Mit System zum Erfolg, Teil 1
Also, lautet der Beschluss, dass der Mensch was lernen muss. Was Wilhelm Busch schon vor mehr als hundert Jahren so nett umschrieben hat, gilt heute, in einer Zeit des immer schnelleren Wandels, als hochmodern. Aus dem Lernen kommt man heute nicht mehr heraus. Dabei ist lernen nicht gleich lernen. Da gibt es Leute, die sagen, sie müssten büffeln und pauken, um etwas zu behalten. Anderen scheint das Wissen nur so zuzufliegen. Bevor der hier Benachteiligte dies nun als unabänderliches Schicksal hinnimmt, sollte er mal darüber nachdenken, ob es vielleicht an seinem persönlichen Lernsystem liegt, dass er sich so quälen muss.
Was heißt eigentlich „lernen“?
Mit ein bisschen Grundwissen über die Funktionsweise des Gehirns und einer guten Organisation des Lernens ist jeder in der Lage, mit Erfolg zu lernen. Der Begriff „Lernen“ kommt aus dem Germanischen („leis“) und bedeutet Spur oder Bahn. Ziel ist es, Wissen zu erlangen, d.h. wir verändern uns aus dem Zustand des Nichtwissens heraus zum Wissen. Wir selber müssen dem Wissen aktiv nachspüren. Dies geht am besten, wenn wir neue Gedanken mit bereits vorhandenem Wissen verbinden. Dadurch breitet sich das Wissen immer mehr aus. Zwischen einer Unterweisung und dem Wissen liegen Arbeit und Zeit, den Spuren nachzugehen. Wahres Lernen ist kein automatisches Wiederholen von Fakten und nur, weil man etwas einmal gehört hat, weiß man es noch nicht. Lernen ist ein mühsamer Prozess, in dem sich der Lernende das Wissen individuell aneignen muss.
1,5 kg Hirn, so groß wie eine Kokosnuss
Zunächst einmal ein paar erstaunliche Daten und Fakten: Das Großhirn eines Erwachsenen wiegt ca. 1,5 kg. Es hat die Größe einer Kokosnuss und besteht zu 3/4 aus Wasser. Somit besitzt der Mensch nicht das größte Gehirn im Tierreich. Der Mensch – als Spitze der Evolution – besitzt jedoch das beste Verhältnis zwischen der Masse seines Gehirns zu seiner Körpermasse. Elektrische und chemische Prozesse steuern Denken, Fühlen und Handeln. Dafür verfügt das Gehirn über 500 Billionen (das ist eine 1 mit 12 Nullen!) Schaltstellen, so genannten Synapsen, und es sind über 500000 km Leitungen verlegt, die Nervenfasern. Das entspricht einer Leitung, die 12,5-mal um die Erde gewickelt wäre. Der Energieverbrauch beträgt 0,2 kWh. Mit anderen Worten: Wer denkt und lernt, der benötigt Energie. Deshalb sollte man nie hungrig lernen. Tatsächlich hilfreich für ausreichend „Strom in der Birne“ ist dabei auch der gute alte Traubenzucker.
Das Großhirn teilt sich in zwei Hälften auf, die untereinander durch Nervenfasern verbunden sind. Beide Gehirnhälften sind im Hinblick auf bestimmte Funktionen spezialisiert. Bei der Benutzung von verschiedenen Eingangskanälen (Sehen, Hören, Tasten, Riechen) und der Ausgangskanäle (Bewegung, Reden, Schreiben) werden unterschiedliche Regionen der Großhirnrinde aktiviert.
Auch der Bauch denkt mit
In der linken Gehirnhälfte ist das logische Denken platziert. Analysieren, Planen, Gesetzmäßigkeiten und Mathematik verstehen, Gedächtnis für Wörter und Zahlen sowie die Konzentration sind hier anzutreffen. Bilder und Gefühle, künstlerische Begabungen und Träume sind der rechten Gehirnhälfte zuzuordnen. Heute weiß man, dass es beim intuitiven Handeln eine Verbindung zwischen der rechten Gehirnhälfte und dem Magen-Darm-Trakt gibt – man handelt also tatsächlich und buchstäblich aus dem Bauch heraus. Beim Einsatz der rechten Gehirnhälfte ist das weibliche Geschlecht den Männern überlegen. Frauen können mindestens drei Sachen gleichzeitig erledigen: telefonieren, fernsehen und bügeln. Dies ist nur mit der Koordination der rechten Gehirnhälfte möglich. Männer erledigen lieber alles hintereinander, ein deutliches Zeichen für den Einsatz der linken Gehirnhälfte. Für das Lernen ist aber der Einsatz beider Gehirnhälften wichtig. Denn wer versucht, sich etwas allein durch Logik zu merken, der hat es schwer. Viel leichter fällt das Lernen, wenn man sich die Sachverhalte mit bildlichen oder lustigen Zusätzen merkt.
