Wie Heizungsprofis für Ruhe sorgen
Die Anwaltspraxis in der wir letzte Woche heizungstechnisch tätig waren, machte einen guten Eindruck. Emsige Schreibtischler, die umgeben von massiven Büromöbeln, unheimlich wichtig wirkten. Mittendrin unser Cheffe und ich. Die Leiterin der Kanzlei, eine divenhafte Endvierzigerin, zeigte uns ihr derzeit größtes Problem: das Besprechungszimmer im Erdgeschoss.
Als Problem konnte ich dieses Zimmer nicht wahrnehmen. Elegante Möbel, fette Sessel und eine riesige Medienwand an der wohl bisher wohl nur die öden Powerpoint-Präsentationen dieser Rechtsverdreher gezeigt wurden. Herrlich für eine Filmnacht mit Herr der Ringe oder so... Frau Doktor erläuterte in kurzen und prägnanten Sätzen ihr Problem: „Wenn wir hier im Winter ein Meeting durchführen, stört uns ständig so ein Rauschen. Die Temperaturen in diesem Raum sind Wintertags deutlich zu hoch und nur erträglich, wenn wir die Fenster öffnen. Bei dem Verkehrslärm auf der Düsseldorfer Königsallee ist das aber inakzeptabel. Vor Ihnen waren schon sieben stümperhafte Schrauberfirmen in meiner Kanzlei und haben dieses Problem nicht beseitigen können. Ich sage es ohne Umschweife, gezahlt wird nur bei Erfolg. Kriegen Sie das in den Griff?“
Die Indizienkette
Ups! Ich stellte mir zusätzlich die Bestrafung durch Frau Dr. Diva vor, wenn sie uns nach einem Scheitern der Mission mit einer Reitgerte eins überzieht. Cheffe aber blieb cool. „Kriegen wir hin!“, war seine Antwort und als wäre er vom Wahnsinn geküsst fügte er hinzu: „Wir Menschen können zum Mond fliegen und sollen dann an einem solchen Problem scheitern?“ Madame war sichtlich beeindruckt und ließ uns allein. Offensichtlich, erklärte Cheffe, wird hier der maximale Differenzdruck der Thermostatventile überschritten. Der Heizraum liegt direkt unter diesem Zimmer. Die Umwälzpumpe baut enormen Druck auf und den vertragen die pumpennahen Heizkörperventile in diesem Raum nicht. Die Fließgeschwindigkeit an den engen Umlenkungen dieser Ventile ist dann derart hoch, dass ein hörbares Pfeifen entsteht. Und wenn die gewünschte Raumtemperatur erreicht wird, dann können die zugehörigen Thermostatköpfe nicht genug Kraft ausüben um den Ventilkegel auf den Ventilsitz zu drücken um den Heizkörper zu schließen. Er hielt seinen angeleckten Finger in die Luft fügte hinzu: Wahrscheinlich liegt der Druck über 200 Millibar, das ist meistens die Grenze. Der Gegendruck des Heizwassers ist dann einfach zu groß. „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, eine kleinere Pumpe muss also eingebaut werden,“ folgerte ich. Cheffe korrigierte meinen Ansatz mit einem wohlwollenden Lächeln. Das würde zwar die Geräusche mindern, stellte er meisterlich fest, aber die weit entfernten Heizkörper im Rest der Kanzlei würden verhungern, also nur gering durchströmt. Der Druck zu diesen Körpern muss also auch erhalten bleiben damit die Juristen nicht in anderen Räumlichkeiten schnattern. Aber alles geht nicht, dachte ich mir. Cheffe war schon wieder ein paar Gedankenblitze weiter.
Die Lösung des Falles
Im Keller nahmen wir trotz der sommerlichen Temperaturen die Umwälzpumpe in Betrieb. Im Besprechungszimmer rauschte erstmal nix, außer man hielt das Ohr direkt an ein Ventil. Dann schlossen wir sämtliche Ventile außerhalb des Besprechungsraums. Siehe da, die Geräusche wurden immer lauter, je mehr Heizkörper außerhalb des Raumes abgesperrt wurden. Die Indizienkette verdichtete sich also zu einer Überzeugung. Wir schauten uns die Heizungsleitungen unter dem Besprechungszimmer an. Eine einzige Zuleitung und dann auch noch frei zugänglich, also ideal für die angestrebte Mission meinte Cheffe. „Hier kommt ein Differenzdruckregler rein - 150 Millibar reichen für die paar Riesen-Gussklopper im Meetingraum locker aus. Und dann tauschen wir noch die bestehende alte Umwälzpumpe gegen eine differenzdruckgeregelte der neuesten Generation. Dadurch bleibt den Thermostatventilen der Druck-Kollaps erspart.“ Gesagt getan, jedoch brauchten wir über achteinhalb Stunden zur Abwicklung der gesamten Geschichte. Der Probelauf war dafür aber auch ein einziger Siegeszug. Frau Dr. Diva war nochmals beeindruckt und honorierte die Leistung dann auch mit einem fetten Trinkgeld für mich (Chefs kriegen selten Trinkgeld, Schicksal). Wenn man diesen Sonderlingen (und dazu zählen nicht nur Anwälte) Probleme abnimmt, werden sie zum Teil ungeahnt zahm. Cheffe bot ihr dann noch eine zusätzliche Leistung an. Der hydraulische Abgleich der gesamten Anlage wäre aus fachlicher Sicht notwendig und würde die Effizienz der Heizung steigern und damit die laufenden Kosten senken.
Dieser Einsatz würde sich für Madame ruckzuck bezahlt machen. Sie willigte schmunzelnd ein. Im Rausgehen richtete Cheffe noch die Frage an Dr. Diva: „Haben Sie schon mal Herr der Ringe als Blue-Ray-Edition gesehen?“ Er blieb noch stehen - und ich ging zum Wagen. Was für ein Job, was für ein Cheffe...