Passend für Qtot
Geht es um die Nennweitenermittlung für Entwässerungsleitungen, ist die Über-den-Daumen-Peilung ganz sicher der falsche Weg. Denn hat man sich mit der Nennweite vergriffen, gibts Probleme, die man im fertigen Gebäude nicht „mal eben“ beseitigen kann.
Zu klein ausgelegte Entwässerungsleitungen sind dabei genauso problematisch, wie die (mit ordentlichem Angstzuschlag) zu groß gewählten Entwässerungswege. Während die zu kleinen Leitungen den Abwasserstrom nicht schlucken können, kommt es in zu großen Rohren zwangsläufig zu Ablagerungen und unvermeidbar früher oder später zu Verstopfungen. Bedarfsangepasst zu dimensionieren ist also angesagt.
Auf's Gefälle kommts an
Wie groß eine Entwässerungsleitung dimensioniert werden muss, hängt vom Schmutzwasserabfluss Qww (Quantity of waste water) ab. Und es spielt das Gefälle der Rohrleitung eine Rolle. Wird fäkalienhaltiges Wasser (Schwarzwasser) in liegenden Leitungen abgeführt, muss eine ausreichende Schwimmtiefe entstehen. Man definiert diese Schwimmtiefe mit dem Füllungsgrad. Er ist das Verhältnis der Höhe des Schmutzwasserstandes (h) zum Innendurchmessers der Rohrleitung (di). Ein Füllungsgrad h/di von 0,5 bedeutet zum Beispiel, dass die Leitung während des Ablaufvorgangs zur Hälfte voll Wasser steht. Die Fäkalien und Feststoffe können also im Wasser schwimmen und werden abtransportiert. Würde man bei gleichem Schwarzwasseranfall eine größere Nennweite auswählen, verringert sich die Schwimmtiefe, da das Wasser mehr Platz hat, sich zu verteilen. Bei zu viel Gefälle ist das Wasser schneller weg als die Feststoffe; letztere bleiben liegen. Bevor man folglich an die Ermittlung der Nennweiten eines Entwässerungssystems geht, muss feststehen, mit welchem Gefälle die liegenden Schmutzwasserleitungen installiert werden sollen.
Langsam ist angesagt
Der Trend, Wasser zu sparen, führt zu immer geringer werdenden Abwassermengen. Während man einen Spülkasten spülwassertechnisch umbauen kann, wird es bei den Abwasserleitungen schon haariger. Eine Sammelleitung zu verkleinern ist teuer – eine vorhandene Grundleitung anzupassen unmöglich. So kommt es, dass man für die liegenden Schmutzwasserleitungen innerhalb eines Gebäudes das Mindestgefälle mit nur 0,5 cm/m (1:200) festlegt. Somit soll auch z. B. in einer Grundleitung DN 100 das Wasser so langsam abfließen, dass es die Fäkalien auch bei reduzierten Spülwassermengen noch mitnimmt. Die Mindestfließgeschwindigkeit wird dabei bei einem Füllungsgrad von h/di = 0,5 auf 0,5 m/s festgelegt. Ein Maximalgefälle ist in der DIN 1986-100 [1] nur indirekt vorgeschrieben. Es ergibt sich automatisch. Je mehr Wasser durch eine Rohrleitung mit bestimmter Nennweite ablaufen soll, desto mehr Gefälle muss die Leitung haben um den Füllungsgrad von 0,5 nicht zu überschreiten. Die Bemessungstabellen lassen dabei ein Gefälle von bis zu 5 cm/m (1:20) zu. Entwässert sich eine Abwasserhebeanlage in die liegende Leitung, darf der Füllungsgrad 0,7 (h/di) betragen. Es wäre ja ungünstig, die liegende Leitung nach dem Anschluss der Druckleitung um eine DN zu vergrößern, denn: läuft die Pumpe nicht, hätte die Leitung bei normalem Schmutzwasserabfluss eine zu geringe Schwimmtiefe. Grundleitungen außerhalb des Hauses können ebenfalls mit einem Füllungsgrad von 0,7 (h/di) betrieben werden. Dabei muss die Fließgeschwindigkeit des Abwassers mindestens 0,7 m/s betragen. Schneller werden als 2,5 m/s darf es aber auch nicht. Als Mindestgefälle wird hier 1:DN festgelegt. Eine Leitung, z. B. in DN 100, wird demnach mindestens mit einem Gefälle von 1:100, also mit 1 cm/m verlegt.
