan für den Kritisierten Partei ergreift. Es kann aber auch sein, dass sich die lieben Kollegen den Rüffel in der Rolle der Zuschauer genüsslich ansehen. Man weiß ja, dass die Schadenfreude die wohl ehrlichste Form des Mitgefühls ist. Dann ist der Empfänger der Kritik nicht selten in der Situation, dem Boss Paroli bieten zu müssen, um vor den Kollegen nicht als Waschlappen dazustehen. Eine sehr unangenehme und in jedem Fall vermeidbare Situation. Wer was von Mitarbeiterführung drauf hat, der sorgt dafür, dass Kritik immer im kleinen Kreis geübt wird - und schon gar nicht vor Kunden.
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Merkmal Nummer 5: Alte Fehler werden nicht aufgewärmt
Manche Meister wärmen alte Geschichten auf: „Das ist doch der gleiche Mist, den Sie im vergangenen Jahr auf der Baustelle in Hattersheim verzapft haben!“. Diese Behauptung des Vorgesetzten ist ein Stich in eine alte verheilte Wunde. Vergangene Fehler dürfen nicht „aufgewärmt“ werden. Vielen ist es sehr peinlich, wenn sie etwas falsch gemacht haben und dem Betrieb dadurch einen Schaden verursachen. Es gibt auch Mitarbeiter, die einen Fehler offen zugeben und ihn bedauern. Es ist immer besser, wenn der Mitarbeiter das tut und nicht wartet bis der Chef die Panne feststellt und ihn dann kritisiert.
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Profis kritisieren immer konstruktiv
Ein Kritikgespräch sollte immer damit enden, dass Maßnahmen vereinbart werden. Die Kritik ist konstruktiv, wenn diese vom Kritisierten als berechtigt empfunden und akzeptiert wird. Die Äußerung „Das darf nicht mehr passieren – sehen Sie mal zu, wie Sie klarkommen“, genügt nicht. Die Frage muss lauten: „Was ist zu tun, damit der Fehler nicht wieder vorkommt?“ An der Antwort auf diese Frage sollten der Meister und der kritisierte Monteur gemeinsam arbeiten. Sind Wege gefunden, achtet der Meister darauf, ob der Monteur diese auch verfolgt und spart nicht mit Lob, wenn das dann gut von ihm umgesetzt wird.
Auf diese Weise führt sogar eine Kritik am Ende zu einem echten Erfolgserlebnis für den Monteur. Und der Betrieb hat dank des ausgemerzten Fehlers einen reibungsloseren Arbeitsablauf zu verzeichnen. Wer es also schafft, eine Kritik emotionslos zu versachlichen, der vermeidet einen „dicken Hals“ bei seinem Mitarbeiter und gewinnt für den Betrieb am meisten.
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von Rolf Leicher