Über die Wirtschaftlichkeit von Investitionen
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Milliardenschwere Kredite gehen zur Zeit auf höchst ungewöhnliche Weise über Tische und Bänke. Auch Privatmenschen leihen sich gerne mal ein paar Euros um besondere Belastungen finanzieren zu können. Es kann sich sogar lohnen Geld zu leihen und gut anzulegen. Zum Beispiel kann sich die Finanzierung einer neuen Heizungsanlage lohnen.
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Die Beispiels bewohnen als vierköpfige Familie ein eigenes Haus aus den 60er Jahren. Der Kessel im Keller stammt aus den guten alten Siebzigern. Wie das so ist, der Mischer lässt sich nicht mehr bewegen, der zugehörige Motor ist abenteuerlich vom Stromnetz abgeklemmt. Die alte Regelung hängt im geöffneten Schaltkasten an der Wand und bietet Thekla, der Hausspinne, ein wenig Geborgenheit – Funktion: Null. Der Kessel selbst strahlt warm in seinem öligen Metallmantel vor sich hin und der Brenner tropft ein bisschen. Vater Beispiel hat mit seinem handwerklichen Geschick einen alten Lappen um die Ölpumpe gewickelt und darunter steht ein leicht zerbeulter Eimer, falls doch noch etwas raus tropft.
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Trauerspiel im Keller
Für die mittlerweile 160 Quadratmeter Wohnfläche reichten Kessel und Brenner bisher immer aus, auch nachdem der Anbau fertig war. 30 kW Leistung sollten es damals schon sein, denn viel hilft bekanntlich auch viel! So zockelt der Kessel seit Jahren vor sich hin und man ist schon fast stolz auf dieses Denkmal deutscher Wertarbeit. Seit vier Jahren macht Opa Albert die Wartung und genauso lange ist Albert auch schon in Rente. Mal eine neue Düse und ansonsten nur durchbürsten. Die Verbrennung stellt er per Augenschein ein. Alle bewundern ihn dafür, wie er in den halb geöffneten Kessel guckt und gleichzeitig irgendwelche Hebelchen zieht und drückt. Kurzum, man ist sehr zufrieden. Bis auf die Tatsache, dass das Heizöl immer teurer wird. Diese Ölmultis kriegen den Hals aber auch nicht voll. Zuletzt wurden 3000 Liter getankt für zusammen 2400 Euro. Die Preise stiegen danach noch an und Vater Beispiel war sich sicher ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Dass die Preise danach wieder purzelten hat keiner geahnt und dann guckte man auch nicht mehr so genau hin. So, wie bei Beispiels, läuft es zigtausendfach in Deutschland. Ins Bewusstsein rückt eine Heizungsanlage nur, wenn sie nicht funktioniert und wenn der Brennstoff bezahlt werden muss. Dabei könnte viel getan werden, für den heizenden Kunden und für die Umwelt.
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Fakten zusammentragen
Der Ausweg aus dem eben geschilderten Dilemma steigender Preise ist natürlich die Investition in eine neue Heizungsanlage. Vom feinsten angepasst an die Gegebenheiten des Hauses und astrein geregelt. Kostenpunkt inklusive Montage, angeschlossen an die vorhandenen Tanks, komplett mit Sanierung des Schornsteins: 7000 Euro Herr Beispiel bekommt den Vorschlag als Angebot des ortsansässigen Heizungsbauers auf den Tisch des Hauses. Und er rechnet, wie sich dieser Kessel denn überhaupt bezahlt machen könnte, denn der Alte läuft ja noch. Der Heizungsbauer wird kurz angerufen und dieser prognostiziert nach einer kurzen Schilderung und Rücksprache mit Albert, dem Wartungs-Magier, eine Energieeinsparung von bis zu 35 %. Jetzt laufen die ersten Rechenhilfen bei Vater Beispiel heiß. Ausgehend von einem Preis für Heizöl von zukünftig 70 Cent und einem jetzigen Verbrauch von 3000 Litern pro Jahr geht Vater Beispiel von 1000 Litern Ersparnis aus (also rund 33 %). Üppige 700 Euro könnten eingespart werden. Jetzt rechnet er eine Wirtschaftlichkeit der neuen Anlage nach seinem eigenen Gesetz aus:
7000 Euro für den neuen Kessel geteilt durch 700 Euro Ersparnis ergibt 10. Laut seiner Rechnung bringt die Anlage erst nach 10 Jahren einen Gewinn gegenüber dem heutigen Stand.
