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Fallbeispiele

Tücken von Gefälligkeits­arbeiten

Inhalt

Es werden in diesem Bericht zwei Fälle geschildert und dann rechtlich bewertet. Dabei werden für Ihre eventuellen vertiefenden Recherchen auch die Aktenzeichen genannt. Sieht wild aus, sollte Sie aber nicht abschrecken, wir bleiben ansonsten umgangssprachlich.

Fall 1

Die falsch ausgeführte Balkonsanierung (angelehnt an OLG Koblenz, Beschluss v. 22.5.2013 – 5 U 384/13, Namen geändert)

Herr Müller beauftragt die Firma Maier Bedachungen mit der Neueindeckung seines Wohnhauses. Sie kommen überein, dass auch der Balkon von Herrn Müller abgedichtet werden soll. Eine zusätzliche Bezahlung für die Balkonarbeiten wird nicht vereinbart.

Später stellt sich heraus, dass die Balkonsanierung nicht fachgerecht durchgeführt wurde. Nach den Fachregeln hätte am Balkon eine Unterkonstruktion aus nicht brennbaren Spanplatten angebracht werden müssen. Aber stattdessen hat der Mitarbeiter der Firma Maier Bedachungen schwer entflammbare Platten eingebaut. Herr Müller verlangt nun Schadensersatz wegen der mangelhaften Ausführung der Balkonsa­nierung.

Fall 2

Das falsch angebrachte Waschbecken (angelehnt an OLG Celle, Urteil v. 3.4.2014 – 5 U 168/13, Namen geändert)

Nun beauftragt Herr Müller die Firma Maier Solararbeiten mit der Anbringung von Solarmodulen auf seinem Dach. Aufgrund von anderen Renovierungsarbeiten war das Waschbecken von Herrn Müller abgebaut worden. Als der Mitarbeiter der Firma Maier Solararbeiten mit den Solararbeiten fertig ist, bittet Herr Müller ihn, das Waschbecken „mal eben“ wieder anzubringen. Der Handwerker kommt dieser Bitte nach, ohne hierfür Geld zu verlangen.

Später kommt es zu einem Wasserschaden, weil das Waschbecken nicht richtig angebracht wurde. Herr Müller verlangt nun Schadensersatz wegen der mangelhaften Anbringung des Waschbeckens.

Falllösung

Beide Fälle haben eines gemeinsam: Der beauftragte Handwerker hat neben der vereinbarten Hauptleistung noch zusätzliche kostenfreie Leistungen erbracht. In Fall 1 war dies die Balkonsanierung, in Fall 2 das Anbringen des Waschbeckens. Dennoch hat das Gericht in Fall 1 eine Haftung des Handwerkers wegen der mangelhaften Leistung bejaht, in Fall 2 dagegen verneint.

Für die Frage, wann ein Auftragnehmer bei Gefälligkeitsarbeiten haftet und wann nicht, kommt es also nicht allein darauf an, ob die Leistungen kostenfrei ausgeführt wurden.

Wann liegt eine Gefälligkeit vor?

Bei der Haftungsfrage ist es entscheidend, ob die Leistung des Handwerkers tatsächlich eine Gefälligkeit darstellt oder die Parteien einen Vertrag geschlossen haben. Einfach ist die Frage zu beantworten bei kleineren Arbeiten, die unter Nachbarn, Kollegen oder Freunden getätigt werden, so beispielsweise wenn beim Umzug geholfen wird.

Ob eine reine Gefälligkeit oder aber ein Vertrag vorliegt, hängt davon ab, ob sich die Parteien rechtlich binden wollten. Zu fragen ist, wie ein Außenstehender das Verhalten der Parteien verstehen durfte.

In Fall 1 hat das Gericht einen Willen der Parteien, sich rechtlich binden zu wollen, bejaht und somit keine Gefälligkeit angenommen. Das Gericht hat erklärt, dass ein solcher Wille der Parteien auch bei kostenlosen Leistungen vorliegen kann. Im Einzelfall seien Umstände, wie die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Sache, die Art, der Grund und der Zweck der Gefälligkeit sowie die Interessen der Parteien abzuwägen. Ein Vertrag – und eben keine Gefälligkeit – liegt vor, wenn sich der, der die Leistung annimmt, erkennbar auf die Zusage verlässt und für ihn erhebliche Werte auf dem Spiel stehen.

Die Balkonsanierung war ein erheblicher wirtschaftlicher Wert für Herrn Müller. Außerdem wurde die Firma Maier Bedachungen im Rahmen ihres Gewerbes tätig. Deshalb ist das Gericht nicht von einer Gefälligkeit ausgegangen. Die Firma Maier Bedachungen wurde zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, da ein Vertrag auch bezüglich der Balkonsanierung zustande gekommen war.

Haftet ein Handwerker bei Gefälligkeitsarbeiten?

Anders verhält es sich im Fall 2. Hier fiel das Anbringen des Waschbeckens nicht in das Gewerbe der Firma Maier Solararbeiten. Vielmehr war diese Tätigkeit völlig losgelöst von der eigentlichen Aufgabe, der Anbringung von Solarmodulen. Das Gericht hat deshalb eine Gefälligkeit bejaht.

Doch haften Handwerker auch bei Gefälligkeiten, wenn sich Mängel herausstellen? Grundsätzlich muss man auch bei Gefälligkeitsverhältnissen für einen Schaden einstehen, den man einem anderen schuldhaft – also fahrlässig oder vorsätzlich – zufügt. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet. Vorsätzlich handelt, wer einen Verstoß kennt und diesen auch will.

Allerdings hat das Gericht in Fall 2 dem Handwerker eine Milderung der Haftung zugesprochen. Der Handwerker haftet nur auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Grob fahrlässig handelt, wer nicht beachtet, was in der jeweiligen Situation jedem hätte auffallen müssen. Da der Handwerker in Fall 2 nicht grob fahrlässig gehandelt habe, haftet der Handwerker nicht für den Schaden.

Zwar haben die Parteien nicht ausdrücklich vereinbart, dass die Haftung des Handwerkers reduziert werden soll. Allerdings hat das Gericht eine konkludente (aus dem Handeln erkennbare) Absprache der Parteien dahingehend angenommen. Eine solche konkludente Absprache ist dann anzunehmen, wenn der Bauherr den ausdrücklichen Wunsch des Handwerkers, seine Haftung zu mildern, billigerweise nicht hätte ablehnen können.

Zusammenfassung:

1. Die Frage, ob ein Handwerker für unentgeltliche Leistungen haftet, hängt wesentlich davon ab, ob eine Gefälligkeit oder aber eine vertraglich geschuldete Leistung vorliegt.

2. Gefälligkeit und Vertrag grenzen sich danach ab, ob sich die Parteien rechtlich binden wollten oder nicht.

3. Im Rahmen des Gefälligkeitsverhältnisses reduziert sich die Haftung des Handwerkers, wenn eine ausdrückliche oder konkludente Absprache dahingehend getroffen wurde.

Fazit

 Die verbreitete Ansicht, wonach ein Handwerker rechtlich nicht haftet, wenn unentgeltliche
Arbeiten verrichtet werden, trifft nicht zu.

 Selbst wenn eine reine Gefälligkeit vorliegt, sollten Handwerker diese sorgfältig ausführen,
um einer deliktischen Haftung zu entgehen.

 Entschließt sich der Handwerker eine Tätigkeit gefälligkeitshalber auszuführen, sollte die Haftungsmilderung ausdrücklich angesprochen werden.

Rosa Auricchio-Ammann
ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Schaudt Rechtsanwälte in Stuttgart.

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