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So funktioniert Verdunstungskälte

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Verdunstungskälte begegnet uns im Alltag – besonders im Sommer, wenn wir viel schwitzen. Dahinter steckt ein einfaches Prinzip, das auch in der Anlagentechnik genutzt wird.

Flamingo Images - stock.adobe.com

Während des Trainings im Gym ist Tom ordentlich ins Schwitzen geraten. Jetzt sorgen die kleinen Perlen auf der Haut kurzfristig für Kühlung. Zumindest solange die Umgebungsluft noch nicht mit Feuchte gesättigt ist, wird dieser Effekt spürbar sein. Dafür sorgen die aufgestellten Ventilatoren und erneuern mit ihrem Luftstrom Toms Mikroklima.

Was sich hier liest wie der Ausschnitt aus einer Werbung für den örtlichen Fitness-Club, beschreibt den hilfreichen Effekt der Verdunstungskälte. Je nach Standpunkt schätzt man diesen Effekt sehr oder verteufelt ihn. Wer jemals mit durchnässter Kleidung in einem Sturm gestanden hat, kennt auch die Schattenseiten.

Grundsätze der Verdunstungskälte

Am Beispiel von Wasser ist das Prinzip der Verdunstungskälte optimal zu erläutern. Viele andere Stoffe können den gleichen Effekt auslösen, sind aber im täglichen Leben nicht so präsent.

Wasser kennen wir in drei Aggregatzuständen – fest, flüssig und gasförmig umgibt es uns manchmal gleichzeitig. Und diese drei Zustände lassen einen Rückschluss auf den Zusammenhalt der Wassermoleküle zu.

Sind die Moleküle sehr träge und bewegungsarm, ist der Energiegehalt eher gering. Der feste ­Zustand ist in der Lage, enorme Belastung auszuhalten. Je nach Eisdicke sind tonnenschwere Lasten kein Problem.

Wird diesem Eis Energie zugeführt, so erhalten die Wassermoleküle ein höheres Energieniveau und sie werden animiert zu einfachen Tänzchen, wobei noch keine Moleküle aus der Reihe tanzen, gewissermaßen der Sirtaki der Hydrokulturen.

Erwärmt man weiter, liegt Wasser irgendwann flüssig vor, gewissermaßen der gemäßigte Discofox mit einfachen Figuren. Wird die Energiezufuhr fortgesetzt, belebt sich auch der Tanz immer mehr. Wasser wird dabei immer dünnflüssiger. In der Fachwelt spricht man von abnehmender Viskosität bei zunehmender Temperatur.

Bei fortlaufender Energiezufuhr gerät der Tanz der Moleküle irgendwann außer Kontrolle, Wasser wird gasförmig und führt dabei den unkontrollierten Freestyle aus. Unter normalen Umgebungsbedingungen sind die Temperaturen für den Wechsel der Aggregatzustände 0 °C für den festen Zustand und 100 °C für den flüssigen ­Zustand – oberhalb dieser Temperatur ist Wasser gasförmig. Diese Zusammenhänge sind aus der Erfahrungswelt des Alltags bekannt.

Stellt man eine brennende Kerze unter einen Eiswürfel und misst kontinuierlich die Temperatur und die verstrichene Zeit, so kann man den Verlauf der Erwärmung aufzeichnen.

IBH

Stellt man eine brennende Kerze unter einen Eiswürfel und misst kontinuierlich die Temperatur und die verstrichene Zeit, so kann man den Verlauf der Erwärmung aufzeichnen.

Experiment mit Eis

Anders verhält es sich jedoch mit dem Bezug zum jeweiligen Energieniveau. Die Abschätzung hierüber entzieht sich oft unserer Beobachtung. Daher ist es ratsam, das folgende Experiment zunächst vor dem geistigen Auge nachzuvollziehen und erst später real ablaufen zu lassen.

Ein Schälchen wird mit Eis befüllt – ein Klumpen aus der Tiefkühltruhe mit einer Temperatur von −10 °C reicht aus. Die Schale mit dem Eis wird auf ein Stövchen gestellt. Darunter befindet sich ein Teelicht mit immer gleicher Flammenleistung. In den Eisklumpen wird der Fühler eines schnell reagierenden Thermometers gesteckt. Die Aufmerksamkeit wird nun ausschließlich der Temperaturanzeige zugewendet. Die Beobachtung zeigt eine kontinuierlich steigende Temperatur, da das Stövchen dem Eis einheizt – der Sirtaki gewissermaßen.

