Sie schlummern in Vorwänden oder im Estrich und werden erst aktiv, wenn sich was bewegt. Eine Bewegung legt dann nicht etwa einen Schalter um, sondern erzeugt eine parallele Bewegung im gleichen System. Aber lesen Sie selbst von der Wirkweise eines Venturi-Rohres.
Auswirkung mit Wunderfaktor
Eine Verjüngung oder, anders gesagt, eine Querschnittsreduzierung weist äußerlich auf dieses Venturi-Rohr hin. Es kommt gänzlich ohne Mechanik aus und bewirkt doch Beachtliches. Das Venturi-Rohr kann die Zustände in einer Rohrleitung so enorm verändern, dass es von einer Druck- zu einer Saugerscheinung kommt. Das bedeutet, dass das Fluid, welches durch ein Rohr gepresst wird, die Wandung dieses Rohres kräftig nach außen drückt – und im nächsten Moment soll es diese Wandung nach innen ziehen? Richtig gelesen! Genau das lässt sich durch das Venturi-Rohr bewirken.
Reduzierung des Problems
Druck ist aus dem Verständnis der Bernoulli-Gleichung zusammengesetzt aus statischem Druck, Schweredruck und dynamischem Druck.
Versucht man mittels Daumen eine soeben angebohrte Wasserleitung zu schließen, teilt sich einem der statische Druck am Daumen mit. Taucht man im Schwimmbad auf eine Tiefe von 2,50 m, so verspürt man deutlich den Schweredruck des Wassers auf den Ohren. Und hält man die Hand in einen fließenden Bach, spürt man die Bewegung des Wassers als einen dynamischen Druck.
Wir reduzieren für die weiteren Gedankenmodelle die Sichtweise auf nur noch den statischen und den dynamischen Druck. Im Gedankenmodell soll ein 15er-Kupferrohr daher absolut waagerecht verlegt sein durch die Staumauer einer Talsperre. Das Wasser steht immer 10 m über dem 15er-Rohr und sorgt für immer gleichmäßig nachströmendes Wasser und einen resultierenden Überdruck von 1 bar. Dieses 15er-Rohr wird am Ende mit einer Kappe verschlossen. Auf der Rohrinnenwand lastet nun ein Druck von 1 bar. Selbst wenn man diese Kappe abnimmt und das Wasser ausströmt, verliert die Talsperre nur unwesentlich Wasserhöhe und damit Druck. Für das nachfolgende Gedankenmodell bleibt der Wasserspiegel daher konstant bei 10 m.
Modell im Fluss
Nun wird also die Kappe vom Rohr abgenommen und der Druck von 1 bar würde zumindest teilweise umgewandelt in Bewegungsdruck und einen gewissen restlichen Anteil an statischem Druck. Dieser statische Druck würde weiterhin gegen die Rohrwand drücken. Der dynamische Druck einer Flüssigkeit ergibt sich aus:
pdyn = ρ/2 × v²
pdyn dynamischer Druck in Pascal
ρ (sprich „Rho“) ist die Dichte der Flüssigkeit in kg/m³
v Geschwindigkeit in m/s
Am Ende des Rohres wird in diesem Gedankenexperiment festgestellt, dass das Wasser mit einer Geschwindigkeit von 5 m pro Sekunde austritt. Daraus folgt, dass der dynamische Druck im Rohr errechenbar ist und sich wie folgt ergibt:
ρWasser = 1000 kg/m³
vWasser = 5 m/s
pdyn = ρ/2 × v²
pdyn = 1000 kg/m³ / 2 × (5 m/s)²
pdyn = 12 500 Pa
Wenn also ursprünglich 1 bar, also 100 000 Pa zur Verfügung standen, so verbleiben jetzt noch 100 000 Pa minus 12 500 Pa, also 87 500 Pa (oder eben 0,875 bar) als Belastung für die Rohrwand. Und nun kommt bei diesem noch recht übersichtlichen Gedankenexperiment die erste Änderung ins Spiel: Jemand schnürt das Kupferrohr ein. Der Querschnitt an dieser Stelle des Rohrs wird also erheblich reduziert. Es tritt aber weiterhin der gleiche Volumenstrom am Ende des Rohres aus. Folglich muss das Wasser an dieser Einschnürung im Rohr schneller fließen als im sonst freien 15er-Rohr. Die Einschnürung im Rohr sei in diesem Experiment so erheblich, dass nur noch die Hälfte der Querschnittsfläche des Rohres übrig bleibt. Die Folge ist selbstverständlich: Das Wasser muss hier doppelt so schnell vorbei, also mit 10 m pro Sekunde. Und für den dynamischen Druck gilt dann:
pdyn = 1000 kg/m³ / 2 × (10 m/s)²
pdyn = 50000 Pa
Die Rohrwand ist durch das schnelle Fließen an dieser Stelle erheblich entlastet worden. Der Druck auf die Rohrwand hat sich gegenüber dem Ruhezustand auf nur noch 50 000 Pa (100 000 Pa minus 50 000 Pa) halbiert. Und bei weiterer Zunahme der Geschwindigkeit, als Folge eines immer kleineren Durchlasses an dieser Delle, ließe sich diese Änderung weiter verstärken.
