Hydraulischer Abgleich, Pflicht oder Kür?
Aus technischer Sicht hat der SBZ Monteur schon vielerlei Berichte zum Thema des hydraulischen Abgleichs beigesteuert. Manche munkeln bereits, dass das Lesen solcher Berichte insgesamt mehr Zeit in Anspruch genommen hat, als die gesamte Zeit in der Handwerker diesen tatsächlich ausgeführt haben.
Also ist das nun Spaß oder Ernst? Muss diese Leistung erbracht werden oder kann man getrost darauf verzichten? Die Frage lässt sich mit einem klaren -Jein- beantworten. Aber lesen Sie selbst.
Im Neubau
In einem Neubau stellt sich für den Bauherrn und auch für den ausführenden Betrieb die Frage nach dem hydraulischen Abgleich (h.A.) nicht. Zu einem mangelfreien Gewerk, welches auch noch gemäß den gesetzlichen Bestimmungen erfolgen sollte ist diese Arbeit fester Bestandteil des Gesamtkunstwerks “Heizungsanlage”.
Der h.A. nämlich ist eine Nebenleistung nach VOB (Verdingungsordnung für Bauleistungen) und ist daher bei Neuanlagen (Neubau, Modernisierung oder Sanierung) nach den anerkannten Regeln der Technik zu erwarten. Die Anforderungen an das Referenzgebäude nach Anlage 1 beziehungsweise 2 der EnEV umfassen ebenfalls ein hydraulisch abgeglichenes Rohrnetz. Um eine Förderung, beispielsweise nach KfW zu bekommen ist regelmäßig auch der h.A. Pflicht.
Warum sollte also ein Bauherr darauf verzichten wollen? Der Sinn des Abgleichs würde eventuell auf der Kippe stehen, wenn dieser sich als unsinnig darstellen ließe. Für den Betrieb einer Heizungsanlage in einem Neubau zu begründen, dass der Aufwand zu hoch ist und sich während der gesamten Betriebszeit der Heizungsanlage wirtschaftlich nicht auszahlt dürfte aber kaum möglich sein. 30 Jahre Energie ungenutzt verpuffen zu lassen gegenüber einer leicht durchzuführenden Arbeit kann wohl kaum kostengünstiger sein.
Fazit für Neubau daher:
Der h.A. ist keine Kür, sondern unbedingt Pflicht bei der Heizungsinstallation im Neubau!
Im Altbau
Auf dem freien Markt der Heizungsbauer entsteht schnell der Eindruck, dass nur ein billiges Angebot ein gutes Angebot ist. Kunden honorieren das billige Angebot gerne mit einem Zuschlag. Da steht dann für den Kesseltausch “Ein Stück Heizungsanlage für 5000 Euro. Aber nur auf den ersten Blick ist gegen ein Billigangebot nix einzuwenden. Fakt ist in sehr vielen Fällen, dass der h.A. in solchen Angeboten nicht auftaucht. Er wird zum Schluss von dem Billiganbieter auch nicht abgerechnet und Handwerker und Kunde glauben an ein für sie vorteilhaftes Geschäft. Das Gewerk Heizung ist aber eben nicht mangelfrei, falls der h.A. nicht durchgeführt wurde. Die Anlage kann so keinesfalls das gesamte Effizienzpotenzial ausschöpfen. Selbst wenn der Kunde die Information des Handwerkers erhalten hat, dass der Abgleich eigentlich Pflicht sei, er diesen aber nicht ausgeführt hat und natürlich auch nicht in Rechnung stellt, ist die Kuh noch nicht vom Eis. Der Handwerker müsste nämlich im Zweifel nachweisen können, dass der Kunde nicht nur über das Ausbleiben des h.A. informiert wurde, sondern auch darüber, dass der Kunde die Konsequenzen daraus erkennen konnte.
2 Beispiele zum Altbau
Beispiel 1 im Altbau:
Dem alten Mütterchen in Ihrer top eingerichteten Villa wird der Kesselaustausch ohne h.A. angeboten. Dem Mütterchen wird vom Heizungsbauer mit einem Augenzwinkern erklärt, dass er an Mütterchens Portemonnaie denkt und deshalb großzügig auf den Abgleich verzichtet. Mütterchen fühlt sich besonders gut behandelt und denkt wohlwollend über diesen netten Herrn nach, der ausnahmsweise mal nicht an seine eigene Kohle denkt sondern vermeintlich sparsam an Mütterchens Geldbeutel. Der Kessel wird getauscht und die Endrechnung wird gestellt, natürlich ohne hydraulischen Abgleich.
Die zukünftigen Erben erkennen jedoch sehr schnell den technischen Fehler (wahrscheinlich Leser des SBZ Monteur) und sprechen den Heizungsbauer auf den fehlenden Abgleich an. Dieser wiederholt wahrheitsgemäß, dass er dem Mütterchen zu dem Wegfall des Abgleichs geraten und diesen natürlich auch nicht abgerechnet hat. Die zukünftigen Erben erkennen aber ganz klar, dass Mütterchen den technischen Zusammenhang nicht verstehen konnte. Mütterchen war nicht klar, dass ein sparsamerer Betrieb der Anlage durch den h.A. ermöglicht worden wäre. Sie hat sich für ein halb fertiges Produkt entschieden, ohne es zu wissen.
Beispiel 2 im Altbau:
Ein Dipl.-Ing. der Versorgungstechnik holt sich Angebote für einen Kesseltausch in seinem Wohnhaus ein. Ein Heizungsbauer bietet den Kesseltausch ohne hydraulischen Abgleich an und bekommt aufgrund der Tatsache, dass sein Angebot das günstigste ist den Zuschlag. Am Ende steht wie immer die Rechnung des Handwerkers und der Dipl.-Ing. drängt auf die Erstellung eines mangelfreien Gewerks. Ihm scheint es wohl plausibel, dass der h.A. dazu gehört. Insgeheim hofft er sogar darauf, dass er den Handwerker zwingen kann diesen nachträglich und ohne Bezahlung auszuführen.
