Verbraucher empfinden Räume manchmal als warm, aber trotzdem unbehaglich. Das muss nicht sein. Die VDI 6030 „Planung und Bemessung von Raumheiz- und Kühlflächen“ nennt Faktoren für die Auslegung von Heizkörpern, die über die reine Normheizlast hinausgehen. Gerade beim Heizkörpertausch in der Modernisierung ist sie ein gutes Mittel, um die Auslegung der Heizkörper an die veränderte Gebäudestruktur anzupassen.
Die ErP-Richtlinie hat im Bereich der Heizung das Thema Energieeffizienz in den Vordergrund gerückt. Das Augenmerk liegt auf der Wärmeerzeugung. Kostenoptimiert, verbrauchsarm und möglichst umweltverträglich sollen Heizungsanlagen sein. ErP-Label für Wärmeerzeuger und den Anlagenverbund entscheiden seit September 2015 über die Klassifizierung. Diese objektive Bewertung ist zwar sinnvoll, aber ein bedeutender Faktor, der aus der ganz persönlichen Sicht der Verbraucher eine Rolle spielt, darf nicht außer Acht gelassen werden: die Behaglichkeit. Maßgeblichen Einfluss darauf üben Wahl und Beschaffenheit der Wärmeübertragung aus.
TIPPS FÜR DEN BESTAND
Gerade im weiten Feld der Gebäudemodernisierung nehmen freie Heizflächen eine zentrale Rolle ein. Also der Austausch oder Ersatz von Guss- oder Stahlradiatoren gegen neuere Varianten in Form von Röhrenradiatoren oder Flachheizkörpern. Dem Begriff der Behaglichkeit wurden erst in der jüngeren Zeit entsprechende technische Richtwerte zugeordnet. Auf einen Raum bezogen beschreiben ihn im Wesentlichen vier Faktoren:
1. die Raumtemperatur,
2. die Oberflächentemperatur der Rauminnenflächen, also Wände, Fenster, Decke und Boden,
3. die Luftfeuchte und
4. die Luftbewegung.
In die Betrachtung mit einbezogen wird zudem immer häufiger die Aktivität der Personen, die sich im Raum aufhalten. Allerdings handelt es sich bei der Behaglichkeit letztlich um ein subjektives Empfinden. Deshalb gibt es für die genannten Punkte auch keine Fixpunkte, sondern Wertebereiche. Raum- und Oberflächentemperatur zum Beispiel können in einem Diagramm zusammengelegt werden. An dieser sogenannten thermischen Behaglichkeitszone lässt sich ablesen, unter welchen Temperaturbedingungen ein Mensch den Raum als behaglich warm empfindet. Der Mittelwert zwischen Raum- und Oberflächentemperatur steht dabei für die Empfindungstemperatur. Sie sollte in der Regel zwischen 18 und 20 °C liegen. Die Oberflächentemperatur der Innenwände übt einen großen Einfluss aus und sollte nicht > 3 K unter der Raumtemperatur liegen.
Ein Beispiel: Ein Wohnraum mit einer Raumtemperatur von 20 °C und einer Oberflächentemperatur der Außenwand von 14 °C (ungedämmter Altbau) wird trotzdem als unbehaglich empfunden.
