Um Geld zu sparen, verzichten laut einer Studie von TNS Emnid rund 59 Prozent der Deutschen auf ihr Wohlfühlklima zu Hause. Zittern statt zahlen ist dann die Devise. Entweder senken sie die Heiztemperatur oder stellen die Heizung in Räumen ganz ab. Für drei Erfinder aus Hamburg ist frieren aber keine Option. 2016 gründeten sie die Firma Vilisto und entwickelten das intelligente Heizkörperthermostat Ovis. Durch den Import von Wetterdaten und –vorhersagen, Anwesenheitssensoren und wenigen Einstellungen erlernt das System selbstständig die individuelle Raumnutzung sowie die Gebäudeparameter und stellt damit das Wohlfühlklima der Bewohner für jeden einzelnen Raum her. Ovis weiß, wann und mit welcher Leistung die Heizung gebraucht wird. Das ist nicht nur sehr komfortabel, sondern spart auch Heizkosten und vermindert die CO2-Belastung. Vilisto wird unterstützt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und KIC InnoEnergy.
Automatisches Wohlfühlklima
Auf dem Markt gibt es bereits einige wenige Anbieter von intelligenten Thermostaten, die einen ähnlichen Nutzen versprechen. Diese müssen allerdings umständlich per App gesteuert werden. Das bedeutet, die Daten werden extern, zum Beispiel in einer Cloud, gespeichert. Im schlimmsten Fall kann dieser Datenspeicher gehackt werden. Vor allem ist das Handling ungleich unkomfortabler, da der Nutzer gezwungen ist, täglich an die Heizung in seiner Wohnung oder im Büro zu denken.
„Der entscheidende Vorteil des Vilisto-Systems ist die vollautomatische Regelung, die beispielsweise Kalendereinstellungen unnötig macht. Der Nutzer behält dabei stets die Möglichkeit, die Leistung der Heizung direkt am Thermostat nach seinen Wünschen zu korrigieren und ist nicht durch die programmierten Algorithmen eingeschränkt“, erklärt Energietechniker und Vilisto-Gründer Christoph Berger. Jeder Mensch hat ein unterschiedliches Wärmeempfinden. Laut einer holländischen Studie fühlen sich Frauen bei durchschnittlich 25 Grad Celsius am wohlsten, Männer bei 22 Grad Celsius. Hinzu kommen die verschiedenen Wärmebedürfnisse für einzelne Räume. So wird das Schlafzimmer meist weniger beheizt als das Wohnzimmer oder Büro. „Der Wärmebedarf von Wohngebäuden, Büro- und Industrieimmobilien ist enorm“, sagt Prof. Dr. Gerhard Schmitz, Leiter des Instituts für Technische Thermodynamik an der TU Hamburg. „Sieht man sich den Energiebedarf in privaten Haushalten an, dann entfallen nur gut 11 Prozent auf die Bereitstellung von Warmwasser und nur 1,5 Prozent auf die Beleuchtung. Wärme ist mit fast 76 Prozent der größte Posten. Gerade mit dem Blick auf die Energiewende und das Thema Nachhaltigkeit brauchen wir im Heizungsbereich innovative Lösungen, um den CO2-Ausstoß zu verringern.“
Ovis für viele Anwender
In allen Wohnungen, Büros und Gewerbeflächen könnten die Heizkörper mit Ovis gesteuert werden. Allein im Bereich Wohngebäude sind das rund 177 Millionen Heizungen. Bereits nach zwei Jahren rechnet sich der Einbau des Geräts. Bei einem voraussichtlichen Preis von etwa 120 Euro pro Thermostat sind die Anschaffungskosten für ein System dann durch die Einsparung von Heizkosten getilgt. Jeder kann Ovis in seinem Haus oder seiner Wohnung eigenständig und ohne Fachkenntnisse an seiner Heizung installieren. Ausgeschlossen sind lediglich Heizungssysteme ohne Thermostate, wie zum Beispiel Fußbodenheizungen.
Gut für Geldbeutel und Umwelt
Die Installation von Ovis könnte nicht simpler sein: Anschrauben, Wohlfühltemperatur einstellen, zurücklehnen. Das Heizsystem ermöglicht seinen Nutzern aber nicht nur ein individuelles Klima, sondern spart Geld und schont die Umwelt. Die effiziente und ökonomische Heizungssteuerung mit Ovis reduziert die CO2-Produktion eines Haushalts um ein Vielfaches. „Genauer gesagt: In einer klassischen Altbauwohnung kann das Thermostat jährlich bis zu 5000 Kilowattstunden einsparen. Das entspricht etwa einer Menge von 1,2 Tonnen CO2 – so viel wie ein moderner VW Golf im Jahr bei 10 000 Kilometern Laufleistung ausstößt“, erklärt Christoph Berger.
