Die Rede ist von Trinkwassererwärmern aus einfachem Stahl. Und dieser schlichte Stahl würde sich unter der Last von ständig neuem Nachschub an frischem Trinkwasser und Sauerstoff langsam in Rost verwandeln. Daher wollen die Hersteller dem geneigten Kunden ein langlebigeres Produkt anbieten und haben dazu in die Trickkiste gegriffen.
Emaille als Flasche in der Dose
Zunächst einmal muss klar sein, dass das Korrosionspotenzial in einem Trinkwassererwärmer bei jeder Warmwasserentnahme erneuert wird. Immer wieder fließt dann nämlich sauerstoffhaltiges Frischwasser nach und bietet die Grundlage für Rost. Man muss also eine stabile Schicht zwischen Stahl und Wasser bringen. Es bieten sich Schichten an, die als eine Art Farbanstrich einen innigen Kontakt mit dem Stahl eingehen. Oder man bringt einen Stoff auf, der als hygienisches Behältnis schon seit Jahrtausenden geschätzt wird, nämlich Glas. Dazu stellt man nicht etwa einen Glasbehälter knatscheng in den rostanfälligen Stahlbehälter, sondern bringt dieses Glas erst zum Schmelzen und dann in flüssiger Form auf die Innenwand des zukünftigen Trinkwasserspeichers. Es dürfen dann auch ruhig zwei Schichten werden, die man nacheinander aufbringt. Und hat man die richtige Mischung der Glasschmelze für den umgebenden Stahl getroffen, dann kriegt man die beiden aus ihrer innigen Verschmelzung nicht mehr ohne Weiteres getrennt. Dabei verhält sich der umgebende Stahl wie die Eisenringe eines Holzfasses. Der Stahl sorgt für die eigentliche Unempfindlichkeit gegen 10 bar Wasserdruck und gegen Stoßeinwirkungen. Nur das Glas, das man in dieser Verwendung auch als Emaillierung bezeichnet, berührt im Wesentlichen das Lebensmittel, also das Trinkwasser. Schwierig für die Innenbeschichtung wird es vielleicht noch an einigen Erhebungen oder tiefen und engen Spalten in dem Stahlbehälter. Hin und wieder werden Bereiche trotz korrekter Vorreinigung der Stahloberfläche und trotz aller Behutsamkeit nicht ausreichend vom flüssigen Glas überdeckt und ragen dann später immer noch nackt in das korrosionstreibende Wasser. Aber ein erheblicher Anteil des unedlen Stahls ist von einer widerstandsfähigen, zarten Glasur überzogen.
Das schwächste Glied …
… in der Kette entscheidet über die Haltbarkeit der gesamten Kette. Es würde einem Kunden ja nicht viel Trost spenden, wenn man ihm erklären würde: „Die Behälterinnenwände sehen aus wie neu, nur die Flansche sind alle abgegammelt.“ Deshalb stellt sich die Frage, wie man die unvermeidbaren Fehlstellen einer Emaillierung denn auch noch schützt. Man entscheidet sich, ein Opfer darzubringen. Eisen oder einfacher Stahl sind nicht sonderlich edel und höchstens im Mittelfeld des Metalladels angesiedelt. Man suche sich dann ein Metall, das auffällig noch unedler ist als Stahl. Dieses opfert sich in der Regel bereitwillig, um den hochwohlgeborenen Stahl zu schonen. Magnesium bietet sich an. Ablesen kann man diesen Adelsstand in der elektrochemischen Spannungsreihe der Metalle. Hier einige Beispiele:
Metall Zeichen Volt
Magnesium Mg –2,35
Aluminium Al –1,66
Zink Zn –0,76
Eisen Fe –0,44
Zinn Sn +0,05
Kupfer Cu +0,35
Silber Ag +0,80
Gold Au +1,50
In die Bresche springen
Dieser Vorgang geschieht tatsächlich anstelle eines Rostansatzes. Die Magnesium-Anode gibt dabei die freiliegenden positiv geladenen Elektronen durch das stromleitende Trinkwasser ab. Diese wandern wie von einem Wahn getrieben, aber eigentlich gemäß ihrer elektrischen Ladung zur Kathode. Und die ist die entsprechende Gegenstelle dieser Ladung, also die Fehlstelle. Würde man zwischen Opferanode und Trinkwasserbehälter die elektrische Spannung messen, würde ein entsprechend empfindliches Gerät dies anzeigen. Der so geschützte Trinkwassererwärmer verhält sich also wie eine Batterie. Als schöner Nebeneffekt kann dabei noch angesehen werden, dass bei Wasser mit einer ordentlichen Menge an Calciumcarbonat die Fehlstelle im Email langsam mit diesem umgangssprachlichen Kalk zuwächst.
