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Den richtigen Hebel ansetzen

Wie entsteht eigentlich ein Drehmoment?

"Unendlich ist des Klempners Kraft, wenn er mit dem Hebel schafft" (Verfasser unbekannt ;-) )

Jeden Morgen, kurz nach dem Aufstehen, setzen wir erstmalig den Hebel an. Nämlich dann, wenn wir eine Türklinke herabdrücken um ein Zimmer zu verlassen oder zu betreten. Es ist daher ein zutiefst verinnerlichter Vorgang, über den wir uns kaum Gedanken machen.

Was der Bugatti Veyron mit einem Drehmomentschlüssel zu tun hat erfahren Sie 
in diesem Bericht
Was der Bugatti Veyron mit einem Drehmomentschlüssel zu tun hat erfahren Sie in diesem Bericht

Nicht so im SBZ Monteur. Wir wollen einige Besonderheiten aus beruflicher Sicht beleuchten. Abschließend lüften wir auch ein Geheimnis, das sonst eher die Ölfüße (Neudeutsch: Kfz-Mechatroniker) angeht. Was soll die Angabe des Drehmoments bei einem Auto?

Formeller Ansatz

In den Formelsammlungen steht meistens zum Thema Drehmoment:

M = F x l

wobei

M = Drehmoment in Newtonmeter (Nm)

F = Kraft in Newton (N)

l = Hebelarm in Meter (m)

Für ein Drehmoment ist also eine Kraft verantwortlich, die von einem Drehpunkt entfernt wirkt.

Ganz einfach kann man sich eine Kraft vorstellen, als ein Gewicht, das auf einen Punkt wirkt. Je größer das Gewicht, desto stärker die Kraft, klar.

Es gilt die Formel:

F = m x a

F = Kraft in Newton (N)

m = Masse in Kilogramm (kg)

a = Beschleunigung in Meter /Quadratsekunde (m/s²)

Will man beispielsweise die Gewichtskraft eines Sandsacks mit einer Masse von 10 Kilogramm ermitteln, so ergibt sich

F = 10 kg x 9,81 m/s² = 98,1 N

Eine Schranke mit einem 10-Kilo-Sack in ein Meter Abstand zum Drehpunkt
(Bild: IBH)
Eine Schranke mit einem 10-Kilo-Sack in ein Meter Abstand zum Drehpunkt (Bild: IBH)

Würde man diesen Sandsack in einem Meter Abstand vom Drehpunkt einer Schranke aufhängen, so würde ein Drehmoment von

M = 98,1 N x 1 m = 98,1 Nm

wirken.

Zum Festziehen eines Ventileinsatzes wird ein Drehmoment erzeugt
(Bild: IBH)
Zum Festziehen eines Ventileinsatzes wird ein Drehmoment erzeugt (Bild: IBH)

Im beruflichen Monteur-Alltag wird beispielsweise beim Verschrauben von Gewinden ein Drehmoment erzeugt.

Das Bild des Verstellschlüssels, auch Engländer genannt, zeigt das mögliche Drehmoment, für verschiedene Ansätze.

A) In Punkt -I- wirkt eine Kraft von 100 Newton (N)

M = 100 N x 0,05 m = 5 Nm

B) In Punkt -II- wirkt eine Kraft von 100 N

M = 100 N x 0,10 m = 10 Nm

C) In Punkt -III- wirkt eine Kraft von 100 N

M = 100 N x 0,15 m = 15 Nm

D) In Punkt -I- wirkt eine Kraft von 200 N

M = 200 N x 0,05 m = 10 Nm

Erste Erkenntnis:

Je weiter vom Drehpunkt entfernt eine Kraft wirkt, desto höher fällt das Drehmoment aus (Beispiele A, B, C).

Zweite Erkenntnis:

Um ein gleich großer Drehmoment in geringerem Abstand zum Drehpunkt zu erzeugen, muss die wirkende Kraft entsprechend erhöht werden (Beispiel B, D).

Zum Lösen einer Befestigung nutzt man einen großen Hebelarm (links). Die 
leichte Dreharbeit beim Ausschrauben kann darauf verzichten (rechts)
(Bild: IBH)
Zum Lösen einer Befestigung nutzt man einen großen Hebelarm (links). Die leichte Dreharbeit beim Ausschrauben kann darauf verzichten (rechts) (Bild: IBH)

Was tun mit Erkenntnissen?

Beide Erkenntnisse sind im Alltag von Otto Normalbürger bereits integriert. In Deutschland drücken wir beispielsweise entsprechend geformte Türklinken nach unten, während Amerikaner Türknaufe verdrehen. Das kostet die Amis mehr Kraft, weil der Hebelarm bis zum Drehpunkt enorm verkürzt ist. In Deutschland leben wir daher beim Öffnen von Türen ein wenig bequemer (Good old Europe).