„Viel zu lange“, ist das Urteil des Familienrates. Vater Beispiel ruft Opa Albert an und sagt ihm er könne mindestens noch so lange zur Kesselwartung kommen, wie der Kessel eben noch funktioniert. Und er solle diesen hässlichen Eimer unter der Ölpumpe doch mal austauschen...
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Klugscheißer am Werk
Der Junior des Hauses macht eine andere Rechnung auf. Er leiht sich im Geiste bei der Bank 7000 Euro. Bei 4 % Zinsen und 1 % Tilgung zahlt er jährlich 5 % der geliehenen Summe an die Bank. Das sind schlappe 350 Euro im Jahr. Bei einer Ersparnis von 700 Euro pro Jahr ist das ein gutes Geschäft, bleiben ihm doch immerhin 350 Euro. Leihen um zu sparen, scheint also eine Lösung zu sein. Er schlägt diese Aktion natürlich dem Familienvorstand vor. Herr Beispiel ist begeistert, einmal, weil sein Sohn mal wieder etwas Sinnvolles im Berufskolleg gelernt hat und natürlich weil sich die Eurozeichen vor seinem geistigen Auge sammeln. Und ihm fällt gleich noch etwas ein. Der Sparvertrag über 10000 Euro läuft mit einem Zinssatz von 2,5 % bei monatlicher Kündigung. Die eine Hälfte dieser Zinsen wird von der Inflation aufgefressen, die andere von steuerlichen Abgaben. Ein tolles Geschäft ist das nicht. Aber bei teilweiser Auflösung dieses Sparguthabens würde das Geld, angelegt in eine topmoderne Heizung, viel mehr Euros bringen. 7000 Euro (also die Kosten für die Heizungsanlage) geteilt durch 700 Euro (also die jährliche Ersparnis) gleich 10 %. Eine Top-Rendite für etwas, dass man auch als Win-Win-Win-Win-Situation bezeichnen könnte.
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Win die Erste:
Beispiels haben mehr Geld zur Verfügung (Kreditvariante) oder verzinsen ihr Erspartes wesentlich höher (Variante Sparguthaben auflösen)!
Win die Zweite:
Der CO2-Ausstoß der Beispiels verringert sich erheblich, ohne dass auf Komfort verzichtet werden muss.
Win die Dritte:
Der ortsansässige Heizungsbauer erhält Arbeitsplätze und sorgt damit auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Win die Vierte:
Die Deutsche Wirtschaft wird ein wenig unabhängiger von Ölimporten, denn 1000 Liter von Beispiels könnten jährlich im Wüstensand verbuddelt bleiben.
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Fakt ist, beide Varianten, also Leihen des Geldes oder aus eigenem erspartem Geld zu finanzieren, kann insgesamt ein gutes Geschäft werden. Es ergibt sich noch eine weitere Variante, nämlich die mit dem ersparten Geld den Kredit zu tilgen. Für das skizzierte Szenario würden die Beispiels 12 Jahre und 10 Monate einen Betrag von 58,33 Euro monatlich bezahlen, also entsprechend 700 Euro im Jahr. Danach wäre der Kredit getilgt. Man hätte dann kein eigenes Kapital in die Hände nehmen müssen und trotzdem eine neue Anlage im Keller stehen. Und das Schöne ist, bei jeder Preiserhöhung für Heizöl könnte man sich wenigstens ein wenig freuen, denn die neue Anlage würde sich dann rechnerisch noch schneller bezahlt machen, klar die Einsparung würde größer.
