Über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sind Hausbesitzer in Zukunft vom Grundsatz her verpflichtet, nach einem Heizungstausch ihren Wärmebedarf zu mindestens 65 Prozent regenerativ zu decken. Für Neubauten auf „Effizienzhaus 55 oder besser“-Niveau ist das beispielsweise über Luft/Wasser-Wärmepumpen vergleichsweise einfach zu erreichen: Aus einem Teil Antriebsenergie machen sie bekanntlich bis zu drei oder vier Teile Wärme.
Das rechnet sich für die Umwelt, und spätestens mit der PV-Anlage auf dem eigenen Hausdach für die Strom-Grundlast auch finanziell. Was aber ist mit den ganzen Objekten im Bestand, bei denen in der Regel eine höhere Heizlast bedient werden muss? Diese Frage stellten sich auch Teresa und Sebastian Kohl aus der Nähe von Kassel, als in ihrem 2017 gekauften 140 m²-Einfamilienhaus Baujahr 1950 die Gasheizung auf den Prüfstand kam. Sebastian Kohl: „Über 25 Jahre war die Anlage da alt – und lief immer noch. Als junge Familie mit kleinen Kindern tragen wir aber auch eine ökologische Verantwortung, der wir uns stellen wollten.“
Was sich einfacher anhört, als es dann (zunächst) jedoch werden sollte. Denn als Familie Kohl im Gespräch mit dem Heizungsbauer des langjährigen Vertrauens den Umstieg auf eine Wärmepumpe vorschlug, winkte der erstmal ab: „Geht nicht; viel zu teuer!“ „Viel zu teuer“, weil eben – siehe oben – trotz sanierter Fassade und ebenfalls gedämmtem Dach sowie neuer Fenster der Wärmebedarf viel zu hoch sei für eine Wärmepumpe. „Letztlich belief sich die überschlägige Kostenkalkulation für eine entsprechend groß dimensionierte Wärmepumpe und den Austausch aller Heizkörper im Haus auf rund 80.000 Euro“, erinnert sich Sebastian Kohl, immer noch ein wenig fassungslos.
Womit das Thema vom Tisch war, zumindest für diesen Heizungsbauer – weil Familie Kohl das so nicht akzeptieren mochte und mit Markus Nitzschke als Geschäftsführer der JuNi Gebäudetechnik GmbH (Niestetal) einen Spezialisten fand, den „die Kombination Altbau plus Wärmepumpe einfach schon aus fachlichen Gründen reizt“, so der Staatlich geprüfte Techniker für Gebäudesystemtechnik: „Pauschal zu sagen, dass Altbauten nicht ressourcenschonend per Wärmepumpe versorgt werden können, ist einfach Unsinn! Richtig ist aber, dass dafür jedes Objekt individuell betrachtet werden muss, denn pauschale Lösungen gibt es ebenso wenig.“
Erst Prognose dann Praxis-Check
Stattdessen setzte Nitzschke im ersten Schritt auf ein Prognosetool zur Betriebskosten-Analyse des Wärmetechnik-Herstellers Vaillant, um das grundsätzliche Potenzial alternativer Heizungssysteme zu ermitteln. Dabei wurden die Betriebskosten der Bestandsanlage mit einer neuen Gas-Brennwertheizung, einer reinen Wärmepumpen-Lösung und eines Hybrid-Systems über alle Kostengruppen hinweg verglichen; von den Energie- und Wartungskosten über eventuelle Aufwendungen für den Schornsteinfeger bis hin zur CO2-Abgabe und natürlich den seinerzeit geltenden Fördermöglichkeiten. Ausgehend von einer Norm-Außentemperatur von minus 11,6 °C, einer mittleren Temperatur von 9,1 °C und den bekannten Energieverbrauchsdaten. Nitzschke: „Die bisherigen Verbräuche sind für mich dabei eine entscheidende Größe. Genau wie das gemeinsam mit den Kunden möglichst über einen längeren Zeitraum nachvollzogene Heizverhalten. Denn das sind Praxiswerte, die später maßgeblich die Effizienz einer möglichen Wärmepumpen-Lösung beeinflussen!“
Die theoretische Grundlagenarbeit sprach im direkten Kostenvergleich bereits für eine regenerativ aufgestellte Lösung, wobei die Betriebskosten für die Hybridanlage (also Wärmepumpe plus Gas-Brennwertgerät für Spitzenlasten) etwa 25 Prozent höher lagen als bei der reinen Luft/Wasser-Wärmepumpen-Variante. Eine neue Gas-Brennwertanlage hätte 36 Prozent höhere Betriebskosten verursacht. Sebastian Kohl: „Umgelegt auf eine Betriebsdauer von 15 Jahren standen damit belastbare Werte im Raum, um auch die (Mehr-)Aufwendungen bei den Investitionskosten qualifiziert bewerten zu können.“
