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Wie funktioniert eigentlich eine Temperaturspreizung

Ewige Wahrheit

Ein sehr eingängiges Beispiel ergibt sich aus der Tatsache, dass man einen Raum mittels eines Heizkörpers im Winter erwärmen kann. Dazu werden natürlich zwei Rohre an den Heizkörper geführt. Das eine Rohr transportiert heißes Wasser zum Heizkörper hin und das andere transportiert exakt die gleiche Wassermasse wieder fort. Im Heizkörper verändert sich die Temperatur des Wassers. Zweck dieser Aktion ist die Erwärmung des Raumes oder zumindest die Aufrechterhaltung einer Wunschtemperatur im Raum von vielleicht 20 °C.
Der erste Gedankengang zur Temperatur des einströmenden Wassers ist ziemlich simpel: Vom ersten Eintritt des Wassers in den Heizkörper kühlt sich dieses planmäßig und gewollt ab, denn die Wärmeleistung wird ja an den Raum abgegeben. Zum Schluss verlässt dieses abgekühlte Wasser den Heizkörper und strömt zurück zum Wärmeerzeuger.
Diesen recht übersichtlichen Vorgang nehmen wir jetzt auseinander und betrachten ihn durch verschiedene Brillen.

Durch die Massenstrombrille

Ohne eine Formel als Beweis für meine These bemühen zu wollen, kann ich mir vorstellen, dass ich das Wasser sehr langsam durch diesen Heizkörper fließen lasse. Es strömt mit 70 °C rein und pullert fast unmerklich langsam durch den Blechkasten. Weil so langsam, kühlt sich das Wasser sehr stark ab. Die Temperaturspreizung ist, ohne jetzt Zahlen zu nennen, sehr groß. Es würde für diesen Vorgang des Wasserpullerns (gibt’s eigentlich nicht als Fachwort) ausreichen, eine sehr dünne Vor- und Rücklaufleitung zu bauen. Nebenbei wäre die notwendige Pumpenleistung für diese Umwälzung sehr gering.
Fazit meines ersten Gedankenexperiments: Im Geiste jubelt man mir zu für diesen Trick mit dem pullernden Wasser: Du hast das beste Heizungsrohrnetz ever gebaut. Oder?

Durch die Wärmetauscherbrille

Dem Heizkörper habe ich 70 °C heißes Wasser angeboten. Es lief sehr langsam Richtung Ausgang und kühlte sich daher stark ab. Aus dem Potenzial von 70 °C habe ich durch die starke Abkühlung fast nix gemacht. Das Wasser strömt mit einer Temperatur, die knapp über der Raumtemperatur liegen dürfte, wieder in Richtung Wärmeerzeuger. Für den Heizkörper bedeutet diese Fahrweise natürlich, dass dieser sehr stark begonnen hat, aber dann enorm nachließ. In der Mitte des Heizkörpers, also auf halber Strecke, war die lahme Plörre schon fast kalt.
Im Geiste bereitet man meine Steinigung vor, weil ich die Bude nicht warm kriege mit meiner schlechtesten Heizkörperauslegung ever. Oder?

Erste Korrekturen und Kompromisse

Ich merke deutlich, dass ich mir ernsthafte Gedanken machen muss über die Temperaturspreizung im System. Bei einer großen Spreizung kann ich ein sehr schlankes Rohrnetz aufbauen. Dafür schwächelt der Heizkörper nur durch die Gegend. Beschleunige ich hingegen das Wasser durch diesen Heizkörper, wird er wohl insgesamt wärmer und damit auch leistungsstärker, aber dafür brauche ich auch ein dickeres Rohrnetz mit kräftigerer Pumpe.
Insgesamt möchte ich daher meine Ziele etwas genauer definieren. Ich möchte 1000 Watt an einen Raum mit 20 °C Innentemperatur liefern und frage bei einem Heizkörperhersteller nach, unter welchen Bedingungen sein Heizkörper die 1000 Watt wohl bringen würde, wenn ich mit 70 °C starte. Auf Zuruf nennt man mir einen Heizkörper, der bei 15 Kelvin Spreizung diese Leistung bringt.
Das Wasser muss also mit 55 °C wieder aus dem Heizkörper austreten.
Erstmalig packe ich mir die berühmte Formel
Kuhistgleichemmalcemaldeltatheta:

Ich stelle die Formel um zur Berechnung des Massenstroms:

Für den gedachten Heizkörper gilt daher:

Die Dimensionierung von Rohrleitungen zur Versorgung von Wärmetauschern wie Heizkörpern oder Trinkwassererwärmern erfordert das Wissen über die gewählte Spreizung

Bild: 3dalia / thinkstock

Die Dimensionierung von Rohrleitungen zur Versorgung von Wärmetauschern wie Heizkörpern oder Trinkwassererwärmern erfordert das Wissen über die gewählte Spreizung
Die Tabellen zur Auslegung von Heizkörpern sehen bei hohen (günstigen) Vorlauftemperaturen eine größere Spreizung vor als bei niedrigen (ungünstigen)

Die Tabellen zur Auslegung von Heizkörpern sehen bei hohen (günstigen) Vorlauftemperaturen eine größere Spreizung vor als bei niedrigen (ungünstigen)

Es sollten also 57,3 kg/h als Massenstrom durch diesen Heizkörper fließen. Daher muss auch das Rohrsystem zu diesem Heizkörper für diesen Massenstrom geeignet sein. Die Rohrleitung sollte daher noch keine störenden Fließgeräusche entwickeln und wirtschaftlich verlegbar sein, auch was die Dämmung betrifft.
Schon wieder möchte ich mich mit diesen genialen Gedanken und raffinierten Schlüssen feiern lassen. Doch dann kommt einer von den klugscheißenden Kollegen und erklärt mir, dass ein neuzeitlicher Wärmeerzeuger wie etwa eine Wärmepumpe wohl kaum 70 °C bereitstellt, jedenfalls nicht sonderlich wirtschaftlich. Er faselt etwas von 45 °C als Vorlauftemperatur.

