Unterschiedliche Lernstrategien und Lerntypen
Sich intensiv in ein neues PC-Game einarbeiten? – Kein Problem! Fachtheorie büffeln? – Naja! Bei jedem Computerspiel müssen Funktionen erlernt, Spielprinzipien begriffen und sogar „Vokabeln“ gelernt werden. Interessanterweise wird so etwas fast nie als „LERNEN“ empfunden. Es wäre doch klasse, wenn man sich den Lernstoff in der Ausbildung so einfach aneignen könnte, wie die Kenntnisse für ein neues Computerspiel.
Um ein Spiel erfolgreich spielen zu können, sind umfangreiche Kenntnisse und Fertigkeiten nötig. Zum Beispiel im Spiel „Minecraft“. Spielanleitungen oder ein klares Spielziel oder Kampagnen gibt es nicht. Robinson-Crusoe-artig wird man in eine zufallsgenerierte Welt geworfen, in der man überleben muss. Ist man am Anfang nur damit beschäftig zu überleben, entdeckt man schnell, welche Möglichkeiten sich ergeben, um die Umwelt zu gestalten.
Prinzip: Baukasten
Das Prinzip gleicht einem LEGO®-Baukasten, in dem man sich jeden Stein selbst erarbeiten – „craften“ - muss. Eins ergibt sich aus dem anderen. Aus einer Hütte wird nach und nach ein Palast und vielleicht sogar eine Stadt. Der Fantasie sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Reicht einem die Gestaltung der eigenen vier Wände nicht mehr, kann man sich Großprojekten widmen, wie z.B. dem 1:1 Nachbau von Raumschiff Enterprise oder der Herr der Ringe-Welt. Um „Mittelerde“ zu erschaffen, bedarf es mehr als der bloßen Hände – die einem zu Spielbeginn als einziges zur Verfügung stehen. Doch mit den Händen, kann man mühsam einen Baum fällen, aus dem Baum Bretter herstellen und aus diesen eine Werkbank zimmern. Mit der Werkbank kombiniert man verschiedene Materialien um neue Werkstoffe zu schaffen. Aus der richtigen Kombination und Anordnung der Rohstoffe Eisen und Holz baut man z.B. eine Eisenhacke. Mit jedem neuen Werkzeug werden neue Rohstoffe zugänglich, mit denen immer hochwertigere Dinge erschaffen werden können, wie z.B. Rüstungen, Bücher, Glas, Loren auf Schienen, Stromkreise und sogar Sprengstoff.
Von „Ahnungslos“ zum „Profi“
Wie begreife ich ein Spiel, für das es keine offizielle Anleitung gibt? Wie eigene ich mir dieses komplexe Wissen an? Woher weiß ich, wie was funktioniert? Es gibt verschiedene Möglichkeiten und Wege. Das Spiel selber bietet nur „Ausprobieren“ an. Wenn einem das nicht liegt oder man nicht weiter kommt, kann man mit anderen gemeinsam nach Lösungen suchen: Man kann im Internet in Tutorials anderer Spieler nachlesen, einen Freund fragen, der das Spiel schon beherrscht oder bei Youtube Profis über die Schulter schauen. Wer es drauf hat, kann auch den Programmcode analysieren. Diese Wege sich in ein Spiel einzuarbeiten, gelten natürlich auch für anderen Spiele, wie z.B. League of Legends, Battlefield, WoW, Siedler, Need for Speed, Sims oder Facebookspiele. Bei jedem Spiel müssen Funktionen erlernt, Spielprinzipien begriffen und sogar „Vokabeln“ gelernt werden. Interessanterweise wird das fast nie als „LERNEN“ verstanden. Dabei gibt es zahlreiche Lernstrategien, um sich das Vielerlei anzueignen. Jeder hat da seinen „very special way“, seinen persönlichen Lernstil. Die meisten Games sind offen für diese vielfältigen Wege. Das Internet tut das übrige, um den eigenen Lernstil zu bedienen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass es unterschiedliche LERNstile gibt.