Absenkung der Vorlauftemperatur getestet
Diese Investitionskosten fielen deutlich niedriger aus, als ursprünglich befürchtet, denn die beim Bau des Hauses ausgesprochen großzügig dimensionierten Radiatoren boten genügend Wärmeübertragerfläche, um den Wärmebedarf in den einzelnen Räumen zu decken. „Ein Austausch war also nicht notwendig“, so Nitzschke: „Aber genau das lässt sich zuverlässig nur dann bewerten, wenn die Wärmeverteilung über die alte Heizung zumindest für einen Teil der Heizperiode mit geringeren Vorlauftemperaturen gefahren worden ist. Wenn in den Räumen dann die Wohlfühltemperaturen erreicht wurden, muss auch kein Heizkörper getauscht werden – und wir können ruhigen Gewissens auf die niedrigeren Systemtemperaturen von hier 55 °C für den Vorlauf und 45 °C für den Rücklauf wechseln, die für die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe so entscheidend sind.“
Als Faustregel gilt dabei: Jedes Kelvin weniger Vorlauftemperatur bringt bei der Jahresarbeitszahl 0,1 Punkte oder 2,5 bis 3 Prozent Einsparung beim Antriebsstrom. Dieses „Feintuning“ zahlt sich aus, beweist sich am Objekt Kohl nach einer Heizperiode: Die JAZ der Luft/Wasser-Wärmepumpe aroTHERM plus mit 7,5 kW Leistung liegt aktuell bei 3,7. „Für ein Gebäude dieses Baujahres mit der entsprechenden Bausubstanz ist das hervorragend“, freut sich Nitzschke.
Dass anstelle der ursprünglich erwarteten 4.000 kWh Strom für Wärme- und Warmwasserbereitung damit am Ende nur 2.500 kWh eingesetzt werden mussten, hat aber noch einen zweiten, maßgeblichen Grund: die PV-Anlage mit 14 kWp Leistung auf dem optimal nach Süden ausgerichteten Hausdach. Deren Ertrag ist so hoch, dass über einen 6,4 kW-Batteriespeicher nicht nur der Betriebsstrom der Wärmepumpe abgedeckt wird: Darüber hinausgehende Erträge werden genutzt, um per Elektroheizstab vorrangig den 300-Liter-Warmwasserspeicher uniSTOR plus aufzuheizen, bevor Restmengen schließlich ins öffentliche Netz eingespeist werden. Sebastian Kohl: „Dadurch sind wir rechnerisch schon in den Übergangszeiten nahezu energieautark. Und weil sich die Einspeisung ohnehin kaum mehr lohnt, haben wir noch ein E-Auto angeschafft, das wir jetzt ebenfalls mit dem eigenen Strom aufladen.“
Fazit
„Das Engagement der Hausbesitzer für eine ressourcenschonende Wärmetechnik im Altbau ist in dieser Konsequenz sicherlich außergewöhnlich“, räumt auch Fachhandwerker Nitzschke ein. Was aus seiner Sicht aber davon überzeugt, ist „das große Potenzial, das es für Wärmepumpen auch in Bestandsobjekten gibt“: „Die Hausbesitzer haben nach wie vor eine durchaus nachvollziehbare Angst, dass mit der Wärmepumpe auch die komplette Wärmeverteilung erneuert werden muss.
Gerade in alten Häusern sind die Radiatoren aber oft so groß dimensioniert, dass dies bei zwischenzeitlich zumindest grundlegend durchgeführten Maßnahmen zur energetischen Sanierung gar nicht notwendig ist. Das Argument zeigt jedoch gleichzeitig, wie wichtig eine genaue Bewertung jeder einzelnen Anlage und des jeweiligen Verbrauchsverhaltens ist. In diesem Fall haben wir beispielsweise ganz bewusst zusätzlich einen 200-Liter-Pufferspeicher installiert, der zusammen mit dem Heizkreis als ,,Energiespeicher‘ dient, um die gewünschten Laufzeiten der Wärmepumpe abzusichern. Und mit solchen individuellen Konzepten lässt sich auch in Altbauten ebenso komfortabel wie wirtschaftlich mit der Wärmepumpe heizen.“
1 Laut GEG soll in Zukunft der Wärmebedarf eines Hauses zu mindest 65 Prozent aus regenerativer Energie gedeckt werden.
2 Prognosen über die Möglichkeiten zur Nutzung verschiedener Wärmeerzeuger können softwaregestützt erstellt werden.
3 Daten über zurückliegende Energieverbräuche sind aufschlussreich für die Planung eines zukünftigen Wärmeerzeugers.
4 Eine Faustregel besagt, dass jedes Kelvin niedrigerer Vorlauftemperatur die JAZ um bis zu 0,1 Punkte heben kann.