Damit sind die Nichtwisser natürlich nicht für alle Zeiten zu Dummschwätzern abgestempelt. Aber wenn wir Fachleute über unsere Trinkwasseranlagen sprechen, dann sollte eigentlich klar sein, wie sich ein solches Gesamtkunstwerk dimensionieren lässt. Ansonsten geht ja der Blick für die einzelnen Einflüsse verloren. Oder? Beantworten Sie mal im Vorfeld zu diesem Bericht die folgenden, wirren Fragen.
A) Welche Information des Wasserversorgers sollte zwingend bekannt sein, wenn man ein Rohrnetz berechnen will?
B) Welchen Einfluss auf die Trinkwasserinstallation hat denn der Wechsel von hydraulisch zu elektronisch gesteuerten Durchlauferhitzern auf ein Rohrnetz?
C) Haben Rohrarten Einfluss auf die Dimensionierung? Ist also ein DN 12 aus Kupfer wie ein DN 12 aus PEX?
D) Werden in einem mehrgeschossigen Wohnhaus die Bäder im Erdgeschoss zwingend genauso dimensioniert wie im vierten Obergeschoss?
E) Ist es für das Rohrnetz einerlei, ob als Dusche eine Komfort- oder Standarddusche montiert wird?
F) Werden zur Auslegung der Rohrleitungen sämtliche Duschen eines Wohnhauses als gleichzeitig benutzt angesehen?
G) Werden die Rohrleitungen von Reihenduschen einer Sporthalle für eine gleichzeitige Nutzung ausgelegt?
Zugegeben, das sind Verständnisfragen, die so nicht zwingend in jeder Baubesprechung vorkommen. Aber wer hierzu sofort eine Antwort geben kann, wird wesentliche Teile der Berechnung verstanden haben. Also, auf geht´s, und im Zweifel zu neuen Erkenntnisufern!
Sinn und Zweck
Man sollte niemals aufhören, nach dem Sinn und Zweck von Vorschriften zu fragen, so auch nach dem Sinn der DIN 1988-300, die uns bereits im Mai 2012 beglückte. Sie gilt nämlich seither als Regel zur Ermittlung der Rohrdurchmesser in Trinkwasserinstallationen.
Und Ziel ist es immer noch, ein Rohrnetz nur so groß wie unbedingt notwendig zu bauen. So bleibt der Aufwand wirtschaftlich vertretbar, denn Rohrmaterial, Fittings, Befestigungen und die abschließende Dämmung kosten ja schließlich richtig Geld. Aber nicht nur die Wirtschaftlichkeit ist entsprechend wichtig. Es gilt auch und ganz besonders, den hygienischen Aspekt im Auge zu behalten. Wasser muss fließen, heißt es daher. Und ein zu dickes Trinkwasserrohrnetz kann zu Problemen führen.
Um nun nicht ins andere Extrem umzuschlagen, sind natürlich auch die Mindestanforderungen von Zapfstellen zu beachten. Es bringt beispielsweise nichts, wenn man eine Dusche an eine Leitung mit sehr hoher Fließgeschwindigkeit und daher mit hohem Druckverlust anschließt, und aus der Dusche tröpfelt es dann nur zaghaft und das Wasser spült nicht einmal mehr den Schaum aus den Haaren. Zu kleine Querschnitte sind eben auch nicht selig machend.
Also sollte eine Installation am Ende funktionstüchtig, wirtschaftlich und hygienisch sein.
Mit dem Druck auskommen
Um ein Rohr zu durchströmen, muss Energie aufgewendet werden, freiwillig tut sich da nix. Diese Energie steckt in einem Trinkwasserrohrnetz in Form von Druck. Öffnet man ein unter Druck stehendes Trinkwassersystem, so tritt an der Öffnung das Wasser aus, und zwar so lange, bis sämtlicher Druck abgebaut ist. Das ist bei unseren Wasserversorgern so gut wie nie der Fall. Druck und damit Wasser wird immer nachgeliefert. Es gilt also, den Druck, der unten im Keller des Hauses ansteht, so zu nutzen, dass dieser ausreicht, das Rohrnetz zu den jeweiligen Verbrauchern zu durchströmen, also dem Handwaschbecken im Gäste-WC, der Spülmaschine in der Küche sowie der Dusche im Obergeschoss.