Los gehts mit DU
Um die richtige Nennweite für ein Teilstück einer Grund- oder Sammelleitung auszuwählen, muss man wissen, wie viel Abwasser über die Leitung abgeführt werden soll. Um den Schmutzwasserabfluss (Qww) zu ermitteln, stellt man fest, welche Sanitärobjekte über den zu bemessenden Leitungsabschnitt entwässert werden. Den Sanitärobjekten sind Anschlusswerte, sogenannte Design Units (kurz DU), zugeordnet. Die einheitslose Zahl der DU entspricht der Ablaufleistung des Sanitärobjektes in Litern pro Sekunde. Würde man allerdings die Summe der Design Units, die an einem Grundleitungsteilstück hängt, sofort zum Schmutzwasserabfluss erklären, ergäbe das sehr große Leitungen. Denn in diesem Fall wäre man ja von einer ständig gleichzeitigen Benutzung aller angeschlossenen Sanitärobjekte ausgegangen. Wie viele der Sanitärobjekte tatsächlich mal gleichzeitig Wasser schicken, ist von der Art des Gebäudes abhängig. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass mehrere Objekte gleichzeitig genutzt werden, in einem Hotel größer als in einem Wohngebäude. Um diese Eigenschaften zu erfassen und zu berücksichtigen, bedient man sich der Abflusskennzahl K. Für die verschiedenen Gebäudearten gibt es unterschiedliche Abflusskennzahlen.
Mit Qtot zur Nennweite
Um aus der Summe DU den Schmutzwasserabfluss Qww zu ermitteln, wendet man folgende Formel an:
Qww = K · √∑ DU
Ist der so berechnete Schmutzwasserabfluss kleiner als der größte Anschlusswert eines Sanitärobjektes, wird mit dem größten Anschlusswert gerechnet. Steht mit Qww fest, wie viel Liter Schmutzwasser pro Sekunde bei normaler Nutzung der Sanitäranlage über ein Leitungsteil abgeführt werden müssen, wird gecheckt, ob weitere Wassermassen über den Leitungsteil fließen. Das kann der Wasserstrom einer Pumpe (Qp) oder ein Dauerabfluss (Qc) sein. Da z. B. eine Pumpe nicht mal mehr und mal weniger Wasser liefert, sondern nur die Möglichkeiten „eingeschaltet“ (100 % Wassermenge) und „ausgeschaltet“ (0 % Wassermenge) gegeben sind, erübrigt sich hier die Überlegung hinsichtlich der Abflusskennzahl. Deshalb werden die Abflüsse Qp und Qc auf den mittels Formel errechneten Wert Qww aufaddiert. Man erhält so den Gesamtschmutzwasserabfluss Qtot. Aus einer Tabelle kann mit diesem Wert abgelesen werden, welche Rohrdimension nötig ist, um den Gesamtschmutzwasserabfluss abzuführen.