Unerwartet erlebt die Erhöhung jedoch einen Einbruch bei genau 0 °C also zwischen Sirtaki und Discofox. Der Verlauf des Temperaturanstiegs stagniert. Obwohl die Kerze unter der Schale brennt und damit Energie liefert, führt dies nicht zur erwarteten Erhöhung der Temperatur. Nach geraumer Zeit – das gesamte Eis ist mittlerweile geschmolzen – steigt die Temperatur wieder. Dieses erste Phänomen markiert den Übergang von fest zu flüssig.

Jede Menge Energie ist notwendig, um den Molekülen die Bewegungsspielräume zu vergrößern. Die Temperatur bleibt bei diesem Wechsel konstant. Im Anschluss an diese erste Beobachtung möchte man gähnend einschlafen, denn die Temperatur steigt wiederum kontinuierlich 12, 13, 14 ...

Dann wieder dieses Mysterium, plötzlich stoppt der Temperaturanstieg nochmals, diesmal bei 100 °C. Und wieder steigt die Temperatur erst nach geraumer Zeit, obwohl kontinuierlich die gleiche Energiemenge via Kerze übertragen wird. Der zweite Haltepunkt markiert abermals einen Zustandswechsel, jetzt von flüssig nach gasförmig.

Die Erkenntnis aus diesem Versuch drängt sich zwar noch nicht sofort auf, ist aber elementar für das Verständnis der Verdunstungskälte.

Die Einsichten und Zahlen

Um Wasser vom festen in den flüssigen oder dann vom flüssigen in den gasförmigen Zustand zu verwandeln, benötigt man jeweils eine große Menge Energie. Erst wenn diese Energiemenge zur Verwandlung geliefert wurde, lässt sich die ­Temperatur weiter erhöhen. Während zur Erwärmung von 1 kg Wasser von 99 °C auf 100 °C die Energiemenge von rund 1,163 Wh notwendig wird, ist zur weiteren Steigerung um ein weiteres Grad die Energiemenge von 626,9 Wh notwendig, also erheblich mehr.

Riesige „Wolkenmacher“ treten noch weltweit in Erscheinung und treiben Abwärme in Form von verdunstetem Wasser in die Atmosphäre.

DALL·E/Held/SBZ Monteur

Riesige „Wolkenmacher“ treten noch weltweit in Erscheinung und treiben Abwärme in Form von verdunstetem Wasser in die Atmosphäre.

Diese Energie wird zum Wechsel des Aggregatzustandes benötigt. Bei der Abkühlung oder sogar der Kondensation dieses dann entstandenen Wasserdampfes kann die enthaltene Energie natürlich auch wieder „entnommen“ werden. Die enthaltenen 626,9 Wh an Energie werden beim Übergang von gasförmiger zu flüssiger Phase auch wieder abgegeben. Dieser Effekt beherrscht übrigens die Heizungsszene seit Jahrzehnten und wird mit dem Oberbegriff Brennwert-Technik mittlerweile als Standard angesehen.

Also, Energie ist notwendig, um Wasser zu verdampfen, aber Kühlung mit 100 °C heißer Brühe kann doch wohl nicht funktionieren.

Aber Wasser muss ja auch nicht verdampfen, um gasförmig zu werden. Wer jemals der Wäsche auf der Leine beim Trocknen zugesehen hat, der kennt den Prozess der Verdunstung.

Der Ausgleich macht’s

Ist zur Verdampfung von Wasser unter normalen Bedingungen noch eine Temperatur von 100 °C notwendig, so läuft die Verdunstung auch bei geringeren Temperaturen ab. Das Trocknen von Wäsche auf der Leine, der ausgetrocknete Siphon der Dusche nach dem Sommerurlaub oder Toms Kühlungserlebnis nach dem Besuch des Fitness-Centers sind deutliche Beweise dafür. Die Voraussetzung hierfür ist ein weiterer physikalischer Grundsatz: „Die Natur versucht kontinuierlich Ungleichgewichte auszugleichen“

Und das Ungleichgewicht einer feuchten Oberfläche zu relativ trockener Luft reicht aus, um Wasser ebenfalls dampfförmig werden zu lassen. Im Falle von Tom hat er den Körperschweiß auf gute 38 °C vorgeheizt. Die Umgebungsluft in der Muckibude wird sicherlich noch nicht mit Dampf gesättigt sein. Diese Luft kann und wird daher noch Feuchte aufnehmen. Erst bei völliger Sättigung dieser Luft käme diese Verdunstung des Schweißes zum Erliegen.

