Auslegung von Heizkörpern
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Der Leistungstest des Heizkörpers im Labor ist die eine Sache. Wie der Heizkörper wirklich eingesetzt wird ist dann doch etwas anderes. Vorlauftemperatur, Rücklauftemperatur und Raumtemperatur weichen zum Teil erheblich von den Annahmen des Labors ab.
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Normen, Vorschriften, Anforderungen, Stand der Technik und was es sonst noch so gibt. Überall sind Hinweise versteckt wie etwas zu sein hat. Selbst der stinknormale Heizkörper unterliegt solchen Zwängen. Ist das ein Fluch oder eher ein Segen? Wenn man die Zusammenhänge verstanden hat, ist es jedenfalls kein Problem mehr. Und die Zusammenhänge sind zu einem Großteil logisch.
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Norm-Wärmeleistung
Wie wird also die Wärmeleistung eines Heizkörpers ermittelt? Hätte man selbst den Auftrag dies zu ermitteln, würde man mit Logik und gesundem Menschenverstand vorgehen und etwa so, wie hier beschrieben, beginnen. Die Einflüsse auf die Heizkörperleistung ergeben sich durch die Temperaturen mit denen dieser betrieben wird. Je heißer das Wasser in den Heizkörper hineinschießt, desto höher wird seine Leistung sein. Vor dem geistigen Auge wird der Heizkörper einmal mit 90 °C und dann alternativ mit 40 °C im Vorlauf bedient. Mit 90 °C ist seine Leistung natürlich höher als mit 40 °C.
Daraus folgt der 1. Ansatz der Überlegungen:
Festlegung einer Vorlauftemperatur
- hier und heute 75 °C
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Im nächsten Schritt wird das Wasser gedanklich sehr schnell durch den Heizkörper gepeitscht und dann alternativ nur sehr langsam. Erfahrungsgemäß wird es sich bei dem schnellen Durchlauf nicht so sehr abkühlen können, die Zeit reicht dafür nicht aus. Würde es nur langsam durch den Heizkörper bewegt, wäre die Abkühlung deutlicher zu spüren. Da die Strömungsgeschwindigkeit nur schwer messbar ist, wird die Abkühlung insgesamt als Maß herangezogen. Also ein Thermometer an den Vorlauf, ein Thermometer an den Rücklauf. Daraus folgt der 2. Ansatz:
Festlegung einer Rücklauftemperatur
- hier und heute 65 °C
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Weitere Überlegungen zeigen deutlich, dass man die Raumtemperatur ebenfalls einbeziehen muss, um eine Leistung zu bestimmen. Ein Raum von 15 °C lässt sich leichter erwärmen als ein gleich großer Raum mit 25 °C. Weitergesponnen kommt man zu der Erkenntnis: Je weiter die Temperatur des zu beheizenden Raumes ansteigt, desto geringer ist die Wärmeabgabe des Heizkörpers. Bis die Situation sogar kippen könnte. Eine Sauna mit einer Raumtemperatur von 90 °C würde durch den Versuchsheizkörper bei geplanten 75 °C im Vorlauf nicht mehr erwärmt, sondern gekühlt. Daraus folgt der 3. Ansatz:
Festlegung einer Raumtemperatur
- hier und heute 20 °C
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Der Heizkörper wird also im Versuchsaufbau so hergerichtet, dass dieser im Vorlauf eine Temperatur von 75 °C erhält, im Rücklauf von 65 °C und der Raum sollte bei 20 °C gehalten werden. Die Leistung, die der Heizkörper so abgibt, wird dann als Normleistung festgehalten. Klar ist, dass der Heizkörper nicht durch irgendwelche Gardinen oder ähnliches in seiner Wärmeabgabe eingeschränkt wird. Auch sollte keine Fensterbank den Wärmestrom nach oben behindern. Und von unten ist dieser Körper ebenfalls nicht in seiner Wärmeabgabe eingeschränkt. Auch sollte keine Chromschicht oder ein mattschwarzer Anstrich die Abstrahlung der Wärme beeinflussen. Frei vor die Wand wird er aufgestellt und farblich so, wie der Hersteller ihn verkaufen würde.
