Gleichberechtigung auf allen Wegen
Eigentlich könnte es uns Anlagenmechanikern doch egal sein wie weit da so ein wässriger Stromfaden wandern muss. Ein Meter mehr oder weniger wird doch wohl nichts ausmachen.
Die Fragestellung suggeriert aber schon, dass es uns doch etwas ausmachen sollte. Ein Herr Alfons Tichelmann sinnierte bereits vor über 100 Jahren darüber, wie er gleichberechtigte Rohrführungen dazu nutzen könnte eine gleichmäßige Durchströmung herzustellen. Wozu das dann gut ist und wie der Aufbau sich gestaltet, erfahren Sie in diesem Bericht.
Der Letzte „verhungert“
Wenn Wasser per Pumpendruck durch ein Rohrnetz getrieben wird, entsteht immer Reibung an den Rohrwandungen. Die Dynamik ist daher in Fließrichtung direkt hinter der Pumpe am größten. Trifft also ein Stromfaden auf ein T-Stück und ist der dynamische Druck noch entsprechend groß, so wird sich der Stromfaden noch recht flott auf die Abbiegung einlassen und dabei einem Heizkörper (HK) durchströmen. Am nächsten T-Stück nimmt diese Tendenz bereits ab und verschwindet in Fließrichtung nach hinten immer mehr. In einer konventionell verlegten Anlage (Bild 1) verhungert daher der letzte HK, jener mit der Nummer 6 im System, während HK 1, sich im satten Strom kräftig erwärmt. Wollte man sie gleichschalten, so müsste man diese sämtliche HK hydraulisch abgleichen. Man könnte also den Zufluss zum HK 1 stark drosseln, zum HK 2 weniger stark drosseln und so weiter. Den HK 6 in der Reihe würde man dann komplett ungedrosselt betreiben. So würde man eine Art erzwungen Gleichberechtigung schaffen. Wollt man auf diesen Zwang verzichten, so könnte man die Verlegung nach Tichelmann in Erwägung ziehen (Bild 2). Der HK 6 erhält dann weiterhin den längsten Vorlauf, dafür aber den kürzesten Rücklauf. Und der vermeintlich erste HK 1 reiht sich in Sachen Rücklauf entsprechend auf dem letzten Platz ein. Sämtliche andere HK liegen dazwischen und weisen allesamt die gleichen Druckverluste im Rohrnetz auf. Hydraulik, was willst du mehr?
Ernte gut?
Ähnliche hydraulische Probleme stellen sich auch in Solaranlagen. Der in Fließrichtung erste Kollektor in Bild 3 KOL 1 wird reichlich durchströmt. Die geerntete Solarenergie wird flux abtransportiert. Die Durchströmung ist ja entsprechend kräftig. Bei starker Durchströmung des KOL 1 ergibt sich aber eine geringere Temperaturerhöhung als bei schneller Durchströmung. Unter Umständen verlässt das Wasser den ersten Kollektor noch viel zu kühl. In Fließrichtung nach hinten wird es dann immer langsamer. Das erhöht dann zwar die Austrittstemperatur aus dem Kollektor senkt aber gleichzeitig dessen Effektivität. Sinn und Zweck der Durchströmung der Kollektoren ist also zielgerichtet und sollte nicht dem hydraulischen Zufall überlassen werden. Daher bietet sich insbesondere für thermische Solaranlagen die Anschlussmöglichkeit nach Tichelmann an (Bild 4). Ohne technische Hilfsmittel und nur durch die entsprechende Verlegung sind die Kollektoren gleichberechtigte Partner in einem Netz. Es ist nicht mehr dem Zufall überlassen welche Volumenströme sich einstellen. Die Ernte vom Dach wird kalkulierbarer.
Nur Vorteile für Tichelmann?
Wird die Verlegung nach Tichelmann angestrebt, so führt dies unter Umständen zu einem Mehrverbrauch an Rohrleitungen. Das bezieht sich dann natürlich auch auf die Dämmung. Daher ist Tichelmann niemals zum Standard erhoben worden. Diese Anschlussart setzt bei den Monteuren das Verständnis für diese Art der Verlegung von Rohren voraus. Das Rohrnetz baut sich auf den ersten Blick vielleicht sogar mit unterschiedlichen Dimensionen für Vor- und Rücklauf auf, da ja unterschiedliche Massenströme an den jeweiligen Heizkörpern entlang transportiert werden. Das Ergebnis der Verlegung nach Tichelmann führt aber fast immer zu einer unkomplizierten und funktionstüchtigen Hydraulik. Im Zweifel also Tichelmann.