Durch die Vorlauftemperaturbrille

Nochmals rufe ich beim Heizkörperhersteller an und der nennt mir einen Heizkörper, der auch bei nur 45 °C im Vorlauf noch 1000 Watt bringt. Allerdings ist man sich bei dem Hersteller wohl nicht einig über die dann notwendige Spreizung. Jedenfalls gibt man mir die Auskunft, dass der Rücklauf mit 40 °C anzunehmen sei.
Eben noch 15 K jetzt plötzlich 5 K Spreizung! Was soll das?
Die Begründung für diesen neuen Entwurf ist jedoch einleuchtend.
Startet man mit einer hohen Vorlauftemperatur, so kann man sich eine üppige Spreizung leisten.
Im Beispiel führten 70 °C gepaart mit 55 °C zu einer mittleren Heizkörpertemperatur von 62,5 °C. Das ergibt sich aus: (70 + 55) / 2 = 62,5.
Würde man diese große Spreizung von 15 K auch bei sehr kühlen Startbedingungen wählen, wäre der Heizkörper schon sehr ärmlich unterwegs. 45 °C gepaart mit 30 °C im Rücklauf würden gerade mal 37,5 °C in der Mitte des Heizkörpers ergeben, denn (45 + 30) / 2 = 37,5.
Leistet man sich bei schlechten Startbedingungen aber eine nur geringe Spreizung, kracht die mittlere Temperatur des Heizkörpers nicht ganz so weit zusammen. Ich nehme gedanklich die vom Hersteller empfohlenen 5 K Spreizung an und lande bei einer mittleren Temperatur von immerhin noch 42,5 °C, denn (45 + 40) / 2 = 42,5.
Mein Massenstrom hat sich aber erheblich verändert. Man könnte jetzt schon ahnen, dass bei einem Drittel der ursprünglichen Spreizung von seinerzeit 15 K nun, bei nur noch 5 K Spreizung, der dreifache Massenstrom notwendig sein wird. Die Nachrechnung bestätigt diese Annahme:

Mindestens drei Brillen

Zur Auslegung haustechnischer Komponenten, bei denen es um Erwärmung geht, sollte man also immer durch drei Brillen gucken.

Massenstrombrille

Mit großem Massenstrom durch einen Heizkörper oder auch durch einen Wärmetauscher zur Warmwasserbereitung kann ich grundsätzlich auch große Leistungen erzielen. Große Massenströme bedingen aber auch immer große Leitungsquerschnitte. Die kosten dann inklusive der notwendigen Dämmung auch großes Geld.

Eine Heizungsanlage ist genauso wie die Trinkwassererwärmung als Gesamtkunstwerk zu betrachten. Das können eben nur die Anlagenmechaniker/innen

Bild: Highwaystarz-Photography / thinkstock

Eine Heizungsanlage ist genauso wie die Trinkwassererwärmung als Gesamtkunstwerk zu betrachten. Das können eben nur die Anlagenmechaniker/innen

Wärmetauscherbrille

Große Spreizungen kann ich mir nicht überall leisten. Die würden zwar ein günstiges Transportnetz ermöglichen, wirken sich aber auf die eigentlichen Wärmetauscher fatal aus. Heizkörper müssten riesig groß werden, um noch die entsprechende Leistung zu bringen. Ebenso müssten Wärmetauscher zur Warmwasserbereitung enorm viel Fläche bieten, um trotz großer Spreizung eine ausreichende Leistung zu erzielen.

Vorlauftemperaturbrille

Wenn ich mit hoher Temperatur bei der Erwärmung starte, kann ich mir durchaus große Spreizungen leisten. Als Beispiel kann ein Heizkörper mit 70 °C im Vorlauf meistens auch mit einer großen Spreizung von 15 K betrieben werden.
Starte ich schon mit niedrigen Temperaturen, weil ich eine Wärmepumpe zur Beheizung einsetze, so wirkt eine große Spreizung als zusätzliche Leistungsbremse. Beispielsweise wird ein Heizkörper, der ohnehin schon mit schlechten Startbedingungen von nur 45 °C ins Rennen, geht keine große Spreizung mehr vertragen. Gleiches gilt für einen Wärmetauscher zur Warmwasserbereitung. Damit die Tauscherfläche einer solchen Komponente nicht zu groß werden muss, sollte die Spreizung entsprechend gering bleiben.

Fazit der Brillenstudie

Es gibt sie nicht, die ultimative Spreizung für Heizkörper oder Wärmetauscher. Vielmehr wird immer ein Optimum angestrebt, bei dem die betrachteten Zusammenhänge ein Gesamtkunstwerk ergeben. Kosten zur Erstellung der Anlage müssen in Relation zu den danach anfallenden Betriebskosten gesehen werden. Die belasten dann für einen Zeitraum von 30 Jahren und darüber hinaus den Geldbeutel des Kunden. Neben diesen Betrachtungen gilt es auch noch die Energie und andere eingesetzte Ressourcen möglichst schonend zu verbrauchen. Unser Job wird durch solche Zusammenhänge nicht einfacher, aber bleibt interessant.

Elmar Held
Dipl.-Ing. (FH) Elmar Held ist verantwortlicher Redakteur des SBZ Monteur. Er betreibt ein TGA-Ingenieurbüro, ist Dozent an der Handwerkskammer Dortmund sowie öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger
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