2004 war ein einschneidendes Jahr für das deutsche Handwerk – in 54 von 95 Gewerken entfiel die Meisterpflicht. Das führe zu weniger Regulierung, mehr Jobs, bessere Qualität durch mehr Wettbewerb, zu flexibleren Preise und Löhnen, erhofften sich die Reformer. Zudem stand das Handwerk, wie auch heute, im kritischen Fokus der Europäischen Kommission. Die stellt ja generell alle mehr oder weniger regulierten Berufszweige permanent auf den Prüfstand. Seit 2004 ist das Handwerk als Folge bekanntlich laut HwO dreigeteilt:
· Liste A - Handwerke mit Meisterpflicht,
· Liste B1 - Handwerke ohne Meisterpflicht und
· Liste B2 - handwerksähnliche Berufe.
Haben sich die Erwartungen in den letzten zwölf Jahren erfüllt? Das Institut für Mittelstand und Handwerk der Uni Göttingen (ifh) hat jetzt mit aktuellen Studien eine Bilanz der zwölf Jahre gezogen - das Ergebnis ist ernüchternd.
Kurzer Rausch – langer Kater
Zwar ist der erwartete Boom an handwerklichen Neugründungen nach der Reform erstmal eingetreten, der erwies sich aber bald als Strohfeuer. Recht schnell verschwanden die in der Regel kleinen oder Einmann-Betriebe wieder von der Bühne. Insgesamt nahm weder die Anzahl der im Handwerk Beschäftigten noch die der Auszubildenden zu. Ein wichtiger Grund für die gesunkenen Überlebensraten der neu gegründeten Betriebe sei das niedrige Ausbildungsniveau der Betriebsinhaber, so die Analysten. Der baldige Markaustritt der neugegründeten B-Liste-Unternehmen war und ist deutlich wahrscheinlicher als in den noch „meisterlichen“ A-Gewerken.
Der Verbraucher habe zwar auf den ersten Blick den Vorteil günstigerer Stundensätze vor allem bei Soloselbstständigen. Die aber verschwänden oftmals schnell wieder vom Markt. Genauso schnell handle sich der Kunde dadurch Probleme ein, beispielsweise mit der Gewährleistung.
Sinkendes Niveau durch Reform?
Auch sind die „Handwerker neuen Typs“ vergleichsweise weniger qualifiziert und kaum innovationsfreudig. Sie halten sich eher über den Preis als durch gute Arbeit am Markt. Das wiederum schadet den anderen Handwerkern, falls diese sich nicht erfolgreich vom preislichen Wettbewerb absetzen können, so ein weiteres Fazit. Generell bezweifeln die Autoren überhaupt irgendwelche positiven Effekte der Reform von 2004. Weder sei es zu mehr Beschäftigung gekommen, noch könnten Impulse für die Ausbildung beobachtet werden. So bilden zwar 23 Prozent der A-Handwerksbetriebe aus, aber nur knapp vier Prozent der B1-Betriebe. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen stellen sie ernüchtert fest: die Deregulierung habe die durchschnittliche Qualität von Handwerksleistungen gesenkt. Es könne von daher auf keinen Fall empfohlen werden, die etablierte Struktur des deutschen Handwerks weiter zu reformieren und beispielsweise die Meister-Pflicht generell abzuschaffen.