Nicht mit Dreckspfoten an die Stulle
Die Reinigung verstopfter Entwässerungsleitungen gehört nicht zu den Highlights im Berufsleben des Anlagenmechanikers. Aber wenn es darauf ankommt, dann wird kräftig zu- und manchmal auch reingepackt. Ganz nach dem Motto: „Was uns nicht tötet, macht uns härter.“ Bei so viel Heldenmut und Tatendrang wird leider oft vergessen, dass man sich mehr einfangen kann, als schmutzige Hände. Lesen Sie hier, welche Gefahren bei einer Rohrreinigung lauern und was dagegen zu tun ist.
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Seuchen aus dem Abfluss
Rein technisch ist Schmutzwasser genau definiert, nämlich in der DIN EN 12056-1 [1] und DIN 1986-3 [2]. Man unterscheidet europäisch häusliches und industrielles Abwasser, das sich nach nationaler Norm in gewerbliches, industrielles und häusliches Schmutzwasser differenzieren lässt. Für diese Abwasserarten ist exakt festgelegt, welche Stoffe in diesem vorhanden sein dürfen. So sind die Anforderungen, die an die jeweiligen Entwässerungsleitungen gestellt werden, klar festzulegen. Was technisch eindeutig ist, wird mikrobiologisch kompliziert. Denn es kann nicht vorausgesagt werden, welche Krankheitserreger als Bakterien und Viren im Schmutzwasser vorhanden sein können. So individuell wie die Menschen, sind auch die Fäkalien, die sie produzieren. Ein ungeschützter Kontakt mit Abwässern kann harmlos sein oder zu lebensgefährlichen Erkrankungen führen. Als Beispiele für mögliche Pestilenzen aus dem Abfluss sind Magen-Darm-Infektionen (durch Colibakterien oder Salmonellen) aber auch die Ansteckung mit Hepatitis A, einer Erkrankung der Leber. Fängt man sich Hepatitis A ein, kommt es etwa 28 Tage nach der Ansteckung zu grippeähnlichen Erscheinungen, Übelkeit und Völlegefühl, Erbrechen und allgemeiner Abgeschlagenheit. In der Folge treten eine mehr oder minder ausgeprägte Gelbfärbung der Haut und der Skleren (das Weiße des Auges), Hellfärbung des Stuhls und brauner Urin auf. Der Erkrankte muss das Bett hüten und Diät halten. Im schlimmsten Fall dauert die Genesung ein Jahr. Besonders letzteres ist ein gutes Argument, mit dem Schmutzwasser etwas respektvoller umzugehen.
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Tröpfchen- und Schmierinfektionen möglich
Aber keine Angst, auch für diesen Fall findet man Rat in Deutschlands doch reichlichem Verordnungsfundus. Hier ist nämlich die am 1. April 1999 in Kraft getretene Biostoffverordnung (BioStoffV) zu berücksichtigen. Sie hat den Zweck, die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten beim Umgang mit biologischen Arbeitstoffen zu regeln. Und Abwässer haben ja nun mal was Biologisches. In der Verordnung wird zwischen gezielten und nicht gezielten Tätigkeiten unterschieden. Gezielte Tätigkeiten setzen dabei immer voraus, dass der Arbeitsstoff mit all seinen Eigenschaften und Gefahren genau bekannt ist und Schutzmaßnahmen daher exakt abgestimmt werden können. Solche Bedingungen darf man allerdings höchstens in der Forschung erwarten. Ist nicht ganz klar, mit was der Mitarbeiter in Kontakt kommen kann, liegen „nicht gezielte Tätigkeiten“ im Sinne der BioStoffV vor. Und genau das trifft auf das Schmutzwasser zu, dessen Gefährdungspotenzial ständig wechseln kann. Die Bakterien und Viren, die in der Lage sind, außerhalb eines Organismus, ja selbst im Abwasser zu überleben, werden durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen. Unter einer Tröpfcheninfektion versteht man die Versprühung des infizierten Wassers zu so winzigen Wassernebeln, dass diese eingeatmet werden können. Ein Ansteckungsweg, der bei der Abflussreinigung höchstens denkbar wäre, wenn jemand den in Aktion befindlichen Reinigungskopf des Spülgerätes aus der Leitung zieht. Schon wahrscheinlicher ist eine Schmierinfektion. Bei einer solchen werden die Krankheitserreger über den Mund aufgenommen.
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Immer mit Seife die Hände waschen
Und das ist nur bei sehr sorglosem Umgang mit dem Schmutz möglich. Zum Beispiel dann, wenn der Versuch, eine hartnäckige Verstopfung zu beseitigen, durch die Frühstückspause unterbrochen wird. Eine Waschgelegenheit ist nicht greifbar, und wenn doch, fehlt es an Seife. Folglich werden die „Stullen“ auch mal mit ungewaschener Hand gegessen. Dabei nicht bedacht wird, dass auch eine noch relativ sauber aussehende Hand mit Bakterien kontaminiert sein kann. Da reicht es schon, wenn man sich die Arbeitshandschuhe auszieht und dabei zwangsläufig auch mit der Außenseite dieser in Kontakt kommt. Die erste goldene Regel lautet also: Vor dem Essen (und natürlich auch vor dem Rauchen!) Hände waschen. Dabei muss nicht gleich zum Desinfektionsmittel gegriffen werden. Die allermeisten Krankheitserreger basieren auf Eiweißen und werden durch ganz normale Seife getötet. Goldene Regel Nummer zwei: Grundsätzlich ist jeder Kontakt der Haut und der Schleimhäute mit Abwasser zu vermeiden. Damit sind wasserdichte, stabile Handschuhe schon mal Grundausstattung. Je nach Umfang der Arbeiten sind auch Gummistiefel, Schutzoveralls (am besten Einmalanzüge) und eine Schutzbrille nötig. Selbstverständlich sollte dabei die dritte Regel sein: Die Schutzausrüstung wird gesondert aufbewahrt. Alle Mühe und Vorsicht wären vergebens, wenn Gummistiefel, Handschuhe und Overall bei der Frühstückspause neben der Butterdose liegen. Darüber hinaus muss bedacht werden, dass besondere Situationen auch besondere Maßnahmen erfordern können. Dazu zählen zum Beispiel Arbeiten an den Abflussleitungen von Krankenhäusern. Denn es käme einem Schildbürgerstreich gleich, wenn man die „Infektionsstation“ nur mit Schutzkleidung betreten darf, an den Abflüssen, dieser Etage aber ohne Sicherheitsvorkehrungen gearbeitet wird. Ein Gespräch mit dem medizinischen Personal schafft schnell Klarheit darüber, welche Erreger sich im Entwässerungssystem tummeln können.
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Es bedarf also gar nicht so viel, sich bei Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an Entwässerungssystemen vor ansteckenden Krankheiten zu schützen. Wichtig ist dabei nur die Selbstdisziplin, auch auf all diese Kleinigkeiten zu achten.
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Literaturnachweis:
[1] DIN EN 12056-1: Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden - Teil 1: Allgemeine und Ausführungsanforderungen; Deutsche Fassung
[2] DIN 1986-3: Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke - Teil 3: Regeln für Betrieb und Wartung