Der Drehmoment ist ein zutiefst verinnerlichter Vorgang, über den wir uns kaum noch Gedanken machen. Er entsteht z.B. jeden Morgen, kurz nach dem Aufstehen, wenn wir die Türklinke herabdrücken, um das Schlafzimmer zu verlassen. Aber was steckt eigentlich dahinter?
Unser Autor Elmar Held wird im Folgenden einige Besonderheiten aus beruflicher Sicht beleuchten.
Formeller Ansatz
Der Drehmoment in der Formelsammlung
M = F x l
wobei
M = Drehmoment in Newtonmeter (Nm)
F = Kraft in Newton (N)
l = Hebelarm in Meter (m)
Für ein Drehmoment ist also eine Kraft verantwortlich, die von einem Drehpunkt entfernt wirkt.
Ganz einfach kann man sich eine Kraft vorstellen als ein Gewicht, das auf einen Punkt wirkt. Je größer das Gewicht, desto stärker die Kraft, klar.
Es gilt die Formel:
F = m x a
wobei
F = Kraft in Newton (N)
m = Masse in Kilogramm (kg)
a = Beschleunigung in Meter /Quadratsekunde (m/s²)
Will man bspw. die Gewichtskraft eines Sandsacks mit einer Masse von 10 kg ermitteln, so ergibt sich:
F = 10 kg • 9,81 m/s² = 98,1 N
Würde man diesen Sandsack in einem Meter Abstand vom Drehpunkt einer Schranke aufhängen, so würde ein Drehmoment von
M = 98,1 N • 1 m = 98,1 Nm
wirken.
Zurück zum Job des Monteurs
Im beruflichen Monteur-Alltag wird bspw. beim Verschrauben von Gewinden ein Drehmoment erzeugt.
Mögliche Drehmoment für verschiedene Ansätze
A: In Punkt I wirkt eine Kraft von 100 Newton (N)
M = 100 N • 0,05 m = 5 Nm
B: In Punkt II wirkt eine Kraft von 100 N
M = 100 N • 0,10 m = 10 Nm
C: In Punkt III wirkt eine Kraft von 100 N
M = 100 N • 0,15 m = 15 Nm
D: In Punkt I wirkt eine Kraft von 200 N
M = 200 N • 0,05 m = 10 Nm
Erste Erkenntnis:
Je weiter vom Drehpunkt entfernt eine Kraft wirkt, desto höher fällt das Drehmoment aus (Bsp. A, B, C).
Zweite Erkenntnis:
Um ein gleich großes Drehmoment in geringerem Abstand zum Drehpunkt zu erzeugen, muss die wirkende Kraft entsprechend erhöht werden (Bsp.: Vergleiche B und D).
Was bringen dem Anlagenmechaniker diese Erkenntnisse?
Beide Erkenntnisse sind im Alltag von Otto Normalbürger bereits integriert. In Deutschland drücken wir bspw. entsprechend geformte Türklinken nach unten, während Amerikaner Türknaufe verdrehen. Das kostet die Amis mehr Kraft, weil der Hebelarm bis zum Drehpunkt enorm verkürzt ist. In Deutschland leben wir daher beim Öffnen von Türen ein wenig bequemer.
Ein Anlagenmechaniker jedoch muss dieses Wissen sehr viel spezifischer im Berufsleben anwenden.
Und als Klassiker dabei ist die alte vergammelte Verschraubung zu nennen. Der zöllige Eckschwede wird angesetzt um die Verschraubung zu lösen. Trotz ganzem Körpereinsatz bewegt sich das Ding nicht. Aus dem Wagen wird dann ein passendes Stahlrohr geholt, um damit den Hebel des Eckschweden zu verlängern. Nur in ganz seltenen Fällen ist das so erzeugbare Drehmoment dann immer noch nicht ausreichend, um die Verschraubung zu lösen.
Die Werkzeughersteller einer solchen Zange empfehlen diese Vorgehensweise übrigens nicht, da weder die Verzahnung der Backen noch die bewegten Gelenke für derartige Belastungen ausgelegt sind.
Ein weiteres Bsp. sind Inbusschlüssel. Um eine feste Verbindung einer Schraube zu lösen, wird man sicherlich den Hebelarm maximieren. Die leichte Drehtätigkeit zum endgültigen Ausschrauben wird dann normalerweise ohne den lästigen, propellerartigen Hebelarm und im Eiltempo durchgeführt. Die letzten Drehungen lassen sich dann schon mal durch einfaches Zwirbeln des Inbusschlüssels tätigen.
Anziehen mit Drehmoment
Für empfindliche Schraubverbindungen werden gerne Vorgaben gemacht bezüglich des Drehmoments, mit dem die Schrauben angezogen werden sollten. Durch ein solches Anzugsmoment überträgt sich die Spannung der Schraube auf die zu verbindenden Bauteile wie bspw. zwei Flansche. Zwar wird durch das Anzugsmoment die Schraube eigentlich ja nur verdreht. Aber gleichzeitig wandern ja Schraubenkopf und Mutter aufeinander zu. Man kann daher letztlich über ein Anzugsmoment auch auf die Zugkraft der Verbindung schließen.
Genau zu diesem Zweck gibt es einstellbare Drehmomentschlüssel. Diese machen durch ein deutliches Klacken auf sich aufmerksam und kennzeichnen so das Erreichen eines voreingestellten Drehmoments. Damit wird die Schraubverbindung einschätzbar, was die Belastung angeht.
Denkbar wäre eine solche Drehmomentvorgabe auch für die Installation von Waschtischen oder wandhängenden WCs. Der Anlagenmechaniker kennt das Problem, die Festigkeit der Verbindung der von zwei Stockschrauben gehaltenen Keramik einzuschätzen. Ein zu kräftiges Anziehen kann auch schon mal den Bruch der Keramik nach sich ziehen. Aber die Industrie vertraut da weiterhin dem Feingefühl des Anlagenmechanikers, weshalb es keine umfassenden Vorgaben hierfür gibt.
Drehmoment beim Automotor
Wenn oberhalb des Kolbens eine Explosion den Kolben nach unten treibt, so wird diese Bewegung auf die Pleuelstange übertragen. Diese überträgt die Bewegung auf die Kurbelwelle. Der Drehpunkt der Kurbelwelle erfährt also ein Drehmoment.
Nehmen wir jetzt mal die Werte des drehmomentstärksten zivilen Fahrzeugs, eines Bugatti Veyron. Mit 1250 Nm versucht dieser Bolide die Antriebswelle zu einem Korkenzieher zu verdrehen. Entscheidend ist aber nicht alleine dieses Drehmoment. Denn das entspricht in etwa einem Gewicht von 125 Kilogramm (2 sehr leichtgewichtige Monteure) im Abstand von einem Meter zum Drehpunkt.
Aber davon entsteht ja noch kein Vortrieb. Das überlegene Drehmoment wird aber während einer ganzen Umdrehung aufrechterhalten. Und wenn sich dieses Drehmoment bei Drehzahlen von 2200 bis 5500 Umdrehungen pro Minute einstellt, dann ergibt sich eine Leistung von wunderbaren 736 kW (1000 PS). Das reicht dann, um in 2,5 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen. Leistung ergibt sich also als Zusammenspiel von Drehmoment und Drehzahl.
Die Formel lautet:
Leistung (kW) = Drehmoment (Nm) x Drehzahl (1/s) x 2 x π
Dieser Beitrag von Elmar Held ist zuerst im SBZ-Monteur 02-2024 unter dem Titel „Den richtigen Hebel ansetzen“ erschienen.