Das Gebäudeenergiegesetz, kurz GEG, findet Anwendung im Zusammenhang mit neu zu errichtenden Gebäuden. Es soll helfen, das Klima zu schützen, und fossile Ressourcen schonen. Daher wird laut GEG ein Anteil regenerativer Energien zur Wärmeversorgung gefordert. Darstellbar ist ein solcher Anteil durch die Einbeziehung von thermischer Solarenergie in das Wärmeversorgungskonzept eines Gebäudes.
Mein eigenes Gefühl für unsere Umwelt kann mich auch anregen, eine Solaranlage auf mein Dach zu packen und nach den Regeln der Technik einzubinden.
Führt am Ende die Wirtschaftlichkeit nach eigenem Verständnis zu einem ähnlichen Ergebnis wie das GEG? Sind die entstehenden Anlagen vergleichbar? Lesen Sie, wie ich die Sache sehe.
Auslegung von Laien
Fragen Sie mal in eine Runde von Laien, wie die Auslegung einer thermischen Solaranlage nach deren Ansicht vorgenommen werden sollte. Wählen Sie ein neues Einfamilienhaus für eine vierköpfige Familie. Die meisten Laien schauen sich cleverer Weise noch die Dachseite des Hauses an, die am deutlichsten nach Süden ausgerichtet ist, und knallen diese dann mit Kollektoren voll, 35 Quadratmeter, basta. Auf die Frage, wie groß der solare Speicher werden soll, kriegt man meistens auch eine Maximalempfehlung. „Was in den Keller so reingeht“, soll nach Laienansicht auch eingesetzt werden, und das sind leicht 3 x 1200 Liter oder mehr.
Bumm, fertig, denn viel hilft ja auch viel! Oder nicht?
Ketzerische Frage
Das geschulte Auge des Anlagenmechanikers warnt zumindest schon aus zwei Gründen. 3 x 1200 Liter, also 3600 Liter, werden durch die vier Familienmitglieder auch nach mehreren Tagen nicht ausgetauscht. Das Wasser würde also erwärmt in den Behältern stehen, stagnieren und letztlich verkeimen. Das geht also schon mal aus hygienischer Sicht nicht. Würde man diese 3600 Liter als Heizungspuffer installieren, dann könnte man mit Frischwasserstationen arbeiten. Allerdings würde eine derartige Überdimensionierung immer noch zu einem Problem an sehr sonnenarmen Tagen führen. Während man in grauen Wintermonaten vielleicht noch 100 Liter Wasser auf einigermaßen hohe Temperaturen bringen könnte, würden 3600 Liter doch wohl nur leicht angewärmt. Um zu duschen, müsste man in dieser Anlage den konventionellen Wärmeerzeuger zumindest in sonnenscheinarmen Wetterphasen häufig einschalten.
Der Laie lenkt nach diesem Klugschiss eines Anlagenmechanikers ein und verkleinert den Speicher gedanklich auf nur noch 400 Liter. Der Kenner der Szene gibt jetzt Entwarnung für den sonnenarmen Januar, mahnt aber vor den Sommermonaten. 35 Quadratmeter Kollektorfläche kochen den 400-Liter-Speicher schon kurz nach Sonnenaufgang hoch auf 90 °C. Ab 10:00 Uhr vormittags kocht die Solaranlage wahrscheinlich über. Der Laie merkt spätestens nach diesen Fehlversuchen zur Auslegung, dass es keinen Sinn macht, mit fragwürdigen „Viel-hilft-viel-Parolen“ eine Solaranlage zu dimensionieren. Wie geht´s also richtig?
Bedarf ermitteln
Je konkreter man das Ziel vor Augen hat, desto effektiver kann die Solaranlage an den Bedarf angepasst werden. Daher wäre es wünschenswert, den Bedarf des Beispielhauses zu ermitteln. In der Praxis wird dieser für Kleinanlagen fast immer geschätzt. Man rechnet pro Person und pro Tag mit einem Verbrauch von 30 bis 50 Litern Wasser, welches auf 60 °C erwärmt ist. Zwar duscht niemand mit 60 °C heißem Wasser, aber es wird entsprechend runtergemischt verwendet.
Damit ist das Potenzial der Solaranlage für einen Tag ermittelt. Bleiben wir gedanklich am oberen Limit, also 50 Liter pro Tag (l/d). Vier Personen benötigten daher 200 l/d und das in Deutschland von rund 10 °C auf 60 °C erwärmt. Dies ergibt eine notwendige Energiezufuhr nach der berühmten Formel „Kuhistgleichemmalcemaldeltatheta“

