Wie funktioniert eigentlich ein Sterling-Motor
.
Temperaturunterschiede sind seit jeher die ständigen Begleiter des Menschen. Seine Temperatur von fast 37°C wird der meist kühleren Umgebung von vielleicht 20°C ausgesetzt. Was, wenn eine solche Temperaturdifferenz ausreichen würde um einen Motor zu betreiben? Dann müsste es doch möglich sein durch Auflegen einer warmen Hand den Akku des ewig dudelnden MP3-Players zu laden?!
.
.
Sollte es im größeren Maßstab auch möglich sein, mittels Abwärme elektrischen Strom für den Haushalt zu erzeugen? Utopie oder bereits technisch Realität? Jedenfalls erfand vor fast 200 Jahren der Schotte Robert Stirling einen Motor, der als Konkurrenz und Verbesserung zur bereits bekannten Dampfmaschine gedacht war. Die Grundidee war so simpel, wie der Prozess an sich genial ist. Auch im Stirling-Motor wird unter Hitze ausgedehntes Gas zur Bewegung eines Kolbens herangezogen. Das ist aber nur die Grundidee. Die Umsetzung und Entwicklung zur Kreisbewegung dieses Prinzips erfordert dann doch einiges an Kunstgriffen. Jedenfalls läuft Stirlings Erfindung seit fast 200 Jahren.
.
Von der Idee zur Bewegung
Auch Stirling konnte in der anfänglichen Entwicklung seines Motors auf für ihn bekannte Phänomene zurückgreifen. So war ihm natürlich bekannt, dass Gase sich bei Erwärmung ausdehnen und im Gegenzug bei Abkühlung wieder zusammenziehen. Die Bilder 3 bis 5 zeigen einen Glaskolben der mit einer Gummimembrane (im Volksmund: Luftballon) verschlossen wurde. Es befindet sich also ein isoliertes Gasvolumen im Kolben. In Bild 4, mit angezündeter Kerze, dehnt sich dieses Volumen unter der Wärmeeinwirkung kräftig aus. Dies ist an der nach außen gewölbten Membrane gut zu erkennen. In Bild 5 wird der gesamte Kolben in Schnee eingetaucht. Die erfolgte Abkühlung und das damit verbundene Zusammenziehen des Gases bewirkt nun eine Wölbung der Membrane nach innen. Klar wird jetzt schon: Durch das äußere Erwärmen und Abkühlen wird eine Bewegung erzeugt. Ein ständiges Auf und Ab der Membrane kann allerdings nur erreicht werden, wenn der Glaskolben abwechselnd erwärmt und abgekühlt wird. Das, quasi als sich wiederholenden Prozess (Kreisprozess) zu erreichen, ist schwierig. Denn wer läuft schon gerne zwischen Kerzenständer und Schnee hin und her nur um eine Bewegung in einem isolierten Gasvolumen zu erzeugen?
.
.
.
Bierdose mit guter Wärmeleitung
Es ist nicht sehr wahrscheinlich dass Stirling leere Bierdosen eines alkoholfreien Bieres (wie in den Bildern 6 und 7) zur Weiterentwicklung seiner Idee nutzte. Dennoch ist die Leitfähigkeit einer Alu-Dose hervorragend geeignet, den Prozess zu verfeinern und in die Tat umzusetzen. Der Deckel auf der Dose dient erstmal nur zur Aufnahme eines kleinen Kolbens (in weiß) und zur Kühlung. Wird unterhalb der Dose, wie beim Glaskolben, ein Feuerchen angezündet, so dehnt sich das in der Dose enthaltene Gas aus. Dabei hebt der Gasdruck den Kolben an (Bild 7) und so wird ein Teil der zugeführten Wärmeenergie in mechanische Ausdehnungsarbeit umgewandelt.
.
.
Jetzt muss „nur noch“ für eine abwechselnde Abkühlung und Erwärmung des in der Dose enthaltenen Gasvolumens gesorgt werden. Dann würde sich der Kolben genau in diesem Wechsel heben und senken. Für dieses Wechselspiel ist in unserem Beispiel der Verdrängerkolben verantwortlich (grün eingezeichnet). Dieser Kolben wird recht locker in die Dose eingetaucht (Bild 8). Zieht man diesen Kolben an den oberen Deckel der Dose, so befindet sich das Gasvolumen der Dose hauptsächlich im unteren Bereich. Es wurde ja durch den Verdrängerkolben nach unten verdrängt. Lässt man den Verdrängerkolben wiederum auf den Boden der Dose fallen, so befindet sich das in der Dose enthaltene Gas zum größten Teil oben in der Dose. Man erahnt schon den Stirlingschen Trick! Ist der Verdrängerkolben oben, wird das Gas im unteren Bereich der Dose erwärmt und dehnt sich dabei aus. Das Gas verrichtet die Aufgabe den Arbeitskolben (in den Bildern 8 und 9 als Kolben bezeichnet) anzuheben. Senk man im nächsten Schritt den Verdrängerkolben, so kühlt sich das eben noch heiße, ausgedehnte Gas ab und zieht sich dabei zusammen. Der Arbeitskolben senkt sich in der Folge.
.
.