DICTIONARY
Saugen = suction
Stausee = dam, reservoir
Schutz = protection
Verteilleitung = distribution pipe
Leckage, die Luft ansaugt?
Gedanklich schnüren wir die verbleibende Fläche nochmals ein und halbieren sie, um die Geschwindigkeit an dieser Stelle damit zu verdoppeln, also auf 20 m/s zu erhöhen. Nach bereits bekannter Gleichung gilt dann:
pdyn = 1000 kg/m³ / 2 × (20 m/s)²
pdyn = 200000 Pa
Nur durch diese Querschnittsveränderung und der damit einhergehenden Beschleunigung des Wassers ist der dynamische Druck auf 200 000 Pascal oder eben 2 bar angestiegen. Spätestens jetzt merkt man die Schieflage. Denn 100 000 Pa minus 200 000 Pa ergeben minus 100 000 Pa. Der Stausee liefert ja auch nur 1 bar, also 100 000 Pa. Wie wirkt sich also diese Einschnürung in der Praxis aus? Die Differenz verursacht tatsächlich einen Unterdruck oder, physikalisch korrekt betrachtet, einen negativen Überdruck. Würde man mit einem winzigen Bohrer ein Loch in diese Einschnürung bohren, so würde nicht etwa Wasser herausspritzen, sondern Luft hineingesogen. Würde man anschließend jedoch die Kappe auf das Ende des Rohres setzen und damit die Fließgeschwindigkeit auf null reduzieren, würde Wasser aus dieser Bohrung austreten. Klar, denn der Druck auf die Wandungen des Rohres würde wieder 1 bar betragen.
Mathematisch und physikalisch betrachtet gilt: Wenn keiner was wegnimmt und keiner was dazu tut, dann bleibt alles wie es ist. Wenn also äußerlich der Druck unverändert bleibt (Stausee mit 10 m Stauhöhe), dann ist dieses System, insgesamt im Gleichgewicht. Der resultierende Druck muss also konstant bleiben. Bei steigendem dynamischen Druck kann der Druck auf die Rohrwand nur abnehmen.
Wie sieht die Realität aus?
Zuerst einmal ist die Formel von Bernoulli idealisiert angenommen. Man geht nämlich von einer reibungsfreien Flüssigkeit aus. Die Einschnürung aus dem Gedankenexperiment würde in der Realität den Fließwiderstand des Wassers im Rohr erhöhen und insgesamt würde der Volumenstrom gegenüber einer Installation ohne Einschnürung ein wenig abnehmen. Der Rest der Überlegungen stimmt jedoch und wirkt sich auf praktische Anwendungen auch in der Sanitär- und Heizungstechnik aus.
– Beispiel Perlator (auch Luftsprudler oder Strahlregler):
An Mischbatterien und ebenso in modernen Brauseköpfen nutzt man den Venturi-Effekt, um Luft in den Wasserstrahl zu mischen (SBZ Monteur Ausgabe 10/2011: „Strahlregler“).
– Beispiel Wasserschalter:
In Gas- oder Elektro-Durchflusswassererwärmern ist das Venturi-Rohr ebenfalls eingebaut. Man provoziert den Unterdruck hier meistens, um einen Schalter umzulegen. (SBZ Monteur Ausgabe 05/2011: „Wie funktioniert eigentlich ein Wasserschalter?“)
– Beispiel Wasserstrahlpumpe:
In der Düse einer Wasserstrahlpumpe sinkt der statische Druck im Betrieb so stark, dass er niedriger als der Luftdruck wird. Der Luftdruck drückt dann seinerseits das Wasser in den Pumpenraum und fördert es fort. So eine Pumpe hat keine beweglichen Teile und daher so gut wie keinen Verschleiß. Sie ist auch weitestgehend unempfindlich gegen Schmutz und Chemikalien. Für eher seltene Pumpaktionen ist die Wasserstrahlpumpe daher oft ausreichend wirksam und durchaus einsetzbar.
– Beispiel Gasdüsen an Brennern oder Rezirkulation in Brennern:
Um einen sogenannten atmosphärischen Brenner ohne Gebläse zum Laufen zu kriegen, bedient man sich auch des Venturi-Prinzips. An der Ansaugstelle für die Primärluft wird das Gas so sehr beschleunigt, dass es an dieser Stelle einen ausreichenden Unterdruck zum Transport der Luft erzeugt. Sogenannte Rezirkulationsbrenner (auch Blaubrenner genannt) nutzen das Venturi-Prinzip, um bereits verbranntes Abgas nochmals durch die Flamme zu jagen.