Völlige Sättigung von Luft empfinden wir Menschen im Sommer übrigens als Schwüle: Wenn Luft bei großer Hitze keine weitere Feuchte mehr aufnehmen kann, wird es für Menschen oft ungemütlich, da der Schweiß auf unserer Haut nicht mehr verdunsten kann. Verdunstung sorgt also ebenfalls für den Wechsel des Aggregatzustandes.

Aber dem dann dampfförmigen Wasser sieht man es nicht an, ob es nun bei 100 °C durch Kochen verdampft ist oder bei 20 °C auf Toms Haut. Nur, und jetzt sind wir endlich bei der Kühlung, bei der Verdunstung hat Toms Hautoberfläche die notwendige Energie geliefert, was er als Kühlung empfand. Irgendwo musste die Energie ja herkommen. Also, egal, ob durch Verdampfung bei 100 °C oder Verdunstung bei 20 °C und noch nicht mit Dampf gesättigter Luft, der Wechsel findet nur statt, wenn Energien fließen.

Aber warum empfindet Tom einen Luftzug als besonders erfrischend? Weil die Luft, die sich soeben mit der Feuchte verbunden hat, bei entsprechendem Luftaustausch wieder erneuert wird. Und die neue Luft nimmt wiederum Feuchte auf und kühlt folglich. Bei stehender Luft würde diese sich allmählich mit Feuchte sättigen und den Prozess der Verdunstung auf der Haut dabei immer weiter verlangsamen. Stehende Luft sorgt für eine allmähliche Verlangsamung der Verdunstung.

Ein zweiter Versuch mit Wattepads

Während eines weiteren, sehr einfachen Versuchs kann man sich diesen Vorgang auch gut praktisch ansehen: Eine Wärmebildkamera wird auf zwei mit Wäscheklammern beschwerte Wattepads ausgerichtet. Eines dieser Wattepads wird mit Wasser besprüht, das andere bleibt trocken. Ein Ventilator bläst beide Pads gleichmäßig an. Obwohl die Ausgangstemperatur die gleiche war, kühlt sich das feuchte Pad bei einem Anströmen mit Luft sehr schnell und stark ab. Das trockene Pad verändert die eigene Oberflächentemperatur so gut wie gar nicht.

Zwei Pads unter Beobachtung einer Wärmebildkamera. Das linke Pad wurde angefeuchtet, das rechte bleibt trocken. Beide Pads werden von einem Luftstrom angeblasen.

IBH

Zwei Pads unter Beobachtung einer Wärmebildkamera. Das linke Pad wurde angefeuchtet, das rechte bleibt trocken. Beide Pads werden von einem Luftstrom angeblasen.

Im dargestellten Versuch zeigt das feuchte Pad laut Wärmebild eine Temperatur von 16,1 °C an. Das trockene Pad hingegen zeigt eine Temperatur von 22,6 °C an.

Die Feuchte des linken Pads wurde also gewissermaßen im Luftstrom getrocknet. Oder anders, das Wasser des Pads wurde verdunstet. Zur Verdunstung war zwingend Energie notwendig, die in diesem Fall unter anderem dem Pad entzogen wurde. Die Watte kühlte sich natürlich in der Folge ab.

Verdunstung von Wasser entzieht also der Umgebung erhebliche Energiemengen. Dazu müssen keine energiefressenden Kompressoren von Kältemaschinen angeworfen werden.

Versuchs-Ergebnisse nicht falsch deuten!

Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass die hohe Leitfähigkeit des Wassers die Auskühlung des feuchten Pads im zuletzt beschriebenen Versuch begünstigt. Das stimmt ja grundsätzlich auch. Das begründet aber nicht die sichtbare Abkühlung gegenüber der Umgebungstemperatur, also der Temperatur des Luftstroms. Das feuchte Pad leitet Wärme besser als ein trockenes Pad. Aber der zusätzlich einsetzende Kühleffekt entsteht durch die Verdunstung.