Effektive Merkhilfen
So ist die sachliche Information zum Beispiel die, dass man weiß, wie das Zeichensymbol für einen Rückflussverhinderer aussieht. Ins Schleudern kommt der eine oder andere beim Zeichnen: Wie herum war hier doch gleich die Fließrichtung? Das Symbol für den Rückflussverhinderer ist ein schwarzes Dreieck. Der Pfeil, der die Fließrichtung angibt, zeigt auf die „breite Seite“ des Dreiecks (also auf die Hypotenuse). Das kann man sich prima merken, denn würde man den Pfeil abschießen, wäre ja diese breite Seite viel besser zu treffen als die Spitze des Dreiecks. Also merkt man sich: „Der Pfeil trifft immer ins Schwarze“ – und schon stimmt die Richtung. In diesem Fall haben also linke Gehirnhälfte (ich weiß wie das Symbol aussieht) und rechte Gehirnhälfte (die Fantasie, dass man mit einem Pfeil schießt) eine erfolgreiche Teamarbeit geleistet. Der Volksmund nennt solche Merkhilfen auch Eselsbrücken. Eine Bezeichnung, die eigentlich Quatsch ist, denn eben nur Esel nutzen sie nicht. Beispiele für solche Eselsbrücken gibt es viele. Wie viele Tage hat der August? Wer fängt jetzt nicht an, seine beiden Fäuste aneinander zu legen und die Knöchel den Monaten mit 31 Tagen und die Zwischenräume den Monaten mit 30 Tagen zuzuordnen? Wie lauten die Saiten einer Gitarre? E, A, D, G, H und nochmals E. Der Merksatz dazu lautet: Eine alte Dame ging Hering essen. Je bildhafter oder komischer eine Vorstellung ist, desto leichter lässt sich das Gelernte im Gedächtnis behalten. Bei einer Eselsbrücke werden beide Gehirnhälften aktiviert. Haben Sie auch Schwierigkeiten, die Verhältnisse der Winkelfunktionen zu behalten? War „sinus“ noch mal Gegen- oder Ankathete? Wie wäre es mit folgender Eselsbrücke: GAGA Hummel Hummel AG. Das macht keinen Sinn? Das ist blöd? Gerade deshalb kann man den Spruch gut behalten. Sagen Sie den Satz drei, vier mal auf und Sie vergessen ihn nicht mehr. Und was hat das mit den Winkelfunktionen zu tun? Sehen Sie sich mal folgende Tabelle an:
sinus cosinus tangens cotang
G A G A
H H A G
Haben Sie es schon erkannt? Der Sinus ist das Verhältnis aus Gegenkathete (G) zur Hypotenuse (H), der Cosinus aus Ankathete (A) zur Hypotenuse (H) und der Tangens ist das Verhältnis von Gegenkathete (G) zur Ankathete (A). Den Kotangens können Sie übrigens getrost vergessen.
Verblüffendes Experiment
Versuchen Sie einmal, folgenden Satz auswendig zu lernen, beobachten und notieren Sie, wie viel Zeit Sie dafür benötigt haben. Halten Sie auch fest wie oft Sie den Satz wiederholen mussten.
Ein Zweibein sitzt auf einem Dreibein und isst ein Einbein. Da kommt ein Vierbein, nimmt dem Zweibein auf dem Dreibein das Einbein weg, und rennt davon; da nimmt das Zweibein das Dreibein und wirft es nach dem Vierbein.
Wahrscheinlich haben Sie drei Minuten gebraucht und den Satz neunmal wiederholt, womöglich nicht fehlerfrei. Dabei haben Sie die linke Gehirnhälfte benutzt. Sie haben sich also damit abgequält sich genau zu merken, wann das Zweibein was mit dem Einbein – oder war’s doch das Dreibein…? Sie sagen, so etwas kann man sich doch gar nicht merken? Doch, Sie können den Satz in weniger als 30 Sekunden fehlerfrei und für immer auswendig! Wie? Ganz einfach: Benutzen Sie Ihre rechte Gehirnhälfte, Ihre bildhafte Seite. Wie wäre es mit einer Bildergeschichte?
Ein Mensch sitzt auf einem Hocker und isst eine Hähnchenkeule. Da kommt ein Hund, nimmt dem Menschen die Keule weg und rennt davon; da nimmt der Mensch den Hocker und wirft ihn nach dem Hund.