Highlights von Ovis
Heizt durch Präsenzsensoren nur bei Bedarf
Erstellt automatisch einen Heizkalender
Funktioniert vollautomatisch
Spart bares Geld bei ca. zwei Jahren Amortisation
Bezieht Wettervorhersagen mit ein
Erkennt offene Fenster und regelt herunter
Misst Raumfeuchte gegen Schimmelbildung
Erlernt raumabhängige Gebäudeparameter
Benötigt keine App um zu funktionieren
Schützt lokal die Präsenzdaten des Bewohners
Einfach selbst zu installieren
Auch für Mietwohnungen geeignet
Crowdfunding mit Kickstarter
Doch die Herstellung von Ovis braucht Zeit und Geld. Sowohl das funktionsfähige Gerät als auch das edle, puristische Design stehen. Was noch fehlt: rund 120 000 Euro, um das marktreife Produkt an die deutschen Heizungen zu bringen. Deshalb startete Vilisto am 7. November 2016 eine Kickstarter-Crowdfunding-Kampagne. Mit dem Geld finanziert das Startup die Produktion der Werkzeuge, die Ovis schließlich herstellen werden. 270 Systeme – das entspricht 1000 Thermostaten, drei bis fünf pro Heizsystem – sind für die anfängliche Produktion geplant und gehen an die ersten Unterstützer der Kampagne.
Ovis ist komplett Made in Germany. „Beim Entwicklungsprozess ist es uns wichtig, schnell reagieren zu können und Kontrolle über alle Prozesse zu haben. Deshalb wird das Produkt vollständig im Großraum Hamburg gefertigt und zusammengebaut“, erklärt Christian Brase. Seit Oktober 2016 ist er für den kaufmännischen Bereich bei Vilisto verantwortlich.
Keine Daten verlassen das Haus
Gerade im Bereich der Smart-Home-Lösungen ist der Datenschutz immer wieder ein Thema. Im Falle eines Hacks lassen sich aus den übermittelten Daten schnell Bewegungsprofile erstellen. Die sind für Einbrecher Gold wert, denn sie geben Aufschluss über die regelmäßige An- und Abwesenheit des Bewohners. Die Vilisto-Gründer haben eine Lösung für ihr Produkt gefunden: „Die Informationen zum Erlernen des Wohlfühlklimas nehmen eine Einbahnstraße ins Gerät“, sagt Softwareentwickler und Vilisto-Gründer Lasse Stehnken. „Die Daten bleiben dabei zur Berechnung beim Nutzer auf dem hauseigenen Gateway und gehen nicht auf einen zentralen Server.“ So muss sich der Bewohner keine Gedanken darüber machen, dass seine An- und Abwesenheitsdaten in falsche Hände gelangen. Die Steuerung über eine App ist möglich, aber nicht nötig. Auf Wunsch kann die App für Zusatzfunktionen verwendet werden, zum Beispiel um dem System mitzuteilen, dass jemand früher nach Hause kommt, die Bewohner in den Urlaub fahren oder um Statistiken abzurufen. Welche Daten dabei an die App übermittelt werden, entscheidet der Nutzer individuell durch eine vorherige Freigabe.
FILM ZUM THEMA
Den Film zum Crowdfunding mit kurzen Erläuterungen zur Funktion von Ovis sehen Sie hier
www.sbz-monteur.de ➔ Das Heft ➔ Filme zum HeftEin Hamburger Original
Die Idee zu dem Heizthermostat hat seine Wurzeln an der TU Hamburg. 2016 gründeten Energietechniker Christoph Berger und Informatiker Lasse Stehnken das Startup Vilisto. Gründer Nummer drei Malte Marwede übergab seine kaufmännischen Aufgaben im Oktober an Ökonom Christian Brase, der vorher als Vertriebsleiter bei Foodora Hamburg tätig war. „Wir möchten den Menschen das Energiesparen leicht machen“, erklärt Christoph
Berger die Philosophie des Unternehmens. „Mit unserem Heizkörperthermostat kann sich jeder sein Wohlfühlklima umweltbewusst und geldsparend nach Hause holen. Egal, ob technisch versiert oder nicht. Die Installation ist ganz leicht: altes Thermostat herunter und Ovis aufziehen. Auch die Bedienung ist dank des Designs einfach und intuitiv.“ Das Produkt von Vilisto ist dabei nicht nur nachhaltig, sondern auch wirtschaftsfördernd, da komplett Made in Germany. Für ihre Erfindung erhielten die drei Hanseaten deshalb 2016 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ein EXIST-Gründerstipendium. Auch KIC InnoEnergy aus den Niederlanden, Innovationsmotor für nachhaltige Energie in Europa, glaubt an das Projekt und hat investiert. „Für das Gelingen der Energiewende müssen Energieerzeugung und Effizienzsteigerung beim Verbrauch Hand in Hand gehen“, sagt Dr. Christian Müller, Geschäftsführer der KIC InnoEnergy Germany GmbH. „Die smarte Heizungssteuerung von Vilisto kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten, weil sie anders als viele bestehende Konzepte nicht nur im Eigenheim funktioniert, sondern beispielsweise auch in Bürogebäuden, in denen der Nutzer selbst weniger auf Einsparungen achtet. Dort aber ist das Potenzial besonders hoch.“