Vorzeigeprojekt mit Nahwärmenetz
Die neue Heizzentrale des bestehenden Schulzentrums in Idar-Oberstein versorgt nicht nur das Göttenbach-Gymnasium, sondern auch die städtische Grundschule, eine Förderschule und zwei Sporthallen mit Wärme aus Hackschnitzeln.
In unmittelbarer Nähe zur neuen Heizzentrale, die neben einer der beiden Sporthallen untergebracht ist, wurden zur Lagerung des Brennstoffs zwei gestülpte Hackschnitzel-Großbehälter mit je 65 m³ Nutzvolumen im Erdreich eingebaut.
Zuständigkeit
Die Zuständigkeit für die 5 Immobilien mit Bruttogrundflächen von zusammen 18.000 m² hat überwiegend der Landkreis Birkenfeld im Hunsrück, einen kleineren Anteil trägt die Stadt Idar-Oberstein. Zusammen betreiben sie seit 2010 das neu installierte Nahwärmenetz mit einer zentralen Heizungsanlage für alle Gebäude des Schulzentrums „Auf der Bein“.
Hack statt Fossil
Die Wärmeerzeugung wurde vom fossilen Energieträger Erdgas auf umweltfreundliche Hackschnitzel umgestellt. Der nachwachsende Rohstoff Holz gilt in der Verbrennung als klimaneutral, da nur so viel CO2 freigesetzt wird, wie der Baum im Laufe seines Wachstums gebunden hat. So gesehen wird durch Holzfeuerung kein zusätzliches klimaschädliches Kohlendioxid freigesetzt. Weil moderne Hackschnitzelanlagen einen Wirkungsgrad von über 90 % erreichen, gewährleisten sie einen nachhaltigen und sparsamen Umgang mit dem regenerativen Energieträger Holz.
Idee und Finanzierung
Stefan Linn, Energiebeauftragter bei der Kreisverwaltung Birkenfeld, hatte einen ehrgeizigen Plan: Die erforderliche neue Heizungsanlage für das Schulzentrum sollte Kosten sparen, gleichzeitig CO2-neutral sein und darüber hinaus den regionalen Wirtschaftskreislauf fördern.
Die Ausführung dieser Maßnahmen rund um das Göttenbach-Gymnasium in Idar-Oberstein waren ein 1,3 Millionen Euro teures Vorhaben, zu dem Rheinland-Pfalz einen Zuschuss von 946.00 Euro aus dem Konjunkturpaket II beisteuerte. In diesem Zusammenhang gelockerte Vergabevorschriften ermöglichten eine beschränkte Ausschreibung. Damit erhielten einheimische Firmen den Zuschlag. So sind die für Wartung und Instandhaltung nötigen Firmen vor Ort. Und der Brennstoff, Hackschnitzel aus den Wäldern der unmittelbaren Umgebung, wird ohne lange Transportwege bei einem lokalen Betrieb in nur 1 km Entfernung von der Schule bestellt. Das spart dem Schulzentrum dauerhaft Betriebskosten. Die lokale Wirtschaft wird gestärkt, der sowohl volkswirtschaftlich als auch ökologisch fragwürdige Import von Brennstoffen aus großer Entfernung entfällt. Dem entsprechend reduzieren sich der Schadstoffausstoß und die Gefahr eines Gefahrgut-Unfalls.
Lager- und Fördertechnik
Tank- oder Kipplaster bringen die Hackschnitzel vom lokalen Händler direkt vor die Haustür. Wird das Schüttgut mit einer Dichte von 200 kg/m³ in einem 40 m³ fassenden Container geliefert, dann sind das 8 Tonnen. Mall als Hersteller bietet für Großanlagen wie hier unterirdische Hackschnitzelbehälter aus Betonfertigteilen von 15 bis 120 m³ Nutzvolumen an, allerdings ohne Entnahmesysteme. Beim Nahwärmenetz dieses Schulzentrums werden zwei Heizkessel unabhängig voneinander aus einem jeweils 65 m³ großen Lager heraus versorgt.
Für den Weg der Hackschnitzel in das Lager gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Zum einen können die Holzchips durch einen Schlauch von einem Tankwagen in den Bunker bzw. Behälter gepumpt werden. Wo baulich möglich, wie beim Schulzentrum in Idar-Oberstein, kann alternativ ein Kipplaster bzw. Traktor mit Frontladevorrichtung das Hackgut direkt in das Lager schütten. Dafür muss der unterirdische Behälter für das Lieferfahrzeug befahrbar und die passende Befüllöffnung vorhanden sein. Clemens Hüttinger, Projektingenieur beim Hersteller Mall erklärt dazu: „Behältergeometrie und Statik stammen aus unserer Serienfertigung. Für Fassungsvermögen und Öffnungen erhalten wir die Angaben von den Fachingenieuren, welche auch die Art der Hackschnitzel-Entnahme durch so genannte Austragsysteme bestimmen - die bei Großkesselanlagen wie hier durch den Kesselhersteller montiert werden“.