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Laborbedingung und dann?
Mit diesen Vorgaben, 75/65/20, werden die meisten Anlagenmechaniker keine Freude haben. Das Trio ist doch nicht realistisch für die unterschiedlichen Anforderungen der Praxis. Aber diese normierten Vorgaben gelten auch nur für den Testbetrieb. Die Praxis lässt dem Anlagenmechaniker durchaus die Wahl. Letztlich wird der Einsatz eines Niedertemperaturkessels die Vor- und Rücklauftemperaturen von 70/55 bedingen. Oder ein Brennwertgerät wird durchaus mit 55/45 ausgelegt. Die Raumtemperaturen regelt die Norm der Heizlast oder der Kunde selbst. Trotz des großen Einsparpotentials bei abgesenkten Raumtemperaturen ist der Trend zu hohen Raumtemperaturen feststellbar. Jedenfalls werden häufig Temperaturen von 22 °C zur Auslegung gewünscht. Ob diese dann auch in der Praxis ständig gehalten werden bleibt ja König Kunde überlassen. Wichtig ist, die Umrechnung dieser Normauslegung ist möglich.
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Trendsetting
Die Trends einer Änderung der Normbedingungen lassen sich abschätzen. Ein Tipp: Um gedanklich zu checken in welche Richtung sich die Leistung verändert, kann man die Unterschiede zur Normauslegung vor dem geistigen Auge auch etwas vergrößern. Ein glühender Heizkörper oder einer mit Eis auf der Oberfläche sagt eben mehr als nur schnöde Zahlen. Nun zu einigen Beispielen, die den Trend und die Auswirkungen verdeutlichen.
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Beispiel 1:
Ein Heizkörper hat unter Normbedingungen (75/65/20) eine Leistung von 1000 Watt. Dieser Heizkörper soll stattdessen in einem Raum mit 24 °C eingesetzt werden. Man kann recht gut ableiten, dass die mittlere Temperatur der Oberfläche des Heizkörpers bei 75/65 (also rund 70 °C) es bei 24 °C schwerer hat als bei 20 °C. Seine Leistung wird also unter 75/65/24 geringer ausfallen.
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Beispiel 2:
Normleistung wiederum 1000 W, die Raumtemperatur bleibt bei 20 °C festgelegt, die Vorlauftemperatur beträgt 75 °C, die Rücklauftemperatur liegt bei 55 °C. Die Logik zwingt den Gedanken auf, dass das Wasser, je kühler es den Heizkörper verlässt, die mittlere Temperatur des Heizkörpers ja auch verringert. Dieser Heizkörper kämpft also statt mit 75/65 (im Mittel 70 °C) nur noch mit 75/55 (im Mittel nur rund 65 °C) gegen die Raumtemperatur von 20 °C. Die Leistung des Heizkörpers nimmt ebenfalls ab.
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Beispiel 3:
Die Normleistung beträgt 1000 W, die Raumtemperatur 20 °C, die Vorlauftemperatur liegt bei 55 °C und der Rücklauf kommt mit 45 °C daher. Nicht nur Vorlauf sondern auch noch Rücklauftemperatur abzusenken bedeutet für den Heizkörper eine deutliche Einschränkung: Nur mit 55/45 (im Mittel rund 50 °C Oberflächentemperatur) gegen die Raumtemperatur von 20 °C anzugehen verringert die Leistung eben auch deutlich gegenüber der Normauslegung. Trends dieser Heizkörperleistung lassen sich also auch abschätzen.
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Geht’s auch genauer?
Wie immer, wenn verlässliche Werte benötigt werden, geht es auch über das großzügige Schätzen hinaus. Die zugehörige Norm, DIN EN 442 [1] hält Formeln parat die jede erdenkliche Temperaturkonstellation zulassen. Also ausgehend von einer Herstellerliste, in der dieser die Normleistung seines Heizkörpers ausweist, kann jede andere Einsatzsituation berechnet werden. Die Wunderformel lautet:
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Wobei:
Φ = Wärmeleistung des Heizkörpers bei Betriebsbedingungen in Watt
ΦNorm = Norm-Wärmeleistung des Heizkörpers in Watt
ΔΘln = logarithmisch gemittelte Übertemperatur in Kelvin
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Und diese logarithmisch gemittelte Übertemperatur ist auch kein Hexenwerk. Bei der Eingabe kann man sich zwar schon mal verhauen, aber dafür kann man ja überschlägig berechnen oder die Logik bemühen.