Machten Sie die Augen zu und wiederholen den Satz. Das hat doch sicher geklappt. Wenn Sie sich jetzt Mensch, Hocker, Hähnchenkeule und Hund vor dem geistigen Auge vorstellen (eben rechte Gehirnhälfte), beim Wiederholen des Satzes aber nicht Mensch, sondern „Zweibein“ und nicht Hocker, sondern „Dreibein“, usw. sagen, können Sie plötzlich auch den ersten Satz auswendig. Also genau den, den man sich noch vor wenigen Minuten kaum merken konnte.
Mit dem Switching hapert’s oft
Schafft man es, die rechte und die linke Gehirnhälfte zum Teamwork zu erziehen, lernt man sehr viel schneller. Man spricht dabei vom Switching. Leider hapert es beim Lernen oft genau hier. Es schalten sich bestimmte Bereiche im Gehirn einfach ab, was zur Folge hat, dass linke und rechte Gehirnhälfte nicht mehr optimal zusammenarbeiten können. Die Folge können dann z.B. Konzentrations-, Rechen-, Schreib- und Lesestörungen sein. Wir beschreiben diesen Zustand intuitiv mit der Redewendung „er hat abgeschaltet“. Gemeint ist, dass nicht das ganze Gehirn aufmerksam ist. Abhilfe schafft hier körperliche Betätigung. Schon beim Laufen wird durch die „Überkreuz-Bewegung“ die Koordination beider Gehirnhälften geübt.
Abspeichern in drei Schritten
In der so genannten Großhirnrinde sind unsere Gedächtnisinhalte gespeichert. Die Großhirnrinde ist sozusagen unsere Festplatte. Im Zwischenhirn werden alle eintreffenden Informationen mit Gefühlen versehen, bevor sie in der Großhirnrinde abgespeichert werden. Es ist also der Arbeitsspeicher. Wie geht das denn nun mit der Abspeicherung von Informationen in unserem Gehirn?
1. Schritt
Das Ultrakurzzeitgedächtnis:
Aus unserer Umwelt gelangen über unsere Sinnesorgane in 1 Sekunde 10 Milliarden Informationseinheiten zum Gehirn. Diese Infoflut muss gefiltert werden, bevor sie die Großhirnrinde erreicht. Unser Gehirn wählt folglich nur einen Teil der Informationen aus. Von den 10 Milliarden Informationseinheiten lässt dieser Filter nur ganze 100 durch. Beispiel: Straßenverkehr. Wem ist es nicht schon mal beim Überqueren einer Ampelkreuzung passiert, dass er sich nicht erinnern konnte: War die Ampel eigentlich grün oder rot? Sie können sicher sein, sie war grün. Nur war diese Information nicht so wichtig, Sie konnten das weitermachen, was Sie
gerade getan haben, nämlich Autofahren. Wäre die Ampel auf rot gesprungen, hätte das Gehirn diese Information als wichtig eingestuft und Sie hätten reagiert – bremsen, kuppeln, usw.
2. Schritt
Das Kurzzeitgedächtnis:
Hier werden die Informationseinheiten ein zweites Mal gefiltert. Es bleiben nur noch 10 in einer Sekunde übrig, die nun kurzfristig gespeichert werden. Informationen mit 7 Zeichen können
einige Sekunden bis maximal
20 Minuten gespeichert werden. Wer das weiß, der erkennt, dass es unsinnig ist mit nur einer Lerneinheit ganz viele Informationen behalten zu wollen. Der Fleiß ehrt einen natürlich, aber man vergeudet unnötige Energie. Also: Besser vier mal 30 Minuten gelernt, als einmal 2 Stunden stur am Stück.
3. Schritt
Das Langzeitgedächtnis:
Auf diesen Gedächtnisteil können wir auch noch nach Jahren zurückgreifen. Was hier einmal abgespeichert ist, das sitzt. Es wird hier aber nur noch eine Informationseinheit pro Sekunde abgespeichert. Automatisch gehen solche Dinge ein, die wir selbst intensiv erlebt haben und denen wir eine hohe Bedeutung beimessen. Wo der Stoff in der Regel nicht erlebt wird – beim Lernen also – sollte jede Information mehrfach wiederholt werden. Wenn richtig gelernt wird – also die rechte (kreative) und die linke (logische) Gehirnhälfte zusammen eingesetzt werden – reichen wenige Wiederholungen aus.
Obwohl es viele nur für eine faule Ausrede halten: Ganz wichtig für ein erfolgreiches Lernen sind die Pausen. In den Lernpausen arbeitet das Gehirn die Informationen weiter nach, auch wenn Sie selbst mit den Gedanken schon wieder ganz woanders sind. Wie man in dieser Art buchstäblich „mit allen Sinnen lernt“ und motiviert an die Arbeit geht, wird unser Autor mit dem nächsten Teil dieses Beitrages beschreiben. Und auch da geht es wieder um etwas Angenehmes: Es soll dann die Frage geklärt werden, wie wichtig „Belohnungen“ für den Lernerfolg sind.