Ein Mensch, der durchnässt durch einen Sturm läuft, wird zwei Phänomenen ausgesetzt: Einerseits leitet die durchnässte Kleidung seine Körperwärme schneller nach außen als trockene Kleidung. Zusätzlich wird die Oberfläche durch die Verdunstung im Sturm weiter abgekühlt.

Fein verdüstes Wasser kann leichter Verdampfen als ein Wasserstrahl und daher effektiver kühlen. Diesen Effekt nutzt man in Rückkühlwerken.

Алексей Бондаренко – stock.adobe.com

Fein verdüstes Wasser kann leichter Verdampfen als ein Wasserstrahl und daher effektiver kühlen. Diesen Effekt nutzt man in Rückkühlwerken.

Adiabate Kühlung

Weitere Spezialfälle kann man sich ausdenken. Die sogenannte adiabate Kühlung wird bereits praktisch eingesetzt, um kostengünstig und effizient Kühlenergie bereitzustellen.

Das Prinzip ist mit den hier beschriebenen ­Vorgängen identisch. Die Spezialisierung sieht dabei jedoch so aus, dass Wasser für diese adiabate Kühlung bereits sehr fein verdüst wird. Dabei bietet ein feiner Wassertropfen enorm viel Oberfläche um zu Verdunsten. Statt an der ­Oberfläche des eben beschriebenen Wattepads bieten sich viele tausende winzige Tröpfchen mit einer zusammengerechnet riesigen Oberfläche einem Luftstrom an, um in diesem zu verdunsten. Das kühlt diesen Luftstrom enorm herunter.

Diese Temperaturdifferenz als Ergebnis von derart geringem Energieaufwand ist mit keinem anderen Prozess vergleichbar günstig realisierbar. Die ­adiabate Kühlung schreit nach vielfältigen Entwicklungen für die nächsten Jahre. Die weltweite Klimaerwärmung gepaart mit den energiedichten, GEG-gerechten Gebäuden ruft solche kostengünstigen Prozesse sicherlich auf den Plan.

Erkenntnisse für die Praxis

Stellt man also eine feuchte Oberfläche oder fein zerstäubtes Wasser zur Verfügung und entsprechende aufnahmefähige Luft, um diese Feuchte zu verdunsten, so findet immer eine Kühlung statt.

Die Verdunstung nimmt die Energie aus der Umgebung, also entweder von der feuchten Oberfläche oder direkt aus der Luft. Letztlich entsteht Verdunstungskälte oder eine adiabate Kühlung.

Das Prinzip der adiabaten Abluftkühlung in Klimatisierungsanlagen. In diesem speziellen Fall wird „kostenloses Regenwasser“ innerhalb eines Wärmeübertragers in die Abluft gesprüht und kühlt diese deutlich ab. Der Kühleffekt wird dann auf die Zuluft übertragen.

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Das Prinzip der adiabaten Abluftkühlung in Klimatisierungsanlagen. In diesem speziellen Fall wird „kostenloses Regenwasser“ innerhalb eines Wärmeübertragers in die Abluft gesprüht und kühlt diese deutlich ab. Der Kühleffekt wird dann auf die Zuluft übertragen.

In der Praxis ist die augenfälligste Anwendung der Kühlturm eines herkömmlichen Kraftwerks. Diese Riesen vernichten fast 2/3 der Energien, die in diesem Kraftwerk umgesetzt werden. Die Verdunstung tritt deutlich sichtbar ins Freie, nämlich als verdunstetes Wasser, was man Kleinkindern verharmlosend als Wolkenmacher beschreiben kann. Die Wahrheit sieht leider anders aus. In einem Großkraftwerk können schon mal 1,5 t Wolken pro Sekunde erzeugt werden, wohlgemerkt Abwärme, die niemand mehr sinnvoll einsetzt.

Aber auch die Anlagentechnik nutzt dieses schlichte Prinzip seit Jahrzehnten zur kostengünstigen Bereitstellung von Kühlenergie. Durch geschickte Anordnung der Komponenten sind mittlerweile sehr kompakte Geräte verfügbar, die diesen Effekt nutzen. Im besten Fall kühlen solche Geräte durch indirekte Verdunstungskälte die im Sommer angesaugte Zuluft für einen Raum um bis zu 14 °C. Die viel teurere und energetisch aufwendigere Alternative wäre, für solche Aufgaben eine Kältemaschine zu betreiben. Es lohnt sich also, diese Technik näher zu betrachten.

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