Dabei ist
Q = Energie in Wattstunden
m = die erwärmte Masse (im Beispiel 200 Kilogramm, entsprechend 200 Liter)
c= die spezifische Wärmekapazität (im Beispiel für Wasser mit 1,163 Wh / (kgK)
 = Temperaturdifferenz (im Beispiel 60 °C – 10 °C = 50 K)

Um den Tagesbedarf der Familie zu decken, sind 12 Kilowattstunden Energie notwendig. Die stecken theoretisch in 1,2 Litern Heizöl.
Es hat sich als sinnvoll erwiesen, das 1,5- bis 2-Fache des Tagesbedarfs einzulagern. Damit lässt sich dann auch mal eine Schlechtwetterfront im Sommer durch die Ernte des Vortages überbrücken. Ein bivalenter Speicher von rund 300 Litern Volumen würde daher für dieses Haus mit seinen 4 Personen angesetzt. Bivalent bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Speicher im unteren, also kühlen Bereich, von Solarenergie gespeist wird und im oberen und daher heißen Bereich durch den Kessel nacherwärmt werden kann.
Handelsüblich ist dann ein Speicher von 300 Litern.

Der Speicher steht und dann?
Es gilt nun, die 300 Liter Wasser bedarfsgerecht zu erwärmen. Im Januar und bei geringer solarer Einstrahlung könnten locker auch mal 15 Quadratmeter Kollektorfläche die solare Energie dafür sammeln und trotzdem nicht ausreichend erhitzen. An einem glühend heißen Tag im August könnten 3 Quadratmeter Kollektorfläche die Anlage schon zum Kochen bringen. Also welcher Kompromiss wird geschlossen?
Kollektorfläche bestimmen
In Mitteleuropa können wir an einem umgangssprachlich „schönen Sommertag“ mit einer Einstrahlung von 5 Kilowattstunden je Quadratmeter (kWh/m²) Fläche rechnen. Das entspricht immerhin der Energiemenge, die in einem halben Liter Heizöl steckt. Diese lässt sich nicht zu 100 Prozent ernten. Auch eine thermische Solaranlage und insbesondere deren Kollektorflächen haben einen Wirkungsgrad in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen. In Abhängigkeit vom Kollektortyp, also Flachkollektor oder Vakuumröhrenkollektor, sind unterschiedlich große Speichersysteme sinnvoll. Bezieht man den Speicherinhalt auf einen Quadratmeter Kollektorfläche, so haben sich folgende Verhältnisse als sinnvoll erwiesen:

Um nun den bereits angedeuteten Kompromiss zu erzielen, wird für Ein- und Zweifamilienhäuser eine Deckungsrate von 50 bis 60 Prozent angestrebt. Am Jahresende soll also die Hälfte des Tagesbedarfs (bei 50 % Deckungsrate) an zusammen 365 Tagen geerntet worden sein. Da ist dann ein Tag im Januar mit nur 5 % Deckung genauso erfasst wie der Tag im August mit 100 % Deckung.

Gilt das für alle Zeiten?
Stimmt das denn jetzt? Ein Paket thermische Solaranlage sieht also für eine vierköpfige Familie immer so aus: 300-Liter-Speicher mit 4,5 m² Flachkollektor oder 3,0 m² Röhrenkollekto.r
Nein, nicht immer kann man diesen Standard anwenden. Zum einen kann natürlich der Bedarf an Warmwasser abweichen.
Aber auch die Angebotsseite kann variieren. Denn die soeben zusammengestellten Vorgaben beziehen sich auf eine Auslegung mit Kollektoren, die nach Süden ausgerichtet sind.