Menschen mit fortschrittsorientiertem Lernstil bevorzugen Informationen, die neuartig sind. Sie möchten im Denken herausgefordert werden, nicht stehen bleiben und den neuesten Stand des Wissens einbeziehen. Sie lernen am besten, wenn Sie die Dinge in Projekten gleich ausprobieren können.
Menschen mit praxisorientiertem Lernstil bevorzugen Informationen, die praktisch umsetzbar sind. Sie hinterfragen Inhalte, die ihnen zu theoretisch erscheinen, und möchten aktiv in das Geschehen einbezogen sein. Sie lernen am besten, wenn sie mit Versuch und Irrtum selbst Erkenntnisse gewinnen können. Sie lieben die Abwechslung.
Menschen mit einem gruppenorientierten Lernstil bevorzugen Informationen, die sie persönlich weiterbringen. Sie möchten von anderen lernen und mit und durch sie Neues entdecken. Sie lernen am besten, wenn sie aktiv mitbestimmen und gemeinsam Problemlösungen erarbeiten können.
Menschen mit einem interaktiven Lernstil bevorzugen Informationen, die ihnen neue Sichtweisen über sie selbst und andere Menschen ermöglichen. Hierbei bevorzugen sie Neuigkeiten. Sie lernen am besten, wenn sie aktiv mitdiskutieren können und ihre Gefühle und Meinungen äußern können.
Lehrstil?
Aber auch jeder Lehrer oder Ausbilder hat seinen persönlichen Stil, wie er Wissen weitergibt – seinen persönlichen LEHRstil. Wenn LEHRstil und LERNstil zusammenpassen, dann klappt das Lernen in der Regel gut. Passen der LEHRstil des Lehrers und der LERNstil des Schülers nicht zusammen, dann wird es anstrengend – für beide! So kommt es immer wieder vor, dass manche Schüler bei einem Lehrer richtig gut lernen können und andere gar nicht.
Als Lehrling oder Schüler kann man den LEHRstil von Lehrer oder Ausbilder nicht ändern. Deshalb ist es wichtig, den eigenen LERNstil zu kennen und zu wissen, was man selber tun kann, um trotzdem gut zu lernen.
Eigenen Stil finden
Es gibt zahlreiche Tests für Lernstile. In der Praxis hat sich das Lernstil-Profil von persolg® bewährt. Hier werden acht Lernstile unterschieden. Über einen Fragebogen wird der persönlich bevorzugte Lernstil ermittelt. Anschließend wird genau unter die Lupe genommen, wie jeder einzelne beim Lernen „tickt“ und was für ihn wichtig ist. Auch ohne Test kann man einiges über seinen persönlichen Lernstil herausfinden, indem man sich selbst beobachtet. In welchen Situationen kann ich gut bzw. nicht gut lernen? Ein paar hilfreiche Fragen sind in Abb. 1 aufgeführt. Eine der ganz wichtigen Fragen ist, wie man an ein Thema herangeht. Interessieren zunächst die großen Zusammenhänge eines Themas oder eher die Einzelheiten? Auch die acht Lernstile des persolog®-Modells werden in zwei große Blöcke unterteilt (siehe Abb. 2 + 3): in Lernstile, die sich für die großen Zusammenhänge interessieren und in Lernstile, die sich für Details interessieren.
Menschen mit einem erfahrungsorientierten Lernstil bevorzugen Informationen, die sie mit Erfahrungen verbinden und mit anderen Gruppenmitgliedern teilen können. Sie lernen am besten in kleinen Gruppen, die davon geprägt sind, dass sich kein Gruppenmitglied blamieren kann.
Menschen mit kombinierendem Lernstil bevorzugen Informationen, die sie anregen, Bekanntes mit Neuem zusammenzubringen und aus einer neuen Perspektive zu durchdenken. Sie sammeln hierbei Daten, die ihnen helfen, für Eventualitäten gerüstet zu sein. Sie lernen am besten in einer klaren Struktur mit Vorgaben und fairem Umgang miteinander.