Gefällevorgaben beachten
Die Tabellen sind dabei auf einen Füllungsgrad von 0,5 bzw. 0,7 (h/di) ausgelegt und ermöglichen es, die Transportleistung einer Leitung durch Erhöhung des Leitungsgefälles zu vergrößern. Dabei muss man die Festlegungen für die liegenden Leitungen innerhalb bzw. außerhalb von Gebäuden hinsichtlich Füllungsgrad, Mindestgefälle und Fließgeschwindigkeit im Auge behalten. Und auch Mindestnennweiten spielen eine Rolle. Sammelleitungen müssen mindestens in DN 70 ausgeführt sein. Werden WC’s mit Spülwassermengen von nicht mehr als sechs Litern über eine Fallleitung DN 80 in eine Sammelleitung entwässert, genügt für diese Leitung ebenfalls die Nennweite 80. Für Grundleitungen gilt DN 100 als klein-ste Nennweite. Zwar lässt es die Norm zu, Grundleitungen unter einem Gebäude auch in DN 80 zu verlegen, wenn es die abzutransportierende Wassermenge erlaubt. Aus Gründen der Reinigung und der Inspizierbarkeit wird aber empfohlen, auf 80er Grundleitungen nur im Ausnahmefall zurückzugreifen.
Der Anschluss machts
In Fallleitungen „fällt“ das Wasser nicht nach unten - es fließt an den Rohrwandungen entlang ab. In der Mitte der Leitung bleibt Platz für Luft, die Druckausgleich schafft. Kritisch ist der Augenblick, wenn Wasser von einer seitlich einmündenden Anschlussleitung in die Fallleitung fließt. Das mit Schwung ankommende Schmutzwasser erreicht dabei nicht selten die gegenüber liegende Wandung der Fallleitung. Dadurch wird der Luftweg in der Leitungsmitte unterbrochen. Und das Wasser wirkt für einen Augenblick wie ein Pfropfen, der in der Fallleitung hinabrutscht. So kommt es, dass nun große Mengen Luft nötig sind, die von oben – über die Lüftung der Fallleitung – nachströmen, um Unterdruck abzubauen. Dieser Effekt ist weniger schlimm, wenn man als Anschluss an die Fallleitung einen Abzweig mit Innenradius oder mit gebrochener Sohle einsetzt. Denn mit diesem Abzweig wird das einfließende Wasser schon nach unten gelenkt. So kommt es, dass eine Fallleitung, an der die Anschlüsse mit solchen Abzweigen ausgestattet sind, mehr Wasser schlucken kann als eine, die mit normalen Abzweigen ausgeführt wurde.
Fallleitungen auslegen
- Wie viel Wasser die Fallleitung abtransportieren muss, wird unter Berücksichtigung der Gebäudeart, also der Wahrscheinlichkeit einer gleichzeitigen Benutzung der angeschlossenen Sanitärobjekte, ermittelt. Genauso wie auch für die Teilstücke von Grund- und Sammelleitungen, wird aus der Summe der DU der angeschlossenen Sanitärobjekte mit der Abflusskennzahl K der Schmutzwasserabfluss Qww errechnet. Anders als bei den liegenden Leitungen ist eine Fallleitung aber als nur ein Teilstück zu betrachten, da sie in durchgängig einer Nennweite zu installieren ist, also nicht reduziert werden darf. Steht Qww fest, kann aus einer Tabelle die nötige Mindestnennweite abgelesen werden. Man muss nur darauf achten, die richtige Tabellenspalte zu erwischen. Denn neben der für Fallleitungen mit Hauptlüftung, gibt es auch noch eine für Fallleitungen mit Nebenlüftung. Sie wird benutzt, wenn die Fallleitung neben ihrer Hauptlüftung noch eine zweite, nur Luft führende Leitung als direkte oder indirekte Nebenlüftung besitzt. Während an einer Fallleitung in DN 70 nicht mehr als vier Küchen angeschlossen werden dürfen (Fettablagerungen!), muss eine Fallleitung mit WC-Anschluss nicht zwingend mindestens in DN 100 ausgeführt werden. Arbeiten die WC‘s mit Vier-Liter-Spülungen oder mit Sechs-Liter-Spülungen, reicht DN 80 als Nennweite aus.
- Fallleitungen in DN 60 auszuführen ist zwar nach Norm zulässig, in Deutschland aber derzeit nicht üblich. Es bleibt aber abzuwarten, ob man doch irgendwann mal dort ankommt, wenn auch weiterhin immer effektiver Wasser gespart wird.
- Literaturnachweis
- [1] DIN 1986-100: Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN 12056.