Übertrieben könnte man die Kollektoren steiler aufstellen und komplett nach Osten ausrichten. Das Ergebnis wäre weniger zufriedenstellend und man würde sicherlich nicht mehr die erwartete Deckungsrate erreichen. Auch der Schatten eines Nachbarhauses oder einer Baumkrone kann die Ernte mindern. Negative Einflüsse bezüglich der Aufstellung und Umgebung können aber ausgeglichen werden. In der Regel wird in solchen Fällen entsprechend mehr Kollektorfläche aufs Dach getragen, um den Ertrag auf die gewünschte Deckungsrate zu bringen.
Klugschiss zwischendurch
Übrigens ist eine Deckungsrate von 100 Prozent völlig unwirtschaftlich und kann als echte Fehlplanung bezeichnet werden. Denn eine thermische Solaranlage, die selbst an dem schattigsten und kältesten Wintertag das komplette warme Wasser erhitzt, produziert an jedem anderen einen Überschuss. Den Überschuss müsste man also an 364 Tagen loswerden, um auch an dem einen ungünstigsten Tag die volle Deckung zu erreichen. Sinnlos, oder?
Frag das Nomogramm!
Auch ein grafisches Verfahren führt zu dem genannten Ergebnis. Zusätzlich sieht man bei einer bildlichen Darstellung die Abhängigkeiten sehr schön. Studieren Sie doch einfach mal das Ergebnis im Nomogramm und variieren Sie die Gegebenheiten.
Und das Gesetz?
Im GEG ist festgelegt, dass bei der Heizenergieversorgung eines Gebäudes gewisse Anteile aus regenerativen Quellen stammen sollen. Zu den regenerativen Quellen gehören beispielweise feste, flüssige oder gasförmige Biomasse, Geothermie oder Umweltwärme. Aber dazu gehört eben auch thermische Solarenergie. Im Paragraf 35 steht dann, dass die gestellte Anforderung als erfüllt gilt, wenn der Wärme- und Kälteenergiebedarf zu mindestens 15 Prozent gedeckt wird. Und dann wird festgelegt, dass bei Wohngebäuden mit höchstens zwei Wohnungen solarthermische Anlagen mit einer Fläche von mindestens 0,04 Quadratmetern Aperturfläche je Quadratmeter Nutzfläche installiert und betrieben werden sollten. Damit gilt der Anteil von 15 % als erfüllt.
Jetzt wird es also spannend. Das GEG sagt also aus, dass man beim Bewohnen eines Hauses mit 4 Personen und gleichzeitig 120 m² Nutzfläche eine Solaranlage mit 4,8 m² Fläche einbauen sollte. Das entspricht 2 bis 3 Kollektorfeldern, mit Trend zu 3 Feldern. Dieses Ergebnis entspricht auch in etwa dem Trend der Handberechnung und der Dimensionierung mittels Nomogramm.
Bewohnt man jedoch in Kardashians Manier ein Haus mit 600 m² Wohnfläche, sollten es gleich 24 Quadratmeter Kollektorfläche sein. Da könnte Kim ordentlich lange duschen. Man merkt also deutlich, dass das GEG von einfachen Leuten wie uns ausgeht und die Reichen und Schönen in Ihren Villen leicht überschätzt werden. Aber bitte, ein Gesetz muss nicht in jeder Beziehung den Anspruch eines Auslegungsfahrplans erfüllen.
Das GEG schreibt natürlich auch noch vor, welche Mindeststandards einzuhalten sind. Beispielsweise sind nur Kollektoren zulässig mit dem europäischen Prüfzeichen „Solar Keymark“.
Fazit
Thermische Solaranlagen lassen sich auf der Grundlage der Anforderungen einigermaßen gut dimensionieren. Standardannahmen führen zu den gewohnten Standardergebnissen.
Das GEG berücksichtigt ebenso gewisse Standards. Will man funktionsfähige thermische Solaranlagen bauen, sollte man in jedem Fall genauer hingucken und neben der Erfüllung gesetzlicher Vorgaben auch die Punkte der Wirtschaftlichkeit und Hygiene einbeziehen.
Herausragende Anforderungen sollten nach meiner Einschätzung unbedingt simuliert werden. Hierzu sind hervorragende Softwarelösungen verfügbar.
Merke:
Zu große Solarspeicher bei der Trinkwassererwärmung bieten zwar ein enormes Speichervermögen, müssen aber an sonnenarmen Tagen konventionell nachgeheizt werden.
Zu kleine Solarspeicher bei der Trinkwassererwärmung führen zu einer sehr frühen Abschaltung wegen zu hoher Speichertemperaturen an „guten“ Sonnentagen.
Speicher/KollektorEmpfehlung
• Je Quadratmeter Flachkollektor mindestens 50 Liter Speichervolumen
• Je Quadratmeter Röhrenkollektor mindestens 70 Liter Speichervolumen
Merke:
Die Solaranlage für Ein- und Zweifamilienhäuser wird für eine Deckungsrate von 50 bis 60 % ausgelegt. Dies erreicht man mit 1,5 m² Flachkollektor bzw. 1,0 m² Röhrenkollektor jeweils bezogen auf 100 Liter Speichervolumen.
Kurzer Check:
Im Osten geht die Sonne auf, im Süden hält sie Mittagslauf, im Westen will sie untergehen, im Norden ist sie nie zu sehen.