Die Steuerung am Heizkessel erkennt den Heizbedarf und regelt bedarfsgerecht den Betrieb des Fördersystems, das aus elektrischen Förderschnecken oder Kratzkettenförderern besteht. Im Schulzentrum Idar-Oberstein wurden für die beiden Kessel zwei unabhängig voneinander funktionierende Fördersysteme gebaut. So holt jeweils eine Zubringerschnecke den Brennstoff aus einem der beiden unterirdischen Lagerbehälter, unterstützt durch ein rotierendes Knickarmaustragsystem über dem Schrägboden an der Behältersohle. Zwischen den Durchbrüchen der Behälter- und Gebäudewand überbrückt je ein Hüllrohr die kurze Distanz im Erdreich. Im Gebäude befinden sich Übergabestationen. Dort ändert sich die Transportrichtung um 90 Grad. Die Förderschnecken der beiden Kessel übernehmen den Brennstoff. In der Fallstrecke zwischen Zubringerschnecke und Kesselschnecke ist zur mechanischen Trennung von Feuerung und drucklosem Brennstofflager jeweils ein brandschutzgeprüfter Absperrschieber eingebaut.
Wartung, Holzfeuchte und Brennwert
Im Kessel entzündet ein Heißluftgebläse das Hackgut automatisch, die Betriebstemperatur wird schnell erreicht. Dies gewährleistet eine emissionsarme und bedarfsgerechte Verbrennung des Energieträgers Holz. Die Verbrennungsrückstände werden automatisch gesammelt. Der Ascheanteil ist abhängig vom verwendeten Brennstoff. Ist dieser qualitativ hochwertig, liegt der Anteil bei ca. 2 - 5 % der Brennstoffmenge. Bei einem hohen Rindenanteil, z.B. beim Einsatz von Landschaftspflegehölzern, wächst er auf bis zu 10 %. Im Schulzentrum in Idar-Oberstein übernimmt Land- und Forstwirt Jörg Winkler, der Brennstofflieferant, die Entsorgung der Asche. Er nutzt sie als Dünger in der Landwirtschaft oder bringt sie im Wald aus und schließt so den natürlichen Kreislauf. Winkler kümmert sich auch um die korrekte Einstellung und Wartung der Kessel, denn er besitzt den „Kesselwärterschein“ des Herstellers.
Je höher der Feuchtigkeitsgehalt der Hackschnitzel, desto geringer ist deren Heizwert. Das ist physikalisch bedingt, denn das bei der Verbrennung verdunstende Wasser bindet viel Wärme, die dem Kessel entzogen wird. Theoretisch kann die Feuchte unerwünschte Schlacke im Brenner verursachen oder als Kondensat dem Schornstein schaden oder zu Fäulnis im Lagerbehälter führen. In der Praxis sorgt Winkler vor: Er nutzt überwiegend Stammholz und lagert die Hackschnitzel bis zu 2 Jahre im Freien, bevor er sie bei 20 bis 25 % Holzfeuchte liefert. Zusätzlich werden im Schulzentrum vor dem Wiederbefüllen die leeren Betonbehälter bei entsprechender Witterung mit geöffneter Abdeckung belüftet.
Je nach Holzart hat ein Kilogramm Hackschnitzel bei 20 % Holzfeuchte einen Brennwert von ca. 4 kWh. (Zum Vergleich: 10.000 kWh, also 2,5 Tonnen Hackschnitzel, entsprechen 1.000 Liter Heizöläquivalent). Je trockener das Holz ist, desto mehr nutzt es dem Betreiber, desto mehr Vergütung müsste der Lieferant erhalten. Diesem Umstand entsprechend haben die hier Zuständigen ganz pragmatisch vereinbart, dass die Brennstoffkosten nach dem tatsächlich erbrachten Brennwert errechnet werden. Wärmemengenzähler am Ausgang der beiden Kessel liefern dazu die Daten. Winkler als Lieferant erhält Abschlagszahlungen, die er mit dem Jahresbetrag verrechnet. Der mehrjährige Liefervertrag enthält eine Klausel zur Preisanpassung in Anlehnung an den Index für Hackschnitzel des Statistischen Bundesamtes.
Betriebskosten halbiert
Ein kleinerer Kessel mit 220 kW sorgt im Sommerhalbjahr für die Warmwasserbereitung. Der größere Kessel mit 720 kW steht für Heizung und Warmwasser im Winterbetrieb bereit. „Es gab in der Planungsphase allerdings ein Problem“, erinnert sich Mario Winkel von Techno-Plan-Consult, der für die Gebäudetechnik verantwortliche Ingenieur des Projekts. „Hackschnitzel-Heiztechnik ist im Gegensatz zu einer Öl- oder Gasheizung relativ träge. Wir konnten das jedoch ausgleichen durch sechs große Pufferspeicher mit jeweils 2.000 Liter Fassungsvermögen“, erläutert er. „Damit erzielen wir nun gleichbleibend hohe Wirkungsgrade, was Brennmaterial spart, Emissionen senkt und die Anlage schont.“
Mit Inbetriebnahme der neuen Heiztechnik im Juni 2010 war der stetige Anstieg von Strom- und Wärmebedarf gestoppt. „Die jährlichen Kosten für Wärme lagen witterungsbereinigt 2008 und 2009 annähernd gleich bei etwas mehr als 125.000 €, während sie sich 2011 und 2012 bei knapp 50.000 € eingependelt hatten“, so das Fazit des Energiebeauftragten Linn. Das entspricht einer jährlichen Einsparung von über 75.000 €.