Menschen mit einem reflektierenden Lernstil bevorzugen Informationen, die Hintergründe einer Sache beleuchten. Sie spezialisieren sich auf Gebiete, wo sie Dinge erklären und anwenden können. Sie lernen am besten durch Vorträge und durch Feedback über ihren Leistungsstand.
Menschen mit analysierendem Lernstil bevorzugen Informationen, die auf Daten und Fakten basieren. Sie möchten die Gesamtzusammenhänge verstehen und die innere Logik des Gesagten begleiten. Sie lernen am besten, wenn Sie die Dinge für sich selbst durchdenken und bearbeiten können.
Große Zusammenhänge oder Einzelheiten?
Wer sich an den großen Zusammenhängen orientiert, nimmt zuerst das große Ganze in den Blick. Die innere Vorstellung ist zunächst noch unscharf, aber man kann erahnen, in welche Richtung es gehen wird. Je mehr Informationen aufgenommen werden, desto schärfer wird das Bild (siehe Abb. 4). Wer hier von seinem Lehrer oder Ausbilder vorwiegend Einzelinformationen bekommt, dem fällt es schwer, sein Bild zu „schärfen“. Die vielen Details „hängen in der Luft“ und gehen wieder verloren, weil man sie nicht einordnen kann. Wer sich vorrangig für Einzelheiten interessiert, nimmt die Detailinformationen auf. Später fügen sich die vielen Einzelinformationen zu einem Gesamtbild zusammen (siehe Abb. 5).
Praxisbeispiel
Wer in großen Zusammenhängen denkt, tut sich schwer, die Absperrgruppe (Abb. 6) einfach nur auswendig zu lernen. Er möchte den großen Zusammenhang verstehen. Z.B. warum sich das Sicherheitsventil genau an diesem Platz befindet. Er kann sich genau herleiten, welches Teil wo und warum seinen Platz hat. In Prüfungssituationen verliert er aber mitunter viel Zeit, bis er das komplette System hergeleitet hat. Wer eher in Details denkt, lernt sie schnell auswendig und kann die Absperrgruppe problemlos aufzeichnen, tut sich aber vielleicht schwerer, die Zusammenhänge zu begreifen. Der erste benötigt zuerst die Zusammenhänge, bevor er mit Details etwas anfangen kann. Der andere benötigt zuerst die Details, um die Zusammenhänge zu verstehen. Es sind zwei unterschiedliche Herangehensweisen mit dem gemeinsamen Ziel, am Ende das komplette Thema in allen Zusammenhängen und Details zu beherrschen. Dieses Beispiel zeigt eine erste grobe Einteilung von Lernstilen. Die acht Lernstile des persolog®-Profils sind natürlich viel genauer. Je besser man seinen eigenen Lernstil kennt, umso mehr kann man selber die Bedingungen für ein gutes Lernen schaffen. Abb. 2 + 3 geben eine Übersicht über die acht Lernstile.
Frage des Stils
Bei einem neuen PC-Game nimmt man sich alle Freiheit so zu lernen, wie es einem entspricht und Spaß macht. In der Ausbildung und Schule hat man das Gefühl, dass der Weg des Lernens vorgegeben sei. Je mehr man seinen eigenen Lernstil kennt, umso mehr entdeckt man die Möglichkeiten, die man auch im Berufs- und Schulalltag selber in der Hand hat. So kann man auch dort einen Weg finden, dass das Lernen dem eigenen Lernstil entspricht und mehr Spaß macht. Denn egal wie Du Dir etwas beibringst, es geht darum, ein Thema zu beherrschen und alle Zusammenhänge und Details drauf zu haben. So wirst Du erfolgreich sein – im Berufsleben und beim Game.
Die Autoren