Die Magnesiumanode verhindert also die Rostbildung, weil die Reaktion mit dem Magnesium noch stärker bevorzugt wird als das Rosten. Zusätzlich vermauert das Magnesium noch während der Wanderung ins kühle Grab seine Grabstelle selber. Das Material, also Kalk, ist allerdings bauseits, also mit dem Wasser zu liefern. Und der übliche Schutz eines Trinkwassererwärmers ergibt sich aus der Emaillierung plus dem anodischen Schutz.
Alle glücklich!?
Dieser Prozess läuft derart freiwillig ab, dass man sich eigentlich nicht mehr darum kümmern möchte. Schade nur, dass die Magnesiumlanze sich langsam verzehrt. Ist viel zu schützen, ist die Anode schneller verbraucht, als wenn nur hier und da mal kleine Rostangriffe zu überstehen sind. Sind also bei der Fertigung oder dem Transport entsprechend viele Fehlstellen in der Emaillierung aufgetreten, verkürzt sich das Leben des unedlen Magnesiums. Ist das Wasser entsprechend aggressiv oder liefert kaum Flickmaterial, also Kalk, so geht’s dem Stab ebenso schneller an den zölligen Kragen. Ist die Anode irgendwann aufgebraucht, so besteht auch kein Schutz mehr. Die Opferanode sollte daher in sinnvollen Zeitabständen überprüft werden. Eine allgemeingültige Formel ist selbst für ein und dieselbe Stadt nicht immer haltbar. Abhängig von der Wasserqualität des jeweiligen Stadtteils kann der Zeitraum für den kompletten Abbau einer Anode zwischen zwei und zehn Jahren liegen. Die fünf Minuten, die man oft nur braucht, um die Anode einer Sichtprüfung zu unterziehen, müssen eben im Kundeninteresse und im Rahmen der von ihm bezahlten Wartung übrig sein. Am besten schaut man jeweils jährlich nach.
Zu erwähnen ist noch die isolierte Einbauweise der Opferanode. Dabei hat also die Opferanode erstmal keinen elektrisch leitenden Kontakt zu dem Stahlbehälter. Dieser Kontakt wird durch den Monteur erst bei der endgültigen Montage mittels eines Erdungskabels hergestellt. Diese Anordnung ermöglicht es, diese Verbindung zur Überprüfung zu lösen und ein Messgerät zwischenzuschalten. Ein entsprechendes Messgerät zeigt nun gegebenenfalls die Funktionsbereitschaft der Anode an. Ist diese verbraucht oder aber gar nicht isoliert eingebaut, wird dies ebenso entsprechend gemeldet. Zum Schluss einer solchen messtechnischen Überprüfung muss unbedingt wieder die leitende Verbindung zwischen Anode und Speicher hergestellt werden.
DICTIONARY
Bauernopfer bringen = to sacrifice a pawn
elektrischer Strom = current, electrical power
Korrosion = corrosion
Opferanode = sacrificial anode
Rost = rust
Rundum-Sorglos-Paket
Nach dem Motto „fire and forget“ kann die Opferanode auch gegen eine Anode ersetzt werden, die so edel ist, dass sie den emaillierten Stahlspeicher überlebt. Legt man nämlich eine ausreichende Spannung an diese Anode, so fließt ebenfalls, genauso wie beim Magnesiumopfer, ein Strom. Diese Elektronen stammen allerdings nicht von dem Magnesiumstab, sondern aus der Steckdose. Erzeugt man aus dem haushaltsüblichen Wechselstrom nämlich einen Gleichstrom und legt diesen geordnet an den Stahlbehälter und an die edle Titanoxidanode, so werden die Fehlstellen der Emaillierung verblüffend gleich auf die Elektronenwanderung reagieren. Geordnet bedeutet, dass man hier nicht einfach den Trafo der Modelleisenbahn auf Stellung drei stellt, sondern doch schon einiges mehr beachtet. Daher wird im Fall eines potentiostatischen kathodischen Innenschutzes – so heißt es dann unter Fachleuten – die Spannung anhand von Messwerten ständig korrigiert. Etwa 100 Mikrosekunden (Mikro für Millionstel) wird gemessen und dann 1000 Mikrosekunden eine entsprechende Spannung angelegt. Wartung kann man dann für diesen Schutz vergessen. Der Blick auf die grüne Kontrollleuchte reicht aus, um von einer sicheren Funktion der gesamten Mimik ausgehen zu dürfen. Erst bei einem kompletten Stromausfall wäre der Schutz eines so gesicherten Trinkwasserspeichers unterbrochen. Der Stromverbrauch solcher Anlagen ist nicht so hoch, wie oft befürchtet wird. Es sind lediglich 20 bis 30 kWh. Beim aktuellen Strompreis bleibt man also auf schlimmstenfalls 10 Euro hängen. Für das Rundum-Sorglos-Paket ist das doch echt nicht zu viel.