Das Grundprinzip einer Heizungsanlage scheint auf den ersten Blick simpel zu sein. Wasser wird im Heizkessel oder mittels Wandheizgerät erwärmt, über den Vorlauf zum Heizkörper gebracht und nach erfolgter Wärmeabgabe über den Rücklauf wieder zum Wärmeerzeuger gepumpt. Fertig ist der Kreislauf. Aber genau diese Denke führt in der Praxis häufig zu Problemen. Und Mängel, wie zum Beispiel unterschiedlich warm werdende Heizkörper, sind ein sicheres Indiz dafür, dass es eben nicht einfach mit „Rohr hin und Rohr zurück“ getan ist.
Zweirohr- oder Einrohrsystem
Schon bei der Auslegung der Heizkörper muss feststehen, nach welchem System die Vor- und Rücklaufleitungen verlegt werden. Zur Verfügung stehen das Zweirohrsystem und das Einrohrsystem. Beim Zweirohrsystem strömt Heizungswasser dem Heizkörper über die Vorlaufleitung zu und wird danach über den Rücklauf wieder direkt zum Wärmeerzeuger zurückgeschickt. Wird nach dem Einrohrsystem verrohrt, sind die Heizkörper in gewissem Sinne Bestandteil einer Ringleitung. Das Wasser fließt von einem Heizkörper zum nächsten. Ein Vorteil des Zweirohrsystems ist, dass jeder Heizkörper mit annähernd der gleichen Vorlauftemperatur bedient wird. Heizkörper gleicher Größe erbringen folglich bei gleicher Temperaturdifferenz zwischen Vor- und Rücklauf die gleiche Wärmeleistung. Ein weiteres Plus des Systems ist, dass sich die Heizkörper gegenseitig nur wenig beeinflussen. Wird also ein Heizkörper abgesperrt, hat das systemtechnisch keinen Einfluss auf die Wärmeleistung der anderen. Anders sieht das beim Einrohrsystem aus. Da hier das Heizwasser von einem Heizkörper zum nächsten fließt, also das Rücklaufwasser aus Heizkörper Nummer 1 ganz oder teilweise das Vorlaufwasser für Heizkörper Nummer 2 ist, verringert sich die Wassertemperatur. Folglich muss der Heizkörper Nummer 2 größer gewählt werden als Heizkörper Nummer 1, um die gleiche Wärmeleistung zu erreichen. Wird nun ein Körper im Einrohrsystem abgesperrt, steht den anderen Heizkörpern eine höhere Vorlauftemperatur zur Verfügung. Das Absperren eines Heizkörpers im Einrohrsystem erhöht so die Wärmeleistung der anderen Heizkörper.
Abgleich schlägt Tichelmann
Obwohl die Heizkörper im Zweirohrsystem die gleiche Wärmeleistung bringen, bedeutet das nicht, dass sie auch gleich schnell reagieren. Wurden Fehler bei der Planung oder bei der Installation gemacht, kann es sein, dass z. B. der Heizkörper in der Küche schneller warm wird als der im Kinderzimmer. Die Ursache hierfür ist schnell erklärt: Die Küche liegt in diesem Fall sicher in der Nähe des Wärmeerzeugers. Die Vor- und Rücklaufleitung des Küchenheizkörpers ist also kürzer als die des Heizkörpers im Kinderzimmer. Um zu erreichen, dass alle Körper einer Wohnung gleich schnell auf Leistung gehen, hat man zwei Möglichkeiten. Die eine ist, dafür zu sorgen, dass die Vor- und Rücklaufleitungen jeden Heizkörpers in etwa gleich lang sind. Wie das geht, obwohl die Heizkörper ja alle unterschiedlich weit vom Wärmeerzeuger entfernt liegen, zeigt das Tichelmann-System. Wird nach Tichelmann verrohrt, dann wird einem Heizkörper mit kurzer Vorlaufleitung eine lange Rücklaufleitung zugeordnet und umgekehrt. Dadurch ergeben sich für jeden Heizkörperanschluss die gleichen Druckverluste. Alle Körper werden so gleich schnell warm. Da bei diesem System nicht ausschließlich die kürzesten Rohrwege gewählt werden können, ist ein Zweirohrsystem nach Tichelmann auf Grund des größeren Rohrbedarfs teurer als andere Systeme. Ein weiterer Nachteil des Tichelmann-Systems ist, dass nachträgliche Änderungen immer Auswirkungen zumindest auf Teile der Anlage haben. Denn wird nachträglich ein weiterer Heizkörper installiert, so verändern sich automatisch auch die Längen der Vor- und Rückläufe. Deshalb bedient man sich in der Praxis heute vorwiegend der zweiten Möglichkeit. Bei dieser arbeitet man bei Zweirohrheizungsanlagen nicht mit der Anpassung der Vor- und Rücklauflängen, sondern mit einem hydraulischen Abgleich. Beim hydraulischen Abgleich werden die Druckverhältnisse und Volumenströme in der Anlage berechnet und so reguliert, dass jeder Heizkörper entsprechend seines Wärmebedarfs mit Heizwasser versorgt wird.
