Warme Füße für Püppi
Da hängt er der metallene Kasten, genannt Heizkörper. Der Chef hat ihn persönlich ausgelegt. Bei einer Vorlauftemperatur von 55 °C und 45 °C im Rücklauf sollte er 1000 Watt liefern. Und jetzt kriegt er den Dachraum nicht warm.
Der Raum im Spitzboden sollte das Jugendzimmer der hübschen Tochter des Hauses, genannt Püppi, werden. Und nun hat sie schon bei 5 °C Außentemperatur Eisfüße. Der Chef sagt ganz klar, er habe den Körper exakt für diese Leistung aus dem Katalog ausgewählt (wir berichteten in der Ausgabe 12/2008; auch bequem im Heft-Archiv unter www.sbz-monteur.de zu finden). Wenn der jetzt nicht die Leistung bringt, dann liege das an der Heizungsanlage. Nun frage ich mich, wie Big Boss diesmal aus dem Schlamassel rauskommen will.
Auf Spurensuche
Die Indizien sprechen erstmal wirklich für eine ordentliche Installation, kein Wunder habe ich ja selbst mit der akribischen Genauigkeit eines Azubis verlegt. Aber warum friert Püppi? Ein Griff in den Messkoffer des Chefs bringt ein digitales Thermometer ans Licht, dazu ein passender Anlegefühler. Die Temperatur im Vorlauf wird von ihm an dem blanken Kupferrohr gemessen. Mit 38 °C auf dem Display möchte ich schon fast aufschreien vor Freude, da haben wir den Fehler. Denn wenn die Anlage zu kalt ist, also keine 55 °C zum Heizkörper schickt, dann kann das auch nix werden mit der Leistung. Der Chef faselt dann etwas von einer Heizkurve und auch ich erinnere mich. Der Auslegungsfall ist bei minus 12 °C und nur dann soll die Auslegungstemperatur bereit stehen. Würde man bereits bei plus 5 °C Außentemperatur die 55 °C Vorlauftemperatur erreichen, dann wäre zwar Püppi geholfen, aber die Wirtschaftlichkeit der gesamten Heizungsanlage ginge baden. Jetzt hält der Chef den Messfühler an den Rücklauf des Heizkörpers. Die Ausgangstemperatur beträgt nur 24 °C. Ich denke mir, dass es ja wohl besser nicht sein kann. Denn der Heizkörper kühlt das heiße Wasser ja sehr effizient herunter. Der Chef spinnt jetzt etwas von mangelnder Durchströmung und einem hydraulischen Abgleich. Dabei registriere ich so ein irres Funkeln in seinen Augen.
Der Indizienprozess
Dem Heizkörper fehlt es tatsächlich an einem ordentlichen Schluck Wasser. Zum einen ist dieser im Spitzboden der letzte einer langen Reihe von Heizkörpern. Auf dem Weg zu diesem entferntesten aller Blechboxen hat das Heizwasser den Widerstand des Rohrnetzes zu überwinden. Der Widerstand zum Spitzboden ist der größte. Dem Wasser fehlt der entsprechende Schwung. Und obwohl die Umwälzpumpe Vollgas gibt, kommt hier oben, bei der süßen Püppi, nicht genug an. Der winzige Wasserstrom wird zwar im Vorlauf gemäß der eingestellten Heizkurve mit 38 °C in den Körper hineinströmen. Aber das winzige Bächlein kühlt sich auf dem Wege sehr stark ab. Mit 38 °C rein und mit 24 °C wieder heraus bedeutet, dass der Heizkörper in der Mitte eine Temperatur von 31 °C hat (denn (38 + 24 ) / 2 = 31).
Würde das Wasser schneller durch den Körper gejagt, wäre es am Ausgang heißer und die mittlere Temperatur höher. Der Chef schickt mich durchs Haus. Ich soll sämtliche Heizkörper absperren. Glücklicherweise kommt Püppi mit und zeigt mir alles. Als wir verschwitzt wieder oben ankommen, sehe ich schon wie der Chef sein Siegesgrinsen aufgesetzt hat. Schon bevor der letzte Heizkörper geschlossen war, stand für diesen im Spitzboden endlich genügend Massenstrom zur Verfügung. „Der Körper zieht durch“, sagt der Chef und die Rücklauftemperatur hat sich auf mittlerweile 32 °C anheben lassen.
Abgleich für mehr Leistung
Am nächsten Tag sind wir zurück bei Püppi, also in ihrem Elternhaus. Der hydraulische Abgleich steht an (wir berichteten über solche Maßnahmen mit der Ausgabe 5/2009, auch bequem im Heft-Archiv unter www.sbz-monteur.de nachschlagbar) und die Umwälzpumpe im Keller wird gegen eine selbstregelnde Hocheffizienzpumpe getauscht. Der Spitzboden wird seither warm, denke ich jedenfalls. Denn bisher haben Püppis Eltern nicht mehr angerufen. Ich überlege, wie ich die Kupferspäne von der Baustelle in die Titanzink-Dachrinne von der Gaube an Püppis Spitzboden bekomme. Denn irgendwas geht doch immer. Da klingelt mein Handy: „Ich bin´s Püppi…“