Nachtabsenkung der Raumtemperatur
In Zeiten der (Energie-) Not wird viel diskutiert. Die „Fachwelt“ hilft dem Bürger beim Sparen von Energie. Doch selten gibt es bei einem Thema so große Unterschiede in der Einschätzung des Sparpotenzials wie bei der Nachtabsenkung.
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Für den Einen ist völlig klar: „Was ich des Nachts nicht auf Temperatur halte, muss ich morgens wieder mit dem soeben eingesparten Aufwand nachheizen.“ Sein Fazit daher: DURCHHEIZEN
Ein Anderer argumentiert: Die nächtliche Pause spart Energie. Morgens wird angeheizt und die Ersparnis entsteht aus der Zeitdifferenz zwischen nächtlicher Außerbetriebnahme und morgendlicher kurzer Laufzeit. Sein Fazit also: NACHTABSENKUNG
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Vom protzen und sparen
Um Sinn und Unsinn einer Nachtabsenkung zu erläutern, wird folgendes Gedankenexperiment aufgebaut:
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Immer voll
Eine wohlhabende Familie möchte den Reichtum auch dadurch bekunden, dass sie Trinkwasser in einen antiken Eimer im Vorgarten fließen lässt. Dieser Eimer wird über ein Schwimmerventil (wie aus einem Spülkasten) gefüllt. Hat der Eimer die gewünschte Füllhöhe, so stoppt das Schwimmerventil die Wasserzufuhr. Das Schwimmerventil wurde in weiser Voraussicht eingebaut, musste man doch davon ausgehen, dass dieser Eimer im unteren Bereich undicht ist, antik eben. Dort tritt ständig Wasser aus. Die Menge an austretendem Wasser kann aber glücklicherweise durch das Schwimmerventil ausgeglichen werden. Die Folge: Der Eimer behält, geregelt über das Schwimmerventil, eine nur leicht schwankende Füllhöhe. Alle sind zufrieden, ist doch dieser Eimer, als Statussymbol der Familie, ständig gefüllt. Für alle sichtbar zeugt er im Vorgarten von dem Reichtum seiner Besitzer.
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Geht’s auch sparsamer?
Doch der Vater des Hauses mahnt zur Sparsamkeit und möchte nur dann Frischwasser nachfüllen, wenn auch ein Passant diesen Vorgang beobachtet oder zumindest den gefüllten Eimer sieht. Das Schwimmerventil soll fortan nur noch dann Druck auf die Leitung bekommen, wenn auch tatsächlich jemand in der Nähe ist. Ein Bewegungsmelder zur Steuerung eines Magnetventils soll dies ermöglichen.
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Das Für und Wider
Im Hause wird dieses gewagte Experiment diskutiert. Die Argumente dafür und dagegen überschlagen sich. Die Gegner der „Sparschaltung“ begründen: Die Wassermenge, die während der Absenkphase eingespart wird, muss am Ende wieder eingesetzt werden. Die Befürworter der Anlage sind daraufhin erst einmal sprachlos. Bis der sparsame Vater dann endlich eingreift und erklärt: Die Undichtigkeit im Eimer sorgt für einen ständigen Abfluss des Wassers. Dies hat zur Folge, dass der Wasserspiegel im Eimer immer weiter sinkt, wenn von oben nichts mehr nachläuft. Der Wasseraustritt am Boden des Eimers wird dadurch immer geringer, weil ja auch der Druck auf den Boden immer weiter abnimmt. Der Verlust an Wasser nimmt also in der Nachfüllpause immer weiter ab, weil der Druck auf die Undichtigkeit ja auch immer weiter abnimmt. Das Schwimmerventil, welches über den Bewegungsmelder plötzlich wieder Nachfüllwasser bekommt, wird also weniger Wasser nachspeisen müssen als bei kontinuierlicher Haltung der Füllhöhe. Jedoch, jeder Passant sieht das was er sonst auch gesehen hat, einen voll gefüllten Eimer. Dieser Vortrag des Familienoberhauptes überzeugte auch die Zweifler im Hause. Die Einrichtung mit dem Bewegungsmelder und dem Magnetventil wurde installiert. Es ist sogar überliefert, dass ein Anlagenmechaniker kurze Zeit später die Heizungsanlage auf Nachtabsenkung umstellte.
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Man ahnt schon was…
Ähnlich wie in diesem Vergleich verhält es sich bei der Beheizung eines Gebäudes. Die Heizungsanlage mit samt der Regelung (Schwimmerventil) hält eine angestrebte Temperatur von meist 20 °C (Füllhöhe des Eimers) im Hause aufrecht. Die Wärmeverluste (Leckage am Boden des Eimers) machen ein ständiges Nachheizen notwendig, will man die Temperatur von 20 °C halten. Wird eine Nachtabsenkung oder auch Nachtabsenkung angestrebt, so wird akzeptiert, dass die Temperatur im Hause absinkt (die Füllhöhe im Eimer sinkt). Bei sinkender Temperatur im Hause reduzieren sich die Wärmeverluste (die Auswirkung der Leckage wird immer geringer). Man kann pro Grad reduzierter Raumtemperatur mit einer Ersparnis von um die fünf Prozent rechnen (pro 10 Zentimeter Wasserstand reduziert sich der Druck auf den Boden des Eimers um 10 mbar). Am Morgen wird wieder auf 20 Grad Raumtemperatur beheizt (der Wasserstand wird ergänzt sobald ein Passant in Sichtweite gerät). Die Ersparnis ergibt sich aus den reduzierten Verlusten (geringerer Schwund des Leckwassers bei abnehmender Füllhöhe) während der Absenkphase. Die Absenkphase findet natürlich deshalb nachts statt, weil Komfortbedürfnisse der Bewohner (Prahlsucht der wohlhabenden Familie) in dieser Zeit kaum berührt werden.
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Noch mehr Übertragungen?
Vorstellbar ist für den Eimer die nachträgliche Abdichtung der Leckage. Dies entspricht der nachträglichen Dämmung eines Hauses. Ein komplett dichter Eimer, der durch einige wenige Regengüsse des Jahres ausreichend gefüllt wird, entspricht in etwa einem Passivhaus. Die Wassereinsparung wird mit zunehmender Dichtheit des Eimers natürlich immer geringer. Im übertragenen Sinne wird also ein Passivhaus durch Nachtabsenkung, wenn überhaupt, nur noch geringe Einsparungen erzielen können. Ein extrem undichter Eimer hingegen stellt für die skizzierte Sparschaltung das höchste Einsparpotenzial dar und entspricht natürlich einem Haus mit sehr schlechter Dämmung. Alle anderen Häusertypen liegen irgendwo dazwischen. Ob eine Nachabsenkung Sinn macht oder nicht, hängt also ganz klar von der Qualität des Hauses ab, in dem gespart werden soll.