Saugventil am Mischpunkt
Verglichen mit den Zweirohrsystemen kostengünstiger zu erstellen, ist das Einrohrsystem, da – wie der Name schon sagt – weniger Rohr benötigt wird. Die einfachste Variante ist die, bei der die Heizkörper Bestandteil der Ringleitung sind, das Wasser also von Heizkörper zu Heizkörper fließt. Bei diesem so genannten Zwangsdurchlaufsystem ist eine Absperrung bzw. die Regulierung einzelner Heizkörper nicht möglich. Denn würde man z. B. den ersten Heizkörper im System absperren, wäre das gesamte Ringsystem dadurch lahm gelegt. Sollen die einzelnen Heizkörper regulierbar sein, müssen sie als Nebenanschlusssystem installiert werden. Dabei werden die Heizkörper über einen Vor- und Rücklauf mit der Ringleitung verbunden. Auf diese Weise führen abgesperrte oder gedrosselte Heizkörper zu keiner Beeinträchtigung der Druckverhältnisse in der Anlage. Bei geöffnetem Heizkörperventil strömt ein Teil des Heizwassers durch den Heizkörper, der andere Teil fließt weiter durch die Ringleitung. Dort, wo der Rücklauf wieder auf die Ringleitung trifft, fließen das abgekühlte Rücklaufwasser und das Vorlaufwasser wieder zusammen; an jedem dieser Mischpunkte reduziert sich also die Vorlauftemperatur. Damit der Heizkörper auch durchströmt wird und das Wasser nicht ausschließlich den bequemen Weg über die Ringleitung wählt, werden an den Mischpunkten so genannte Saugventile eingebaut. Nach dem Venturi-Prinzip erzeugt das in der Ringleitung strömende Wasser hier eine Saugwirkung, die das Heizwasser durch den Heizkörper zieht.
Waagerecht am gebräuchlichsten
Eine andere, im Nebenanschlusssystem häufig angewendete Anschlussausführung ist der Einsatz von Steigrohr- oder Tauchrohrventilen. Beide Ventilarten lassen auch bei abgesperrtem Heizkörper das Wasser durch das Ventil in der Ringleitung weiter fließen. Beide Einrohrsystemvarianten können als waagerechte oder senkrechte Einrohrheizung installiert sein. Die waagerechte Ausführung, bei der die Rohrleitungen auf der Rohdecke (unter dem Estrich) oder – bei der Altbausanierung – in den Fußleisten oder in speziellen Abdeckprofilen untergebracht sind, ist die gebräuchlichste Ausführung. Bei der senkrechten Einrohrheizung führt der Steigestrang bis in das oberste Geschoss und verteilt sich von dort zu den einzelnen „Fallsträngen“. An diesen sind die Heizkörper als Nebenanschlusssystem angeschlossen. Verglichen mit dem Zweirohrsystem wird für eine Einrohranlage zwar weniger Rohr benötigt, nachteilig fällt aber der Heizflächenbedarf auf. Denn je weiter das Heizwasser fließt, desto kälter wird es und immer größere Heizflächen sind nötig. Hinzu kommt, dass nachträgliche Änderungen der Anlage nicht unproblematisch sind. Denn wird ein zusätzlicher Wärmekörper eingebaut, sinkt die Temperatur an allen folgenden Mischpunkten. Mit anderen Worten: Die Wärmeleistung der vorhandenen Heizkörper verändert sich.
Ein Problem, das sich beim Zweirohrsystem nicht stellt. Und wird hier der vorgeschriebene hydraulische Abgleich korrekt durchgeführt, wird’s auch gleichzeitig schön warm in der Wohnung. Man sieht: Heizkörper anschließen, das ist doch schon mehr als „Rohr hin und Rohr zurück“.