Mit Kurbelwelle zur Kreisbewegung
Würde man also neben der Bierdose sitzen bleiben und den Verdrängerkolben ständig in einem guten Rhythmus eintauchen und dann wieder hochziehen, so würde auch der Arbeitskolben ständig auf und ab fahren. Die eigentliche Arbeit am Arbeitskolben würde aber nicht durch die leichtgängige Betätigung des Verdrängerkolbens geleistet, sondern durch die immer wiederkehrende Erwärmung und Abkühlung des Gases in der Dose. Die monotone Arbeit des „Auf“ und „Ab“ am Verdrängerkolben gilt es jetzt noch an jemanden weiterzugeben der sich ohnehin gerade bewegt. Mit dem naheliegenden Trick die Bewegung des Arbeitskolbens mit dem des Verdrängerkolbens zu kombinieren ist der Stirlingsche Motor schon fast fertig erfunden.
Der Arbeitskolben kann seine Auf- und Abbewegung, wie in den Bildern 10 und 11 gezeigt, an eine Kurbelwelle weitergeben. Diese Kurbelwelle kann dann selbstverständlich die Arbeit am Verdrängerkolben übernehmen. Heben und Senken der beiden am Prozess beteiligten Kolben geschieht nun im fast harmonischen Einklang. Damit die Harmonie etwas perfekter wird, ist in Bild 10 und Bild 11 noch die große Schwungscheibe eingezeichnet. Hierdurch wird die Kreisbewegung der Kurbelwelle weniger hakelig.
.
.
Wofür denn noch ein Motorenkonzept?
Neben dem sehr erfolgreichen Benzinmotor und dem sehr effizienten Dieselmotor gibt es noch ein paar Exoten, die immer wieder irgendwelche Rädchen antreiben. Braucht die Welt jetzt also auch noch den Stirling-Motor? Die Dampfmaschine ist doch auch fast völlig verdrängt worden durch die wesentlich effizienteren und leichter zu handhabenden Motorenkonzepte. Ist Stirlings geniale Idee nicht doch etwas für Freaks, die die Zeichen der Zeit nicht erfasst haben und nostalgischen Ideen hinterher trauern? Die Antwort lautet: Eindeutig Nein! Das geniale an Stirlings Erfindung ist die Tatsache, das im Prinzip jede erdenkliche Temperaturdifferenz der Umgebung tauglich ist, den Motor in Bewegung zu versetzen. Und darin liegt die nahezu grenzenlose Einsatzmöglichkeit. Ist der Benzinmotor noch auf fein aufbereiteten Sprit angewiesen, kann der Stirlingmotor auch mit z. B. Laubabfällen betrieben werden. Ist der Verbrennungsprozess im Dieselmotor noch abhängig von dem fein abgestimmten Einspritzwinkel des aufwendig verdüsten Kraftstoffs, könnte der Stirlingmotor auch im Höllenfeuer einer Müllverbrennungsanlage seinen Dienst verrichten. Und während es bei jeder Explosion im Kolben des Viertakters richtig scheppert, bleibt es im Stirlingschen Pendant eher ruhig. Das Potenzial zur Entwicklung von sinnvollen Anwendungen steht erst am Anfang der Forschungsarbeit. Man denke z. B. an folgende Temperaturdifferenzen:
- In der Flamme oder dem Abgasweg eines Brennwertkessels
- Im Brennpunkt eines nach der Sonne ausgerichteten Parabolspiegels
- Im Rahmen der Nutzung von nachwachsenden Brennstoffen (Holz, Bioabfälle…) zur Beheizung
- In militärischen Anwendungen für geräuscharme U-Boot-Antriebe
.
Je höher die Temperaturdifferenz und die resultierende Erwärmungsleistung für das eingeschlossene Gas, umso kräftiger fällt die Drehbewegung aus. Aber auch geringe Differenzen der Umgebung können ausreichen, zumindest leichte Aufgaben zu übernehmen die zurzeit noch durch Steckdosenstrom erledigt werden.
.
.
Schon zu Ende gedacht?
Der Stirlingmotor ist vielfach modifiziert worden. Dies führte immer wieder auch zu Steigerungen des Wirkungsgrades und zur Anpassung an unterschiedliche Aufgaben und Anforderungen. Das grundlegende Prinzip blieb dasselbe, während der Motor immer wieder verbessert wurde. Mittlerweile sind viele unterschiedliche Typen des Stirlingmotors etabliert. Diese werden unterschieden nach
- Anordnung der Zylinder:
α-Typ (Alpha)
β-Typ (Beta)
γ- Typ (Gamma)
- Verdrängerbauart:
Massiver Verdränger
Regenerativer Verdränger
Glaskugel
Flüssigkolben
Platten
- Anzahl der Zylinder
einfach wirkend
doppelt wirkend
- Betriebstemperatur
Niedertempertur
Mitteltemperatur
Hochtemperatur
.
.
Bei geschickter Nutzung des Prozesses lässt sich sogar Kälte mit dem Stirlingmotor „erzeugen“. Dieser Prozess findet dann Anwendung zur Ausstattung von Hightech-Produkten, wie Infrarotsensoren (Wärmebildkamera), oder für die Tieftemperaturtechnik (bis minus 250 °C) zur Verflüssigung von Gasen (z. B. Erdgas bei minus 162°C). Der Stirlingmotor findet also auch gut 200 Jahre nach seiner Erfindung Verwendung… was man ja von der Dampfmaschine nicht behaupten kann.
.
.
Film zum Thema
Schwer vorstellbar, dass so etwas funktioniert? Wer da Zweifel und ein wenig Zeit hat, kann sich einen Stirlingmotor selber mit einfachen Mitteln bauen. Wenn’s heiß ist, kann mit einem Teelicht ein Ventilator betrieben werden. Wie das aussehen kann, wird hier gezeigt:
Link: sevenload.com