Und die Energie, geliefert in Form von Versorgungsdruck, darf zwischen Eintritt ins Haus und Austritt aus dem jeweiligen Verbraucher nicht verballert sein. Vorausgesetzt, man möchte immer den gleichen Volumenstrom transportieren, ist ein dünnes Rohr schwerer zu durchfließen als ein dickes Rohr. Im dünneren Rohr liegt, bei gleichem Volumenstrom, eine höhere Fließgeschwindigkeit vor und die erzeugt einfach mehr Reibung und kostet daher mehr Energie.
Die Rohrreibung wird gerne in Millibar pro Meter angegeben. Wollte man 0,5 Liter pro Sekunde als festen Volumenstrom transportieren, so könnte man das ganz sicherlich in einem DN 12, 15, 20 und 25 erledigen (siehe Tabelle zum Rohrreibungsdruckverlust). Der Druckverlust pro laufendem Meter würde in einem DN 12 entsprechend höher sein als in einem DN 25, aber sehen Sie selbst.
Hätte ich nur 300 mbar zur Verfügung, dann könnte ich mit einem
DN 12
300 mbar / 123,6 mbar/m = 2,4 m
DN 15
300 mbar / 45,7 mbar/m = 6,6 m
DN 20
300 mbar / 15,7 mbar/m = 19,1 m
DN 25
300 mbar / 5,4 mbar/m = 55,6 m
an Rohrstrecke durchfließen, ausgehend von einem Startdruck der 300 mbar höher ist als der Enddruck, bei konstanten 0,5 Litern pro Sekunde.
Den Volumenstrom ermitteln
Will man also wissen, welchen Volumenstrom eine Leitung transportieren soll, so schaut man sich die daran angeschlossenen Verbraucher an, also Waschtisch, WC, Badewanne und was da noch alles dranhängen kann. Diese Verbraucher werden aber nicht zwangsläufig gleichzeitig betrieben. Also muss auch die Zuleitung nicht für sämtliche daran angeschlossene Verbraucher bei gleichzeitiger Nutzung dimensioniert werden. Zu diesem Zweck gibt es ein Diagramm oder auch eine Formel zur Umrechnung der Gleichzeitigkeit. Darin wird in Abhängigkeit von der Nutzungsart der wahrscheinlich resultierende Volumenstrom errechnet.
Man kann am Diagramm schon ablesen, dass die Wahrscheinlichkeit für eine gleichzeitige Nutzung bei einem Hotel höher liegt als bei einem Wohnhaus. Würde man beispielsweise an eine Leitung Verbraucher anschließen, die alle zusammen 80 Liter pro Sekunde [l/s] verbrauchen würden, dann müsste die Leitung in einem Hotel für 5,6 l/s und in einem Wohnhaus für 2,4 l/s gebaut werden.
Restdruck ermitteln
Also einerseits weiß man irgendwann, für welchen Volumenstrom das jeweilige Rohr dimensioniert werden soll. Und Ziel ist es dann noch, dass für das Durchfließen des Rohres alleine der Versorgungsdruck ausreichen muss.
Wenn also der Versorgungsdruck 5000 mbar betragen würde und die Rohrleitung zum Verbraucher wäre 100 Meter lang, so könnte theoretisch 5000mbar / 20 m = 250 mbar/m verbrauchen.
Das stimmt leider nur auf den ersten Blick. Denn faktisch ist die Rohrreibung nicht die einzige Einflussgröße auf den Druck.
Differenz am Wasserzähler
Das Wasser einer Installation wird standardmäßig immer durch einen Wasserzähler geschickt. Den durchströmt das Wasser aber nicht freiwillig und es treibt auch nicht freiwillig das Flügelrad darin an. Dazu wird also immer ein Druck als Energielieferant abgebaut.
Differenz durch Höhenunterschied
Das Wasser klettert nicht freiwillig in den Geschossen nach oben. Auch dazu wird Energie verlangt, was letztlich wieder zu einem Druckabbau führt.
Differenz durch Apparate
Hört sich ein wenig schräg an, meint aber nur, dass in einer Trinkwasserleitung auch Apparate den Volumenstrom bremsen können. Dies können Filter oder auch Trinkwassererwärmer sein. Um diese Apparate zu durchströmen, wird wiederum Druck abgebaut.
Differenz durch Rückflussverhinderer
In jede Trinkwasserinstallation gehört ein Rückflussverhinderer. Dabei handelt es sich natürlich auch um ein Bauteil, das Druck „vernichtet“.
Es muss noch etwas ankommen
Am Ende eines Fließweges, also dem Weg zwischen dem Hausanschluss und einem Verbraucher, muss noch Druck anstehen, sonst reicht es eben doch nicht, um den Schaum aus den Haaren zu bekommen oder die Finger zu waschen. Eine gewisse Restenergie muss also erhalten bleiben.