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Realistisch bleiben
Die Euphorie bei den Beispiels ist groß, gehört man doch seit diesem Tag zu den Finanzjongleuren dieser Welt. Schon wird über sparsamere neue Autos nachgedacht. Zum Beispiel ist da die alte Schleuder vom Junior, mit weit über 10 Litern pro 100 Kilometern. Ein nicht mehr ganz zeitgemäßes Auto. Dafür war es aber in der Anschaffung sehr günstig. Der Junior sieht sich auf Grund seines Erfolges beim Kesseltausch schon in einem nagelneuen Wagen durchs Dorf cruisen und dabei kräftig sparen. Er überlegt und spekuliert. Bisher geht er zu Fuß zu seinem Ausbildungsplatz und fährt günstig per Bus zur Berufsschule. Die 2500 Kilometer im Jahr mit seinem geliebten Auto rechtfertigen dann irgendwie doch nicht eine Neuinvestition in ein sparsameres Modell. Denn würde er die Kosten für 2500 Kilometer im Jahr halbieren, weil er nur 5 statt 10 Liter pro 100 Kilometern verbraucht, so entspräche das einer Ersparnis von vielleicht 137,5 Euro (125 Liter x 1,10 Euro/Liter). Geplatzt ist der Traum vom Sparen durch investieren, jedenfalls was Juniors Auto angeht. Anders kann es bei Vater Beispiels Wagen aussehen - aber das führt im Moment zu weit. Wichtig ist es jedenfalls bei einer „Investition zum Sparen“ die Gesamtsituation zu beurteilen. Etwas zu kaufen, dass weniger verbraucht heißt nicht zwangsläufig, dass man Geld sparen kann. Auch der Umwelt muss durch den Austausch „Alt“ gegen „Neu“ nicht zwangsläufig geholfen werden. Die Situation der Familie Beispiel ist also einzeln zu betrachten und kann nicht über jede beliebige Familie gestülpt werden. Eine ohnehin gute Heizungsanlage muss durch eine noch bessere Heizungsanlage nicht zwangsläufig auch kostengünstiger für den Betreiber laufen.
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Bin ich jetzt Manager?
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse kann man natürlich die Investition einiger Wirtschaftsgüter etwas sinnvoller planen. Und schaut man sich die miesen Geschäfte der Manager und die daraus resultierenden Pleiten der letzten Jahre an, möchte man glauben dieser Personenkreis hätte von diesen Zusammenhängen noch nie etwas gehört. Aber man muss zugeben: Etwas mehr muss man schon auf der Pfanne haben um Konzerne zu leiten. Und auch im geschilderten Fall sind noch nicht sämtliche Faktoren beleuchtet worden. Die neue Heizungsanlage wird natürlich auch wieder älter. Irgendwann wird man diese also wiederum austauschen müssen. Man könnte, als kühler Rechner, die Ersparnis resultierend aus der höheren Effizienz des Kessels gut anlegen und irgendwann damit den neuen Kessel bezahlen. Dann sollte man noch bedenken, dass diese Anlage gewartet werden muss. Vielleicht ist Albert, mit seinem diabolischen Blick in die Flammen, dann doch mit dem neuen Kessel überfordert. Dann müsste man den regulären Wartungsdienst an die Heizungsanlage lassen und bezahlen. Vielleicht gibt es aber auch noch Geld vom Staat oder andere Förderer. Oder man setzt die Handwerkerrechnung steuermindernd ab.
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Verallgemeinerung riskant!
„Neues ist gut und Geld kann man ja leihen“, ist nicht die Botschaft dieses Textes. Klar ist nur, es kann durchaus sinnvoll und sparsam sein, mit neuer Technik und geliehenem Geld etwas sinnvolles anzufangen. Es muss ja nicht der neue Plasmabildschirm und die BluRay-taugliche Konsole sein. Denkt man über die Beständigkeit des eingesetzten Kapitals nach, dann wird die Nachhaltigkeit einer Investition in neue Heiztechnik gegenüber dem Plasmabildschirm deutlich gewinnen. Aber der Unterhaltungswert der Heizung ist zugegeben geringer. Und man sollte sich auch klarmachen, dass einige vermeintliche Sparer im Hause effektiv nichts bringen. Bei einem Ratschlag an den Endkunden oder im Freundeskreis können diese eben skizzierten Rechenbeispiele durchaus Licht ins Dunkle bringen. Stellen Sie diese Vergleiche doch mal für eine Regenwassernutzungsanlage oder eine solarunterstützte Trinkwassererwärmung auf. Über Kommentare Ihrerseits hierzu freut sich die Redaktion.