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Fallbeispiele Haftung im Straßenverkehr, Teil 1 von 2

Ich geb’ Gas, ich will Spaß!

Damit man am Ende nicht tiefer in die Tasche greifen muss als nötig oder gar vor dem Richter landet, kommen hier ein paar praxisnahe Fälle und Tipps.

Fall 1a:
Kein Lohn wegen Unfallschadens?

Azubi Anton fährt mit dem Fahrzeug seines Ausbildungsbetriebs „Flink und Sauber“ zu einem Kunden. Unterwegs schreibt er seiner Freundin Franzi eine SMS, um sich mit ihr für den Feierabend zu verabreden. Da er deshalb kurz unkonzentriert ist, rammt er ein an der Straßenseite parkendes Fahrzeug. Er ruft seinen Chef Flink an und berichtet ihm von dem Unfall. Dieser ist außer sich und sagt: „Den Schaden werde ich dir von deinem Lohn abziehen!“ Kann der Chef das machen und muss Anton den Schaden überhaupt bezahlen?

Falllösung:

Zunächst einmal wird keiner bezweifeln, dass Anton grundsätzlich die Schuld an dem Unfall trägt. Denn hätte er keine SMS getippt, wäre er aufmerksam gefahren und hätte das parkende Auto nicht gerammt. Allerdings gibt es für Mitarbeiter eines Betriebs, die in Ausübung ihrer betrieblichen Tätigkeit – kurz gesagt also bei der Arbeit – einen Unfall bauen in manchen Fällen eine Haftungserleichterung. Wenn ein Mitarbeiter nur fahrlässig handelt, haftet er nicht. Bei mittlerer Fahrlässigkeit haftet er je nachdem, wie hoch sein Verschuldensanteil war. Im Zweifel muss das ein Richter feststellen. Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet der Mitarbeiter grundsätzlich voll. Bei grober Fahrlässigkeit (davon spricht man, wenn man etwas außer Acht lässt, was praktisch auf der Hand liegt) kann im Einzelfall eine Ausnahme gemacht werden. Beispielsweise wenn der Azubi einen Unfall baut, bei dem ein Schaden von 100 000 Euro entstanden ist. Diesen Schaden könnte er mit seinem Gehalt ja niemals abbezahlen. Wie bereits gesagt, sind das aber immer besondere Ausnahmen.

Eine SMS neben der Fahrt zu schreiben ist auf jeden Fall grob fahrlässig, das heißt, Anton haftet voll. Darf der Chef jetzt die Kosten, die ihm durch den Unfall entstehen, von Antons Lohn abziehen? Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, mit der Forderung eines anderen aufzurechnen, wenn man demjenigen ebenfalls Geld schuldet. Allerdings geht das nur bis zur sogenannten Pfändungsfreigrenze. Die Pfändungsfreigrenze regelt den Betrag, der jedem von seinem Lohn in jedem Fall bleiben muss. Dieser Betrag darf nicht gepfändet werden. Die Pfändungsfreigrenze liegt zurzeit bei ca. 1000 Euro. Die genaue Berechnung ist etwas kompliziert und hängt beispielsweise davon ab, ob man Kinder hat. Da ein Azubi üblicherweise weniger als 1000 Euro netto verdient, darf mit seinem Lohn nicht aufgerechnet werden. Das bedeutet, Chef Flink kann den Schaden nicht von Antons Lohn abziehen. Das ändert aber nichts daran, dass Anton verpflichtet ist, den Betrag seinem Chef zu bezahlen.

Fall 1b:
Fahrerflucht?

Der Chef sagt Anton am Telefon noch, dass er das mit dem Unfall alles selbst klären soll. Da Anton nicht weiß, wem das Auto gehört, das er gestreift hat, hängt er eine Visitenkarte von sich hinter die Windschutzscheibe und schreibt darauf: „Ich bin auf Ihr Auto gefahren. Bitte melden Sie sich. Sorry!“ Dann fährt er zu dem Kunden und geht dort seiner Arbeit nach. Als Anton abends zuhause ist, klingelt die Polizei bei ihm und sagt, er habe Fahrerflucht begangen. Hat die Polizei recht und was kann Anton jetzt tun?

Falllösung:

Wer einen Unfall baut, muss grundsätzlich dem Unfallgegner direkt am Unfallort unter anderem seine Personalien mitteilen. Ist derjenige, dem das andere Fahrzeug gehört, nicht anwesend, muss der Unfallverursacher grundsätzlich warten, bis derjenige kommt. Kommt er nicht, muss die Polizei gerufen werden. Ansonsten liegt Fahrerflucht vor. Ein Zettel an der Windschutzscheibe, auch wenn das gut gemeint ist, reicht nicht! Also aufpassen! Bei einer Verurteilung wegen Fahrerflucht kann auch der Führerschein weg sein!

Lesen Sie im zweiten Teil weitere interessante Hintergründe zu diesem Thema.

Julia Reisch
Julia Reisch ist Rechtsanwältin

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