Diese Kunstgriffe innerhalb der Technik des Anlagenmechanikers sind allesamt vorteilhaft für die jeweilige Anwendung. Es sind in der Praxis der Heizungstechnik aber auch Nachteile bekannt, die auf den Venturi-Effekt zurückzuführen sind:
– Beispiel Lufteintrag in Heizungsanlagen:
In normalen Kellerzentralen einer Heizungsanlage schwindet zwischen den jährlichen Wartungen regelmäßig ein Teil des Heizungswassers. Der Druck fällt dadurch naturgemäß ein wenig ab. Dies wirkt sich besonders auf die Heizkörper des obersten Geschosses aus. An den Heizkörpern sind nämlich üblicherweise auch Thermostatventile montiert. Der Durchlass an diesen Ventilen ist immer mit einer Querschnittsverengung einhergehend und ruft damit auch immer den Venturi-Effekt hervor. Bei diesem Zusammentreffen von Ereignissen, also geringer Anlagendruck und hohe Geschwindigkeit an diesem Systempunkt, kann der Druck in diesem Ventil so gering werden, dass auch Luft von außen in die Heizungsanlage gezogen wird (eigentlich durch den Luftdruck hereingedrückt, Verzeihung, liebe Berufsschullehrer).
Merke: Wasserdicht heißt nicht zwangsläufig gasdicht. Mit dem Sauerstoff holt man sich natürlich auch wieder Korrosionspotenzial, sprich Rost, ins System. Eine gut gefüllte Heizungsanlage und ein richtig dimensioniertes Ausdehnungsgefäß stellen daher tatsächlich einen Schutz vor Korrosion dar und lassen Venturi alt aussehen (wäre er mittlerweile auch).
Wer war Venturi?
Giovanni Battista Venturi (geb. 1746 in Bibbiano; gest. 1822 in Reggio nell‘Emilia) war Physiker. Er entdeckte den nach ihm benannten Venturi-Effekt. Würde er noch leben, hätte er ganz sicher für den SBZ Monteur geschrieben.
Venturi sorgt für Hygiene
Seit einigen Jahren hat die Sanitärindustrie den alten Venturi und sein Prinzip ebenfalls wiederentdeckt. Man setzt ein Venturi-Rohr ein, um Stagnation an zeitweise ungenutzten Zapfstellen zu verhindern. Beispielsweise die Viega-Einpressdüse wird in die Hauptverteilleitung zwischen den beiden T-Stücken, die zur Ringleitung und damit zur Zapfstelle abzweigen, eingebaut. Bei jeder Wasserentnahme im Fließweg hinter der Einpressdüse entsteht automatisch ein geringer Druckunterschied gemäß dem hier beschriebenen Venturi-Prinzip, der das Volumen der Ringleitung zur Einzelzapfstelle bewegt und dabei natürlich komplett austauschen sollte. Stagnation in dem Rohrleitungsabschnitt wird so sicher vermieden – die bedarfsgerechte Dimensionierung der Hauptverteilleitung immer vorausgesetzt.
Diese Düse aus dem Hause Viega ist in Ringleitungen mit Einzelzapfstelle einsetzbar, deren Länge weniger als 15 m beträgt und mit maximal zwei Wandscheiben sowie zehn Bögen installiert wird. Damit kann der Wasseraustausch beispielsweise von Waschmaschinenanschluss und Ausgussbecken ohne aufwendige Berechnung abgesichert werden.
Die Begrenzung auf 15 m und eine maximale Anzahl an Bogen in einer solchen Strecke ergibt sich aus den theoretisch erreichbaren Druckdifferenzen an dieser Düse. Theoretisch könnte man die Einschnürung und damit die erzeugte Druckdifferenz zwar extrem ausfallen lassen. Das hätte dann aber auch hohe Reibungswiderstände an der Düse zur Folge. Eine extreme Einschnürung ginge also auch einher mit einem entsprechend hohen Einzelwiderstand dieser Düse. Man musste also einen Kompromiss für diese Düse wählen und die Druckdifferenz in einem sinnvollen Rahmen belassen. Daher können also nicht beliebig lange Strecken mit dieser Technik geschliffen werden.
FILM ZUM THEMA
Einen interessanten Film zu einer Anwendung des
Venturi-Prinzips gibt es wie immer auf:
Auch andere nutzen den Venturi-Knecht
So weit lässt sich also der Venturi-Bogen für den Anlagenmechaniker spannen. In der anderen, der Nicht-Monteur-Welt sind ebenfalls Anwendungen des Venturi-Prinzips zu finden. Die Vergaser älterer Auto- und Motorradgenerationen saugen und mischen Benzin mit Luft nach dieser Methode. Parfumzerstäuber und Farbspritzgeräte arbeiten ebenfalls nach diesem Prinzip. Auch Förderanlagen für die Lebensmittelindustrie funktionieren hervorragend mit diesem Kniff.