Der Anlagenmechaniker jedoch muss dieses Wissen sehr viel spezifischer im Berufsleben anwenden.

Klassiker dabei ist die alte vergammelte Verschraubung. Der zöllige Eckschwede wird angesetzt um die Verschraubung zu lösen. Trotz ganzem Körpereinsatz bewegt sich das Ding nicht. Aus dem Wagen wird dann eine passendes Stahlrohr geholt um damit den Hebel des Eckschweden zu verlängern. Nur in ganz seltenen Fällen ist das so erzeugbare Drehmoment dann immer noch nicht ausreichend um die Verschraubung zu lösen. Die Werkzeughersteller empfehlen diese Vorgehensweise übrigens nicht, da weder die Verzahnung der Backen noch die bewegten Gelenke für derartige Belastungen ausgelegt sind.

Ein weiteres Beispiel sind Inbusschlüssel. Um eine feste Verbindung einer Schraube zu lösen wird man sicherlich den Hebelarm maximieren. Die leichte Drehtätigkeit zum endgültigen Ausschrauben wird dann normalerweise ohne den lästigen, propellerartigen Hebelarm und im Eiltempo durchgeführt.

Um mittels Aufbringen eines Drehmoments zwei Teile zu verbinden wird 
eigentlich die Zugspannung der Schraube genutzt
Um mittels Aufbringen eines Drehmoments zwei Teile zu verbinden wird eigentlich die Zugspannung der Schraube genutzt

Anziehen mit Drehmoment

Für empfindliche Verbindungen werden gerne Vorgaben gemacht, bezüglich des Drehmoments, mit dem die Schrauben angezogen werden sollten. Durch ein solches Anzugsmoment überträgt sich die eine Spannung der Schraube auf die zu verbindenden Bauteile wie beispielsweise zwei Flanschen. Zwar wird durch das Anzugsmoment die Schraube eigentlich ja nur verdreht. Aber gleichzeitig wandern ja Schraubenkopf und Mutter aufeinander zu. Man kann daher letztlich über ein Anzugsmoment auch auf die Zugkraft der Verbindung schließen.

Genau zu diesem Zweck gibt es einstellbare Drehmomentschlüssel. Diese machen durch ein deutliches Klacken auf sich aufmerksam und kennzeichnen so das Erreichen eines voreingestellten Drehmoments. Damit wird die Schraubverbindung einschätzbar, was die Belastung angeht.

Denkbar wäre eine solche Drehmomentvorgabe auch für die Installation von Waschtischen oder wandhängenden WC´s. Der Anlagenmechaniker kennt das Problem die Festigkeit der Verbindung der von zwei Stockschrauben gehaltenen Keramik einzuschätzen. Ein zu kräftiges Anziehen kann auch schon mal den Bruch der Keramik nach sich ziehen. Aber die Industrie vertraut da weiterhin dem Feingefühl des Anlagenmechanikers, weshalb es keine umfassenden Vorgaben hierfür gibt.

Drehmoment beim Automotor

Wenn oberhalb des Kolbens eine Explosion den Kolben nach unten treibt, so wir diese Bewegung auf die Pleuelstange übertragen. Diese überträgt die Bewegung auf die Kurbelwelle. Und der Drehpunkt der Kurbelwelle erfährt also ein Drehmoment. Nehmen wir jetzt mal die Werte des drehmomentstärksten zivilen Fahrzeugs, eines Bugatti Veyron. Mit 1250 Nm versucht dieser Bolide die Antriebswelle zu einem Korkenzieher zu verdrehen. Entscheidend ist aber nicht alleine dieses Drehmoment. Denn das entspricht in etwa einem Gewicht von 125 Kilogramm (2 sehr leichtgewichtige Monteure) im Abstand von einem Meter zum Drehpunkt.

Aber davon entsteht ja noch kein Vortrieb. Das überlegene Drehmoment wird aber während einer ganzen Umdrehung aufrechterhalten. Und wenn sich dieses Drehmoment bei Drehzahlen von 2200 bis 5500 Umdrehungen pro Minute einstellt, dann ergibt sich eine Leistung von wunderbaren 736 kW (1000 PS). Das reicht dann, um in 2,5 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen. Leistung ergibt sich also als Zusammenspiel von Drehmoment und Drehzahl.

Die Formel lautet übrigens:

Leistung (kW) = Drehmoment (Nm) x Drehzahl (1/s) x 2 x π

Als Firmenfahrzeug wäre der Veyron sicher geeignet, um auch mal die eine oder andere Überstunde zu akzeptieren.

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