Von den eben beschriebenen 5000 mbar bleibt also im Zweifel nicht viel über, wie wir in diesem angenommenen Beispiel sehen.
Startwert: 5000 mbar
Druckverlust am Wasserzähler: 200 mbar
Druckverlust aus Höhendifferenz von 10 Metern: 1000 mbar
Druckverlust aus Apparaten und Rückflussverhinderern: 800 mbar
Mindestfließdruck für eine Dusche: 1000 mbar
Statt des blauäugig angesetzten Drucks von 5000 mbar bleiben am Schluss nur 2000 mbar über, um auf dem Weg zum Verbraucher die notwendige Energie zur Fortbewegung zu liefern. Statt satte 250 mbar/m bleiben noch 100 mbar/m bei einer Strecke von 20 Metern.
Dimensioniere und herrsche
Die 20 Meter aus dem gedachten Beispiel laufen aber in der Regel nicht schnurgeradeaus. Es gibt auch zusätzlich noch ein paar Abzweige, die für Verwirbelungen sorgen. Also Fittings wie Bogen und T-Stücke schlucken in der Regel auch noch Energie, die man als Einzelwiderstände bezeichnet. Der Anteil dieser Bremsen kann sogar erheblich sein und mehr als 50 Prozent des gesamten Druckverlustes im Rohr ausmachen. Letztlich steht da also die letzte Regel.
Sehr platte Annahmen
Die hier skizzierte Berechnung ist natürlich auf das Wesentliche reduziert. Für das Verständnis reicht das aber durchaus. Denn auf diese Weise wird bereits klar, wenn man wenig Verbrauch an Druckenergie hat, kann man dünner dimensionieren als bei üppigem Verbrauch an Druck im System. Und vielleicht kann man aufgrund der genannten Zusammenhänge die anfangs gestellten Fragen beantworten. Also:
Der Mindestversorgungsdruck sollte mindestens bekannt sein, um einerseits keine unnötigen Reserven in das Rohrnetz zu stecken. Andererseits kann so eine Unterversorgung von Verbrauchern vermieden werden.
Hydraulisch gesteuerte Durchlauferhitzer [DLE] haben einen höheren Druckverlust als die elektronisch geregelten. Elektronisch geregelte DLE kommen daher mit einem dünneren Rohrnetz aus.
Wenn eine Rohrart innen weniger rau ist und aus diesem Grund weniger Druckverlust erzeugt, kann insgesamt kleiner dimensioniert werden.
In einem mehrgeschossigen Wohnhaus können die Bäder im Erdgeschoss durchaus kleiner dimensioniert werden als in den oberen Geschossen. In den unteren Geschossen steht mehr Druck zur Verfügung.
Eine Komfortdusche benötigt höhere Volumenströme als eine Standarddusche. Daher wird ein größeres Rohrnetz erforderlich, um die bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen.
Zur Auslegung der Rohrleitungen werden nicht sämtliche Duschen eines Wohnhauses als gleichzeitig benutzt angesehen. Man kann über eine vorgegebene Formel oder den Blick auf ein Diagramm den wahrscheinlichen Volumenstrom runterrechnen.
Rohrleitungen von Reihenduschen einer Sporthalle werden für eine gleichzeitige Nutzung ausgelegt. Auch weil dies bei einer Standarddusche zu einem erheblichen Volumenstrom aller Duschen gemeinsam führen würde, werden dort in der Regel Sparduschen eingebaut – und um Wasser zu sparen.
Ach, haben Sie auch vorher schon gewusst? … Dickes, ernst
gemeintes Lob!
Wussten Sie vorher nicht? … Na dann haben sich diese paar Minuten ja echt gelohnt!
Die erste Regel lautet:
Du musst mit dem auskommen, was an Druck geliefert wird. Niedrigem Versorgungsdruck musst du mit dicken Rohren begegnen. Hast du viel Druck, kannst du klein dimensionieren.
Die zweite Regel lautet:
Du musst nicht alle Verbraucher gleichzeitig versorgen.
Abhängig von der Nutzung kannst du den vorhersehbaren Volumenstrom errechnen oder im Diagramm ablesen.
Die dritte Regel lautet:
Schau, was wirklich an Druck übrig bleibt, um in den Rohrleitungen abgebaut zu werden.
Die vierte Regel lautet:
Den verbleibenden Druck kannst du in Rohren, Winkeln und Abzweigen verbraten.