HOHE THERMISCHE BEHAGLICHKEIT
Die Einflussfaktoren gilt es bei der Auslegung von Heizkörpern entsprechend einzuplanen. Eine gute Ausgangsbasis dazu ist die VDI 6030. Im Gegensatz zur Auslege-Heizleistung nach DIN EN 12831 berücksichtigt die VDI auch die weniger deutlichen Kriterien. Sie sichert also nicht nur das Erreichen der physikalisch gewollten Raumtemperatur zu, sondern auch eine möglichst hohe thermische Behaglichkeit. Ziel ist, die Raumheizflächen so auszulegen, dass Behaglichkeitsdefizite nicht entstehen, wie zum Beispiel Fallluftströmung an Fensterflächen. Im Zuge der energetischen Sanierung ist der Heizkörpertausch eine notwendige Voraussetzung, die veränderten Bedingungen und Vorschrift en zu berücksichtigen. Für die Heizkörperauswahl und deren Größe nach VDI 6030 ist nicht nur die Spreizung zwischen Vor- und Rücklauftemperatur ausschlaggebend, sondern auch die Abstimmung der Heizkörper auf vorhandene Fensterbreiten und Brüstungshöhen, um gegebenenfalls eine Strahlungskompensation der Fensteroberflächen zu erreichen. Behaglichkeitsdefizite durch kalte Außenwandflächen sollen durch die Strahlungslieferung des Heizkörpers kompensiert werden. Eine dazu notwendige Übertemperatur der Heizkörper beeinflusst die Strahlungsbilanz positiv.
ANFORDERUNGSZONEN
Die VDI 6030 nennt zudem Anforderungszonen. Das heißt: Nicht der Gesamtraum eines Zimmers wird als Beheizungsziel angesehen, sondern eine Zone, in denen sich Personen aufhalten. In diesem Bereich sollen die Anforderungen erfüllt werden – auch hinsichtlich der Behaglichkeit. Und zwar so, dass keine Defizite auftreten. Größe und Lage der freien Raumheizflächen sind dementsprechend angepasst auszulegen.
STUFENLÖSUNG BEHAGLICHKEIT
Hinsichtlich des zu erreichenden Grades der thermischen Behaglichkeit wird von drei Anforderungsstufen gesprochen. In Anforderungsstufe 1 genügt es, wenn die Normheizlast gedeckt ist. Es werden keine besonderen Anforderungen an die Heizkörperanordnung, die Abmessungen und die Wassertemperaturen gestellt. Bei Anforderungsstufe 2 muss zusätzlich ein Teil der Behaglichkeitsdefizite beseitigt werden. Das kann zum Beispiel das Strahlungsdefizit kühlerer Außenwände sein. Daher sollte der Heizkörper vor derselben Ebene angeordnet sein wie die kalte Umfassungsfläche. Das führt zu einer Strahlungskompensation. Weiter empfiehlt die Anforderungsstufe 2, einen genaueren Blick auf den Heizkörper an sich zu werfen. Unter der Vorgabe, dass Strahlungsleistung und Behaglichkeitseffekt gleich bleiben, ist laut VDI zu überdenken, ob niedrigere Systemtemperaturen erreicht werden können. Für die praktische Umsetzung bedeutet das, Baulänge bzw. Bauhöhe der Heizfläche auf Alternativen hin zu prüfen. In der Folge kann unter diesen Bedingungen die Vorlauftemperatur des Heizungswassers deswegen meist niedriger ausfallen als in Stufe 1, es ergibt sich eine Aufheizreserve. Die hat den Effekt, dass der Raum bei Bedarf schnell auf die gewünschte Temperatur gebracht wird, etwa im Anschluss an einen Lüftungsprozess oder morgens nach der Nachtabsenkung. Diese Reserveleistung ist in der Regelungstechnik zu berücksichtigen. Zu schnelleren Aufheizzwecken können somit die Vorlauftemperatur und/oder der Volumenstrom für eine begrenzte Zeit angehoben werden. Anforderungsstufe 3 beinhaltet letztlich alle Maßnahmen, die etwaige Behaglichkeitsdefizite beseitigen. Die VDI 6030 fordert zudem vom SHK-Fachunternehmer ein Pflichtenheft ein. Das hat den Vorteil, dass Planungsvarianten und Angebote verglichen werden können. Außerdem lassen sich nach Errichtung der Heizungsanlage die Vollständigkeit und die Erfüllung der Funktionen überprüfen. Denn das ist für Endkunden immer noch der bestimmende Faktor hinsichtlich ihrer Zufriedenheit, unabhängig von ErP-Richtlinie und Energieeffizienzlabel.