Sie merken an diesen beiden zugegebenerweise extremen Beispielen, dass es schwierig ist, eine Leistung wegfallen zu lassen, dann auch nicht in Rechnung zu stellen und dies dann einem Dritten gegenüber als mangelfrei und redlich erstellte Arbeit zu vertreten. Dem Mütterchen hätte man wahrscheinlich alles unterjubeln können. Der Dipl.-Ing. hätte sicherlich immer einen Mangel finden können und die Endrechnung beanstandet. Ein Richter hat es in beiden Fällen nicht leicht einen eventuellen Rechtsstreit zu beurteilen.
Was schützt?
Dem Mütterchen und dem Dipl.-Ing. kann man ein Angebot zuschicken in dem man fein unterteilt nach drei Kategorien, nämlich:
- Ausbau und Entsorgung des alten Kessels mit Endsumme inklusive der Mehrwertsteuer
- Lieferung und Montage des neuen Kessels wiederum mit Endsumme inklusive der Mehrwertsteuer
- Ausführung des h.A. nochmals mit Endsumme inklusive der Mehrwertsteuer
Damit lässt sich dieses Angebot vergleichen mit den vermeintlich günstigeren Angeboten anderer „Profis“ die den Abgleich nicht mit einbezogen haben. Auch zahlenmäßig bleibt dem Kunden nichts verborgen, er benötigt noch nicht einmal einen Taschenrechner um den Vergleich anzustellen. Kommt es zur Auftragsvergabe, und der Zuschlag soll auf dieses dreigeteilte Angebot erfolgen, so kann der Kunde dann auch den Vorschlag unterbreiten den Punkt drei wegfallen zu lassen. Dann kommt der Zeitpunkt für den Handwerker zur schriftlichen Mitteilung zu greifen. Man erläutert kurz anhand eines Schreibens die Nachteile die dem Kunden durch den Wegfall des h.A. voraussichtlich entstehen werden und lässt sich dieses Schreiben abschließend vom Kunden unterzeichnen.
Was steht in dem Schreiben (stichpunktartig)?
- Anlage arbeitet ohne h.A. nicht optimal
- Die Rücklauftemperaturen sind unnötig erhöht
- Einzelne Räume können überversorgt, andere hingegen unterversorgt werden
- Es können Fließgeräusche entstehen
- Ohne Abgleich erhöht sich der Brennstoffverbrauch
- Ohne Abgleich erhöht sich der ausstoß klimaschädlicher Abgase wie CO2
- Fachleute empfehlen den h.A.
- Sollten Fördergelder beantragt sein, beinhalten diese den h.A., man verliert also die Förderfähigkeit der Maßnahme
Fazit für den Altbau daher:
Der h.A. ist keine Kür, aber nur bedingte Pflicht im Altbau! Auf ausdrücklichen Kundenwunsch und wenn dieser auch nachweislich die Konsequenzen kennt, kann darauf verzichtet werden. Eine Förderfähigkeit darf man sich jedoch keinesfalls erschwindeln.
Übertragbarkeit auf andere Probleme
Anhand eines weiteren Beispiels sollen Sie beurteilen, ob man diese Situation auch auf andere Probleme übertragen kann.
Ein Einfamilienhaus wird saniert und statt der Heizkörper soll im Erdgeschoss eine Fußbodenheizung installiert werden. Nachdem der alte Estrich entfernt wurde stellt man fest, dass die Aufbauhöhe der neu zu errichtenden Fußbodenheizung nur noch sehr knapp ausfallen kann. Man erwägt daher, die Dämmung zum unbeheizten Keller nur sehr dünn auszuführen. Dies würde dann aber nicht den Vorgaben der EnEV entsprechen. Der Heizungsbauer lässt sich trotzdem auf den Deal ein. Wieder rechnet er, redlich wie er nun mal ist, auch nur die tatsächlich eingebrachte Dämmdicke in der Schlussrechnung ab. Dem Bauherrn fällt jedoch plötzlich auf, dass die eingebrachte Dämmung zu dünn ist. Er zahlt die Endrechnung nicht und lässt die Arbeiten durch einen Sachverständigen prüfen.
Setzen Sie jetzt mal Ihren Sachverstand ein und argumentieren Sie aus der Sicht des Bauherrn, der ja jetzt in einem Haus wohnt, das nicht nach den anerkannten Regeln der Technik gedämmt ist.
Setzen Sie sich dann mal auf den Stuhl des Installateurs, der ja nur das Dämmproblem lösen wollte und daher einen Kompromiss eingegangen ist.
Versuchen Sie dann noch diese Situation als Richter zu betrachten.
Legen Sie gedanklich abschließend diesem Richter ein Schreiben vor, in dem auf die zu dünne Dämmung im Erdgeschoss hingewiesen wird und die Folgen für den Kunden laienverständlich erklärt werden. Das Schreiben ist unterzeichnet vom Bauherrn. Was meinen Sie?
Zurückliegende Berichte zum hydraulischen Abgleich
Im Heftarchiv unter www.sbz-monteur.de können Sie bequem unsere bereits erfolgten Berichte zum h.A. durchstöbern:
10/2013 ; Wie funktioniert eigentlich ein flotter hydraulischer Abgleich? / Groß, mittel oder klein?
04/2012 ; Hydraulischer Abgleich im Bestand / Wasser lenken und kosten sparen
05/2009 ; Hydraulischer Abgleich im Bestand / Mission Possible