Wie funktioniert eigentlich die Anpassung einer Heizkurve?
Zurück in die Boxengasse kommt der Formel-1-Bolide. Der Fahrer gibt kurz Zeichen und faselt etwas in sein Head-Set. Die Monteure fuchteln an dem Sportwagen herum und geben nacheinander das Zeichen zur Freigabe.
Mit optimierten Einstellungen donnert der Pilot zurück auf die Strecke und erreicht neue Bestzeit. Zwar haben die Entwickler des Fahrzeuges bereits in der Planung an vieles gedacht. Und auch die Vorbereitung auf die aktuelle Rennstrecke erfolgte penibel und genau. Aber eine Feinabstimmung erfolgt dann doch noch durch die gesamte Crew und während des praktischen Einsatzes. Eine Analogie die auf Heizungssysteme übertragbar ist? Nicht ganz, die Heizungskisten haben selten einen Spoiler der für den notwendigen Abtrieb sorgt. Aber sonst...
Optimierungsbedarf?
Von Seiten des Herstellers eines Wärmeerzeugers (WE) kann man natürlich verlangen, dass dieser die Bereitstellung von Wärme auf höchstem Niveau bewerkstelligt. Aber wann und in welchem Umfang, bleibt dem WE völlig verborgen, wenn es ihm nicht ausdrücklich mitgeteilt wird. Dafür sorgt natürlich die Steuer- und Regelungstechnik. Zum Beispiel kann die Nachtabsenkung aktiv vom Nutzer vorgegeben werden, gewissermaßen als erster Einsatz in der Boxengasse. Eine weitreichende weitere Einstellung ist die Anpassung der Vorlauftemperatur an den Bedarf des Gebäudes. Der Zusammenhang ist recht einfach darzustellen. Auch wenn beispielsweise ein Brennwertkessel sehr leicht eine Vorlauftemperatur von 70 °C erreichen könnte, wird diese Temperatur ja nicht übers gesamte Jahr benötigt. An einem lauen Herbsttag sollte dann zwar geheizt werden, aber es reichen vielleicht 35 °C für die Heizkörper. Bei dieser Temperatur läuft der Kessel sehr effizient und deutlich wirtschaftlicher als bei den möglichen 70 °C. Die Erkenntnisse über Vor- und Rücklauftemperatur können bei einem Neubau durch die entsprechende Auslegung recht gut vorausgesagt werden. Bei einem Altbau und nach vielfachen Renovierungen bleiben die Ausgangspunkte im Nebel. Fazit ist meistens, dass der letzte in der Boxengasse auf "Nummer Sicher" geht. Und so fristen diese Anlagen ein klägliches Dasein. Ständig juckeln sie bei zu hohen Vorlauftemperaturen und damit ineffizient vor sich hin. Auch die Verteilungsverluste im Hause sind dadurch unnötig hoch. Eine Rohrleitung mit einer Oberflächentemperatur von 70 °C gibt mehr Wärme ab als bei einer Temperatur von 35 °C. Und hier kommt der Optimierungsansatz.
Beobachten und notieren
Während einer Testphase in der Heizzeit werden von den Heizkörpern in den Daueraufenthaltsräumen die Thermostatventile komplett geöffnet oder sogar demontiert. Dadurch wird also gewährleistet, dass das Heizwasser vom WE ungehindert durch diese Heizkörper fließt. Diese Räume sind meistens das Wohn- und Esszimmer. Der WE schickt dann also mit der aktuellen Einstellung der Heizkurve vorgesehene Vorlauftemperaturen in diese Stellvertreterräume. Diese Räume sind nämlich Stellvertreter für die restlichen Räume des Hauses nach dem Motto: Wenn die passend warm werden, klappt es bei den anderen Räumen auch. Notiert man nun in sinnvollen Zeitabständen die Raum- Vorlauf- und Außentemperatur, bekommt man die ersten Erfahrungswerte.
Auswerten der Messdaten
Zum Beispiel könnte festgestellt werden, dass der Raum sich bei 12 °C Außentemperatur und einer Vorlauftemperatur 55 °C auf über 25 °C erwärmt. Die Heizkurve sieht also eine zu hohe Vorlauftemperatur vor. Durch eine Anpassung senkt man die Heizkurve. Die nächste Messung zeigt vielleicht eine Unterversorgung. Außen: 12 °C, Vorlauf: 30 °, Raum: 18 °C. Man hat sich also dem Zielwert von 20 °C für die Raumtemperatur genähert liegt aber unter den Anforderungen. Eine winzige Anhebung im nächsten Optimierungszyklus zeigt dann Außen: 12 °C, Vorlauf: 33 °, Raum: 19 °C. Ein kleiner Tick noch nach oben und es dürfte optimal sein. Außen: 12 °C, Vorlauf: 34 °, Raum: 20 °C. Dies entspricht der Heizkurve 1,2. Die optimale Einstellung gilt dann natürlich nur für dieses Gebäude mit genau diesen Heizflächen und dem Renovierungsstandard der Fenster und Fassaden. Das Nachbarhaus mit älteren Fenstern und ohne Dämmung benötigt vielleicht eine steilere Kurve.