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Wobei:
ΘV/R/L= Celsiustemperatur des Vorlauf/Rücklauf/zu beheizenden Raum
n = der Exponent der Heizkörperkennlinie ohne Einheit.
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Mit dem Exponenten der Heizkörperkennlinie wird die Einflussgröße der Temperaturen der unterschiedlichen Heizkörpertypen bewertet. Beispielsweise reagiert ein Radiator anders auf geänderte Normtemperaturen als ein Konvektor und dieser wieder anders als ein einlagiger Flachheizkörper oder ein zweilagiger Flachheizkörper. Zwei Beispiele sollen den Zusammenhang aller Faktoren kurz verdeutlichen:
Zuerst soll der Wert ΔΘln für die Normbedingungen, also 75/65/20, ermittelt werden.
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Dieses Ergebnis erklärt den Wert 49,83 innerhalb der Wunderformel.
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Als zweites Beispiel sei eine alltägliche Situation aus der Praxis durchgerechnet.
Ein sehr gut wärmegedämmtes neues Haus wird mittels Wärmepumpe beheizt. Die Auslegungstemperaturen für den Vor- und Rücklauf sind mit 35 °C und 28 °C sehr niedrig. Im Keller des Hauses soll zur schnellen Aufheizung ein Heizkörper gesetzt werden. Welche Heizkörperleistung muss bei einer Anforderung von nur 300 Watt für einen Heizkörper aus einer Normliste gewählt werden. Der Raum soll auf 22 °C beheizt werden. Der Exponent für den Heizkörper der Normliste beträgt 1,3.
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Zuerst wird die logarithmisch gemittelte Übertemperatur berechnet.
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Dann wird diese Temperatur in die Formel eingesetzt.
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Kurze Bewertung des Ergebnisses:
Ein Heizkörper der anstatt bei Normbedingungen 75/65/20 für die Bedingungen 35/28/22 vorgesehen wird, gibt nur noch das 0,1995-fache seiner Leistung ab, das entspricht 19,95 %.
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Will man also aus der Normliste der Heizkörper einen Heizkörper mit 300 Watt Heizleistung herauspicken, so sollte die Leistung
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betragen.
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Nochmals zusammengefasst, weil es die Sache so schön erklärt: Ein Heizkörper mit einer Normleistung von 1504 Watt gibt unter 35/28/22 nur noch das 0,1995fache seiner Leistung ab (19,95%) also 300 Watt. Der Vorteil dieser Rechenkünste erschließt sich erst in der Praxis und dann auch noch gestützt durch Software. Wichtig ist es natürlich die Zusammenhänge zu kennen.
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Bei aller Zauberei und Rechenkunst ist die Sache mit dem Heizkörper ja noch nicht ausgestanden. Fakt ist, wenn dieser 300-Watt-Heizkörper des Beispiels im Keller montiert wird, dann muss auch gewährleistet sein, dass dieser zur Abgabe seiner Leistung einen angepassten Volumenstrom bekommt. Bekommt dieser Heizkörper mehr als notwendig steigt seine Leistung Das ist ja klar, weil die Spreizung sinkt (statt 35/28 vielleicht nur noch 35/30). Dieses Spielchen ist solange unauffällig bis es einer bemerkt, zum Beispiel wegen störender Fließgeräusche. Aber was passiert wenn dieser Heizkörper zu langsam durchflossen wird? Spätestens wenn der Raum nicht mehr ausreichend erwärmt wird gibt’s Kundenreklamationen. Das Kunstwerk „Heizungsanlage“ will also ganzheitlich betrachtet werden. Und ein Baustein zur Auslegung ist eben die Heizkörperdimensionierung.
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Literaturnachweis:
[1] DIN EN 442: Radiatoren und Konvektoren